Kultur und Weindas beschauliche MagazinChagall, Ausstellungsansicht in der Propter Homines Halle CHAGALL Der Fiedler auf dem Dach von Witebsk
„Unsere ganze innere Welt ist Realität – und das vielleicht mehr noch als unsere sichtbare Welt“, ist das Bekenntnis des Malers Marc Chagall. Hineingeboren wurde er 1887 in eine jüdisch-chassidische Familie in Weißrussland. Man sprach jiddisch und hielt sich streng an die geltenden Vorschriften. Dazu gehörte auch das Gebot, du sollt dir keine Bilder machen, nicht von Jahwe, aber auch nicht von seiner Schöpfung. Der heranwachsende junge Mann hatte aber das gottgegebene Talent zu zeichnen und zu malen. War es ein findiger Rabbi, der den Ausweg erdachte, oder einfach sein eigener Wille, der ihn mit raffinierten Auslegungen das Verbot umgehen ließ. Chagall malte nicht die offensichtliche Realität, sondern das Dahinter; Seelenlandschaften und Emotionen, die er in einer überwältigenden Farbenintensität darstellte.
Verortet sind viele seiner Gemälde in der kleinen Stadt Witebsk, dem ersten Heimatort eines später unstet durch die Welt getriebenen Künstlers. Die Ähnlichkeiten mit Anatevka sind kein Zufall. Dort wie in „meiner traurigen, meiner fröhlichen Stadt“ sitzt der Geiger auf dem Dach und spielt seine nur mit dem Gemüt hörbare Melodie zum Tanz fliegender Liebepaare, grüner Kühe und übermütiger Clowns. 1910 zieht es Chagall nach Paris, von wo er 1914 zurückkehrt. Aufgrund des Ersten Weltkrieges wird er daheim festgehalten, durchlebt die Oktoberrevolution und gerät in einen Disput mit den neuesten Strömungen russischer Kunst wie dem Suprematismus eines Kasimir Malewitsch, der Chagall als veraltet ablehnt. Ab 1922 wird er, wieder in Paris, zu einem der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit. Mit dem Zweiten Weltkrieg und den Nazis erfolgt der nächste Rückschlag. Seine Kunst gilt als entartet. Er ist zu weiterer Flucht gezwungen. Die USA bleiben ihm fremd. 1948 kehrt er nach Frankreich zurück und wird mit Matisse und Picasso zum großen Dreigestirn der Moderne. Im stolzen Alter von 98 Jahren stirbt Marc Chagall in Saint-Paul de Vence an der Côte d’Azur, seinem endgültig letzten Witebsk.
Die Albertina huldigt in der Ausstellung „CHAGALL“ (bis 9. Februar 2025) rund um dessen 40. Todestag diesen herausragenden Künstler; als letztes großes Anliegen des scheidenden Generaldirektors Klaus Albrecht Schröder. 100 Werke, zusammengetragen aus nahezu allen Teilen der Welt, ausgenommen dem Krieg führenden Russland, geben einen Überblick von den frühen, zwischen 1908-1910 noch im Zarenreich geschaffenen Bildern, über die poetischen Kompositionen der Pariser Jahre bis zu den Großformaten, wie sie Chagall in Südfrankreich gemalt hat.
Statistik |