Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Bruno Gironcoli, Mischtechnik auf Papier, 1990, Aluminium, 1998, jeweils ohne Titel

Bruno Gironcoli, Mischtechnik auf Papier, 1990, Aluminium, 1998, jeweils ohne Titel

DE SCULPTURA Der Unterhaltungswert von Kunst in 3D

Franz West, Differential, Ausstellungsansicht

Franz West, Differential, 2003, Ausstellungsansicht

Das ideale Museum für Skulpturen ohne Scheu vor seltsamen Materialien und vitaler Thematik

Die Räume sind Licht durchflutet, öffnen sich großzügig den Blicken und strahlen dabei eine wunderbare Ruhe aus, die dazu einlädt, den gezeigten Objekten alle Zeit dieser Welt zu widmen. Die Rede ist vom ehemaligen Essl-Museum, einem architektonischen Genieblitz von Heinz Tesar. Albertina sei Dank, dass dieses einmalige Haus wieder bespielt wird. In deren Sammlungen für Gegenwartskunst finden sich längst etablierte und jüngere Positionen von namhaften nationalen und internationalen Kunstschaffenden. Angela Stief, Direktorin der Albertina Modern, hat für die kommenden Monate die Plastik in den Vordergrund gerückt. Mit „De Sculptura“ (bis 16. November 2025) möchte sie ausloten, was das Thema Skulptur und Plastik im aktuellen Kunstgeschehen bedeutet und hat einen ungemein vergnüglichen Überblick zu diesem Thema geschaffen.

Vorne: Eva Beresin, Skulpturengruppe, hinten: Werke von Maria Lassnig

V.: Eva Beresin, Skulpturengruppe, h.: Werke von Maria Lassnig

Annette Messager , Gonflés – dégonflés

Annette Messager , Gonflés – dégonflés

Denkmäler, wie sie früher von kraftstrotzenden Bildhauern aus Marmor oder Sandstein gemeißelt wurden, sind heutzutage obsolet. Die Ideen zu dreidimensionalen Arbeiten entspringen eher einer Auseinandersetzung mit dem Urgrund aller Kreativität, der Sexualität, und dem Willen, deren vielschichtige Erscheinungsformen zu vermitteln. So trifft man gleich zu Beginn der Runde auf „Gonflés – dégonflés“ von Annette Messager, einer raumgreifenden Installation auf und abschwellender Körperorgane, genäht aus Ballonseide. Nur das lustvolle Stöhnen fehlt. Oder in der Rotunde Halle 1 die männlich prallen LKW-Bestandteile, in Handarbeit gestrickt vom Gemütsmenschen Claudia Märzendorfer. Franz West bezeichnete sein pinkes Ungetüm mit dem Titel „Differential“ ohne Umschweife als Sexsymbol. Bruno Gironcoli dagegen sagte zu seinen mattsilbrig schimmernden Plastiken: „Ich versuche, in Umschreibungen, in Umwegen, in der Psychologisierung der Umwelt das Menschenbild zu erfassen, weil die Darstellung, die Abbildung für mich zu wenig ergibt“, um damit ebenfalls Abgründe, zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität und unterschiedliche Ausprägungen von Gewalt sichtbar zu machen.

Jonathan Meese, Werk, Ausstellungsansicht

Jonathan Meese, Werk, Ausstellungsansicht

Elena Koneff, Schwarzes Relief, 1978

Elena Koneff, Schwarzes Relief, 1978

Dazu kommt der Spaß an der Hetz, die wahren Absichten in scheinbar unschuldigen Gegenständen zu verbergen, wie Erwin Wurm, der dazu ein eigenes Universum des Schmunzelns errichtet hat. Ein ähnliches Kaliber ist Eva Beresin, die Humor mit dem Horror vermählt hat und sich dabei keinen Deut um Ästhetik pfeift. Ihren Arbeiten wurden Gemälde von Maria Lassnig gegenübergestellt, um die künstlerische Verwandtschaft der beiden Frauen zu dokumentieren.

Der Dritte in diesem Bunde scheint Jonathan Meese zu sein, erklärter Enfant terrible der zeitgenössischen Kunst. Wenn er in klassischer Gusstechnik die grauslichsten Penis-Monster fertigt, vermeint man ihn in einer seiner Perfomances wortreich parlieren zu hören und dabei deutlich zu vernehmen, dass all das ja nicht wirklich so ernst gemeint ist, wie es auf den ersten geschockten Blick aussehen mag. Je weiter man in der Schau voranschreitet, umso mehr verdichtet sich dieser Eindruck. Die meisten Namen sind bekannt, ebenso ihre Werke, und alle haben sie neben offensichtlicher Kunstfertigkeit einen grandiosen Unterhaltungseffekt. Ernste Andacht kommt erst bei der Begegnung mit den Gemälden von Martha Jungwirth auf. Sie feierte am 15. Jänner ihren 85. Geburtstag. Ölmalerei und großformatige Aquarelle, entstanden aus jahrelangem Experimentieren mit Bildträgern und Pigmenten, weisen sie als große Künstlerin aus, deren Bildsprache als deutliche Aufforderung zu intensiver Betrachtung und Wahrnehmung filigran-subtiler Einschreibungen zu verstehen ist.

