Kultur und Weindas beschauliche MagazinSchloss Arttetten, vom Park aus gesehen SCHLOSS ARTSTETTEN Geschichte durch das Schlüsselloch
Er räsonierte offen über das seinem Stand entsprechende Heiratsangebot. Die ihm offerierten Bräute waren, wie er sagte, zu schiach und zu nahe verwandt, als dass er sie in die engere Wahl ziehen hätte können. Als der Kaiser schließlich die morganatische Ehe erlaubte, musste Franz Ferdinand akzeptieren, dass seine Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen waren. Als Trostpflaster wurde Sophie zur Fürstin von Hohenberg erhoben, ein Name, der als bedeutungsvolles Symbol am Anfang und am Ende der habsburgischen Herrschaft stehen sollte. Gertrud von Hohenberg (+ 1281) war die Gemahlin des römisch-deutschen Königs Rudolf I. von Habsburg.
Diese und mehr Interna der mit österreichischer Geschichte innigst verbunden Familie – durch Heirat mit einem französischen Grafen nunmehr D´Harambure-Fraye – sind in der neu gestalteten Dauerausstellung auf deren Schloss Artstetten zu entdecken. Rund um die Katastrophe von Sarajewo, bei der am 28. Juni 1914 ein serbischer Nationalist den Thronfolger und dessen Gattin erschossen hat, wird das Leben und Wirken von Franz Ferdinand erzählt. Mit einem Audioguide erfährt man die historischen Fakten und wird – das ist das überraschend Neue an dieser Schau – an bestimmten Punkten mit wahrhaft intimen Details vertraut gemacht. Man braucht sich nur genau umzuschauen, um die Schlüssellöcher zu entdecken, hinter denen Fotos oder Gegenstände Fragen stellen, die auf einer Infotafel daneben beantwortet werden. Brunnen mit dem großen Spuckmann So geht es an einer Stelle um „Die Münzwette mit dem Maharadscha von Haiderabad“. Franz Ferdinand war ein leidenschaftlicher Nimrod mit unfassbaren Abschusszahlen an Wild und auch ein guter Schütze. Auf seiner Weltreise wurde der Thronfolger vom Maharadscha zu einem Wettschießen gefordert. Die Entscheidung sollten in die Luft geworfene Münzen bringen. Der Gastgeber traf von den acht Zielen nur eines, Franz Ferdinand aber zwei. Rührend ist die Geschichte hinter der kleinen Auswahl aus einer angeblich gewaltigen Sammlung von Lämmern aus Keramik oder Porzellan, die in einem der Schlüssellöcher friedlich ruhen. Es sind Geschenke an seine Gattin, wenn mit dem Heißsporn wieder einmal das Temperament durchgegangen war. Franz Ferdinand liebte seine Frau und nach jedem dieser Ausbrüche bekam sie ein solches als Zeichen seiner Reue.
Zu erfahren ist aber auch die Tragik, mit der die Familie über Jahre geschlagen war. Die Söhne Maximilian und Ernst, die als Waisen dastanden, wurden 1919 aus dem tschechischen Anwesen Konopischt vertrieben. 1938 verloren sie wiederum alles. Max wurde ins KZ eingewiesen, überlebte zwar, musste aber nach 1945 mit der Regierung prozessieren, um nach fünf Jahren endlich seinen Besitz zugesprochen zu bekommen. Eine in der Ausstellung gezeigte Papierschere und ein Teddybär sind die Andenken an die kurze glückliche Kindheit. Nach dem Rundgang sollte man nicht vergessen, die Gruft unter der Kirche aufzusuchen, wo Franz Ferdinand und Sophie bestattet sind. Danach gibt es Erholung für Geist und Seele im Park. Eine Übersichtskarte, die dem Besucher zur Verfügung gestellt wird, verschafft Orientierung auf den sechs Hektar Natur rund ums Schloss. An den verschlungenen Wegen trifft man 150 bis 200 Jahre alte Bäume, teils sauber gemähten Rasen, aber auch gepflegte Wildnis, in der sich Attraktionen wie der Badepavillon oder die roten Zeltgestelle verstecken. Hat man den Brunnen mit dem großen Spuckmann einmal passiert, sollte man auch den kleinen Spuckmann suchen, bevor man sich daran macht, Adel zu vernaschen. Wie das geht? Zur Reifezeit warten Obstbäume, deren Früchte allesamt adelige Namen tragen. Tafeln an jedem Baum verraten, welcher Fürst oder Zar für die jeweilige Sorte verantwortlich ist. Der finale Aufstieg führt über eine Freitreppe zur Gartenterrasse, wo dieser Rundgang im Café bei Mehlspeise und Melange vollendet werden kann. DER LECHNER EDI SCHAUT INS PARADIES Eine bittere Komödie im Retourgang
