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Ausstellungsansicht, Ins Dunkle schwimmen © Kunstsammlung und Archiv der Angewandten, Foto: Manuel C

Ausstellungsansicht, Ins Dunkle schwimmen © Kunstsammlung und Archiv der Angewandten, Foto: Manuel Carreon

INS DUNKLE SCHWIMMEN und in Kunstproduktion nicht ertrinken

Franz West, Liège, 1989 © Archiv Franz West, Estate Franz West, Foto: Günter König/Sigmund Freud

Franz West, Liège, 1989 © Archiv Franz West, Estate Franz West, Foto: Günter König/Sigmund Freud Privatstiftung

„Abgründe des kreativen Imperativs“ werden mit Beispielen zeitgenössischer Kunst offen gelegt.

Spannender kann der Gegensatz nicht sein, den die historischen Räumlichkeiten des Heiligenkreuzerhofes aus dem 17. Jahrhundert den Artefakten der jüngeren Vergangenheit bieten. Dem Denkmalschutz ist auch der Art und Weise der Präsentation geschuldet, die man anstelle von Wandtexten mit einem nummerierten Plan schrittweise für sich eröffnet. Der ehrwürdige Ort mit der Aura eines Klosters ist das „Schaufenster“ der Universität für angewandte Kunst Wien, kurz „die Angewandte“. Die Leiterin von Sammlung und Archiv, Cosima Rainer, und der Künstler Robert Müller weisen mit dem Titel „Ins Dunkle schwimmen“ auf die tiefen Gewässer und finsteren Abgründe von Selbstzweifeln und Gefühlen der Unzulänglichkeit hin, die oft mit kreativen Prozessen verbunden sind. Ab wann ist es ein Kunstwerk, ab wann bin ich Künstlerin (um das die Sprache zerstörende Gendern zu vermeiden, wird das generische Femininum verwendet)? Genügen zig-tausende Followerinnen auf den Social Media, um sich erfolgreich nennen zu dürfen? Muss man vom Kunstschaffen leben können? Oder für seine Kreativität „(ver)brennen“, um von einem erfüllten Leben sprechen zu dürfen?

Hanne Darboven, Theatré, 1985 © Edition Staeck/Bildrecht, Wien 2024
Ausstellungsansicht, Ins Dunkle schwimmen © Kunstsammlung und Archiv der Angewandten,

o.: Ausstellungsansicht, Ins Dunkle schwimmen © Kunstsammlung und Archiv der Angewandten, Foto: Manuel Carreon

l.: Hanne Darboven, Theatré, 1985 © Edition Staeck/Bildrecht, Wien 2024

Alle diese Fragen sollen Begleiter sein, sobald man von Tonio Krömers kuscheligen Fozzi Bär aus der Muppet Show freundlich begrüßt wird. Zu lesen ist auf dem Beipacktext „I remember when I was a very little girl our house caught on fire“. Unter anderen Namen und dem vulgären „Scheiße“ taucht diese zwischen Ironie und Melancholie angesiedelte Figur immer wieder auf, um an die Grundproblematik der Ausstellung zu erinnern. Jedes der Werke, die zum Teil aus der eigenen Sammlung oder von Leihgebern stammen, loten in ihrer Weise aus, was Menschen zur Kreativität bewegt und wie diese auf sie zurückwirkt. Einige der Protagonisten sind arrivierte Künstlerinnen wie Sigmar Polke oder Franz West, die für sich Klarheit gefunden haben dürften.

Zwei eiserne Liegen, eine davon hat West als „Caravaggio“ bezeichnet, die andere mit dem Wortspiel „Liège“, scheinen Bequemlichkeit des Schaffensprozesses zu suggerieren. Wollte man sich darauf ausstrecken, würde man jedoch sehr schnell bemerken, dass diese Stilisierung der Freudschen Couch alles andere als Entspannung bietet. Prekäre Arbeitswelten, in denen sich nicht selten auch Künstlerinnen bewegen, werden von Richard Hoeck & John Miller mit einer Rodel voller Pakete und einem wohl schlecht bezahlten Zusteller in Lebensgröße umgesetzt, begleitet von dem 1999 entstandenen Film „Something for Everyone“. Zusammen ergibt es ein Ensemble mit dem Erinnerungsfaktor, dass Amazon öfter als irgendwelche Freunde an unserer Tür läutet. Im Ganzen sind es rund 60 Arbeiten von 19 Künstlerinnen und 16 Künstlern, die diesen Skrupeln bezüglich der Kreativität unterworfen waren oder noch sind, und die ihre Überlegungen in Kunst umgesetzt haben. Dazu kommt das innere Anliegen der Kunstsammlung und des Archivs. Es ist das materielle Gedächtnis der Angewandten, aus dem neben aktuellen Themen der geistige Standort der Universität und eine Weiterführung des damit eingeleiteten Diskurses bestimmt werden.

Min Yoon, Standing Composition Book
Min Yoon, Standing Composition Book

Min Yoon, Standing Composition Book, #MY 1056, 2023, Inv. Nr. 19.497/B, Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien © Bildrecht, Wien 2024

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