v.: Karl Karner, Ich esse mit meinem Vogel, 2024, h.: Martha Jungwirth, Porträt, Sitzender Mann

v.: Karl Karner, Ich esse mit meinem Vogel, 2024, h.: Martha Jungwirth, Porträt, Sitzender Mann

Albertina Klosterneuburg, Pop Art, Ausstellungsansicht

Albertina Klosterneuburg, Pop Art, Ausstellungsansicht

ALBERTINA KLOSTERNEUBURG Wundersame Rückkehr der Gegenwartskunst

Albertina Klosterneuburg und das Chorherrenstift im Hintergrund

Albertina Klosterneuburg und das Chorherrenstift im Hintergrund

Gleich drei Ausstellungen eröffnen das neue/alte Museum an der Peripherie

Es scheint, als quelle die Albertina vor Kunstwerken über. Die Sammlungen sind gewachsen und gewachsen, allein das Palais ist trotz immer wieder raffinierter Raumeinteilung mit den Jahren zu eng geworden. Mit der Albertina Modern im Künstlerhaus konnten bereits für die Gegenwartskunst neue Ausstellungsflächen gewonnen werden. Aber auch damit stieß man bald an eine Grenze des Möglichen, zumal sich neben anderen Schenkungen und Neuerwerbungen die ehemalige Sammlung Essl, ein unvorstellbar gewaltiges Konvolut an Kunstwerken, zu einem guten Teil in Verwahrung der Albertina befindet. Es lag damit nahe, das leerstehende Museumsgebäude in Klosterneuburg zu reaktivieren. Es ist das ideale Haus für die Kunst unserer Zeit; hell, geräumig und architektonisch absolut seinem Inhalt adäquat.

Anselm Kiefer, Claudia Qunita, 2005, Detail

Anselm Kiefer, Claudia Qunita, 2005, Detail

Tom Wesselmann, Rosemary liegend bei Liz, 1989-91

Tom Wesselmann, Rosemary liegend bei Liz, 1989-91

Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder hat mit der Erweiterung an die Peripherie der Großstadt ein letztes Opus magnum verwirklicht. Er darf ins Schwärmen geraten: „Die Albertina Klosterneuburg ist eine Vision, die Wirklichkeit geworden ist.“ Neben Kulturzentren wie dem Chorherrenstift und dem Museum Gugging ist das aus kurzem Schlaf erweckte ehemalige Essl-Museum mit dem neuen Namen ein Anziehungspunkt, der, so die Hoffnung Schröders, als Ausflugsziel den Menschen das Verständnis für Kunst spannend und vor allem niederschwellig näher bringt. Dazu wurden fürs Erste im wahrhaft großzügigen Raumangebot drei Ausstellungen untergebracht.

Ausstellungsnidcht mjit Werken von Arnulf Rainer

Ausstellungsnidcht mjit Werken von Arnulf Rainer

Pop Art empfängt die Besucher mit Arbeiten von Andy Warhol unter dem Motto „The Bright Side of Life“ ganz ohne Querverweis auf „Das Leben des Brian“, aber mit einem schrägen Humor, der durchaus an die Monty Pythons erinnert. Die Wände sind voll mit Wiederholungen von Rennautos, Daimler Motorkutschen, Mao-Visagen und Campell´s Soup Cans.

Diesen folgen alte Bekannte wie der Schutzengel von Peter Pongratz, etliche der fein flächigen Gemälde von Alex Katz oder O.T. von Kiki Kogelnick, aber auch eine Reihe noch nie gezeigter Werke, die es allerdings zu entdecken gilt. Auf der anderen Seite des Hauses geht es „Von Hundertwasser zu Kiefer“ als Symbol der Freiheit zu den Schatten der Vergangenheit, die sich vor allem in der Abstraktion der Malerei ausgedrückt hat, um im Aktionismus, einem frommen Kreuzgang Arnulf Rainers und dem kämpferischen Feminismus einer Maria Lassnig ihren ungestümen Höhepunkt zu erklimmen. Den Abschluss bildet im zweiten Stock „Die lädierte Welt“ als eine düster besinnliche Schau, in der Tod und Vergänglichkeit die eigentliche Inspiration waren, beispielsweise in einem Memento mori kopulierender Gerippe („The Selfish Gene“ von Marc Quinn) oder riesigen Gemälden von Gilbert & George (z. B. „Blood an Tears“). Einer Depression wird insofern vorgebeugt, als auch in dieser sich todernst gebenden Kunst immer ein Augenzwinkern zu bemerken ist, was ein Blick in das Rondeau bestätigt, wo unter der Aufsicht des Schwarzen Käfers von Gudrun Kampl „Die Päpste“ von Virgilius Moldovan in Unterhosen „heilende Akrobatik“ trainieren.

o.: Gudrun Kampl, Schwarzer Käfer, 2010-11, u.: Virgilius Moldovan, Die Päpste, heilende Akrobatik,

o.: Gudrun Kampl, Schwarzer Käfer, 2010-11, u.: Virgilius Moldovan, Die Päpste, heilende Akrobatik, 2008

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