Jura Soyfer (1912 – 1939) war ein ausgesprochener Pechvogel. Als Achtjähriger musste er mit seinen Eltern aus Russland fliehen, weil man dort Juden nicht sonderlich mochte. Im vorerst sicheren Wien konnte er das Gymnasium absolvieren und ein Studium beginnen. Die Karriere als Journalist und Literat wurde in den 1930er-Jahren jedoch durch seine politische Ausrichtung vom Ständestaat gebremst. Als illegaler Kommunist, der seine sozialistisch-humanistisch geprägte Meinung in Theaterstücken, Kabaretts und Gedichten veröffentlichte, wurde er 1937 zu einer Haftstrafe verurteilt. Kaum war er im Februar 1938 aufgrund einer Amnestie entlassen und gerade einmal 25 Tage in Freiheit, wurde er an der Schweizer Grenze von den Nazis aufgegriffen und ins KZ Dachau deportiert. Seine Eltern, die es bis in die USA geschafft hatten, setzten durch, dass 1939 die Entlassungspapiere unterzeichnet wurden. Sie konnten aber nur mehr seine sterblichen Überreste nach New York überstellen lassen. Ihr Sohn war am 15. Februar im KZ Buchenwald an Typhus gestorben.
Man muss diese grotesk-tragische Vita auch in seinem 1937 entstandenen Bühnenstück „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ mitdenken, um den unerschütterlichen Galgenhumor von Jura Soyfer zu erahnen. Nicht einmal die Gräuel des Konzentrationslagers hielten ihn von der Satire ab. Er dichtete angesichts des unvorstellbar grausamen Wahnsinns der Nazis das „Dachau-Lied“, das mit der täglich an die ausgemergelten Insassen ausgegebenen Parole endete: „Denn Arbeit, Arbeit macht frei!“ Dem Lechner Edi fehlt genau diese Arbeit. Die Schuld vermeint er in der Maschine zu sehen, mit der er einmal zusammengearbeitet und die ihn nun ersetzt hat. PEPI, so nennt sich das Gerät, bricht aber selbst aus dem verhängnisvollen System aus, wird Edis Partner und tritt mit ihm und dessen Freundin Fritzi die Reise in die Vergangenheit an, um das Elend an der Wurzel zu packen. David Czifer, Max Mayerehofer, Mara Koppitsch © Nikolaus Similache Mit dem blinden Bettler, Herrn Andraschek, auf einer Brücke über den Donaukanal wird der Zuschauer unmittelbar in die Misere der Systemzeit geführt. Von dort geht es im Retourgang in der Zeit zurück, zuerst zum Selbstmord von Freund Toni, durch den Ersten Weltkrieg, dann zu Galvani, dem Entdecker der Elektrizität, vorbei an Gutenberg und Galilei bis an das Tor des Paradieses, an dem ein strenger Portier Wache und die Ankommenden draußen hält. Nichts von all dem, das die Menschheit belastet, kann ungeschehen gemacht werden. Toni bringt sich um, die Erde dreht sich, unsinnige Manifeste werden gedruckt und der elektrische Strom wird genützt.
Ein stimmungsvolles Gewölbe im Schloss Artstetten wird zum Schauplatz dieser kostbaren literarischen Rarität. Unter der ökonomischen Regie von Peter Pausz schafft es ein kleines Ensemble, es sind die drei ungemein wandlungsfähigen Schauspieler Max Mayerhofer, David Czifer und Mara Koppitsch, die als Micky Mäuse mit drei Sesseln, den Musikinstrumenten Triangel, Kazoo, Mandoline und Mundharmonika sowie Gummihandschuhen für Galvanis zitternde Froschenkeln die Weltgeschichte zu durcheilen; von der Verzweiflung in einer bitteren Gegenwart bis hinab zur Vertreibung aus dem Garten Eden. Jura Soyfer wollte dieses Stück als Komödie verstanden wissen. Uraufgeführt wurde es 1937 im Kabarett „Literatur am Naschmarkt“. Das Lachen bleibt einem jedoch im Halse stecken und man verfolgt mit leisem Bangen das Scheitern des Versuchs, Vergangenheit in eine bessere Zukunft zu verwandeln. Statistik |