Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Thomas Weinhappel, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

Thomas Weinhappel, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

TOSCA Ein Adieu mit großer italienischer Oper

Natalia Ushakova, Eric Reddet © Christian Husar/Bühne Baden

Natalia Ushakova, Eric Reddet © Christian Husar/Bühne Baden

Begeisterung für eine tiefe Verbeugung vor Giacomo Puccinis Meisterwerk

Es sind politisch höchst unsichere Zeiten. Der Versuch einer Republik war gewaltsam beendet worden und deren Protagonisten werden grausam verfolgt. In der Stadt herrscht Polizeiterror als Folge des Einmarsches der neapolitanischen Armee unter König Ferdinand IV. Er ist mit einer Tochter Maria Theresias verheiratet und steht noch im Eindruck der Hinrichtung von deren Schwester Marie-Antoinette im Zuge der französischen Revolution. Das Schicksal der Stadt Rom hängt nun vom Ausgang einer Schlacht zwischen Österreich und Napoleon ab (Marengo, 14. Juni 1800). Das Kriegsglück pendelt eine Weile zwischen den Heeren. Genau in diesem Hin und Her, beherrscht von Hoffen und Bangen auf Seiten der Republikaner, spielt das Drama La Tosca von Victorien Sardou, das Giuseppe Giacosa und Luigi Illica für den Komponisten Giacomo Puccini zu einem zutiefst italienischen Libretto geformt haben. Die Handlung selbst ist frei erfunden, bewegt aber bis heute die Menschen, da es um den zeitlosen Einsatz für Freiheit geht, verbunden mit Melodien, die das Herz ergreifen.

Beppo Binder, Gumpoldskirchner Spatzen © Christian Husar/Bühne Baden

Beppo Binder, Gumpoldskirchner Spatzen © Christian Husar/B. Baden

Eric Reddet © Christian Husar/Bühne Baden

Eric Reddet © Christian Husar/Bühne Baden

Es ist ein mutiges Unterfangen, eine Oper wie Tosca in einem für diese Verhältnisse doch kleinen Haus auf den Spielplan zu setzen. Michael Lakner, scheidender Intendant der Bühne Baden, hat selbst die Regie übernommen und seinem treuen Publikum ein Abschiedsgeschenk überreicht. Nach den ihm gebotenen Möglichkeiten hat er das absolute Optimum herausgeholt. Das betrifft zuerst einmal die Inszenierung. Lakner hat sich treu an das Original gehalten, sogar in der Sprache, wohl wissend, dass Italienisch zwar kaum verstanden wird, aber doch ein wesentlicher Teil der Musik ist. Eine kurze Inhaltsangabe aus dem Off vor jedem Akt genügt vollkommen, um die Handlung verfolgen zu können. Manfred Waba brauchte in der Ausstattung nicht zu sparen und hat ein bewundernswert authentisches Bühnenbild geschaffen, angefangen von der Kirche Sant´Andrea della Valle über den Palazzo Farnese bis zum Schwert schwingenden Erzengel Michael über der nach ihm benannten Engelsburg. Ebenso an die Zeit gehalten hat sich Alexia Redl, die vom Bischofsornat bis zu den Uniformen der Schweizer Garde bis ins Detail stimmige Kostüme entworfen hat.

Thomas Weinhappel, Beppo Binder © Christian Husar/Bühne Baden

Thomas Weinhappel, Beppo Binder © Christian Husar/Bühne Baden

Russi Nikoff © Christian Husar/Bühne Baden

Russi Nikoff als Caesare Angelotti © Christian Husar/Bühne Baden

Eine noch größere Herauforderung sind wohl die Solistinnen und Solisten. Opernfreunde haben bei Cavaradossi oder Tosca die größten Stimmen im Ohr. In Baden wurde für die ewig eifersüchtige und doch innig liebende Sängerin die Sopranistin Natalia Ushakova verpflichtet. Mit gewaltigem spielerischen Einsatz, (trotz angesagter Probleme) sicherer Stimme und einem zu Herzen gehenden „Vissi d´arte“ (Ich habe für die Kunst gelebt) hat sie sich den Jubel verdient, der ihren Auftritt belohnt hat. Mario Cavaradossi muss sich im ersten Akt mit dem Mesner herumschlagen.

Beppo Binder ist Komiker und lässt diese Stärke auch seinem hinkenden Kirchendiener im Kreise der Gumpoldskirchner Spatzen als Ministranten angedeihen. Er mag den Maler nicht, obgleich er ihm – höchst widerwillig – Palette und Farben reichen muss. Cavaradossi wird in der Folge gefoltert und erschossen. Doch ein paar Momente vor dem Tod seines Helden darf Eric Reddet noch „E lucevan le stelle“ (Und es blitzten die Sterne) beeindruckend in den dramatischen Nachthimmel über Rom schmettern. Schuld am allgemein letalen Ausgang ist der gewissenlose Polizeichef. Er geht über Leichen, nur um die schöne Tosca ins Bett zu bekommen. Thomas Weinhappel hat nicht nur die entsprechend imponierende Erscheinung, mit der Scarpia Angst und Schrecken verbreitet, er hat auch den kraftvollen Bariton, um sich sowohl gegen aufmüpfiges Volk (Chor der Bühne Baden) als auch gegen ein druckvolles Orchester unter der Leitung von Michael Zehetner durchzusetzen und sich damit einmal mehr für Engagements an großen Opernbühnen zu empfehlen.

Natalia Ushakova © Christian Husar/Bühne Baden

Natalia Ushakova © Christian Husar/Bühne Baden

South Pacific, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

South Pacific, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

SOUTH PACIFIC Südseeträume mit Krieg und Cultur Clash

Missy May, Gezim Berisha © Christian Husar/Bühne Baden

Missy May, Gezim Berisha © Christian Husar/Bühne Baden

Ansprechend leichte Musik und rührende Liebesgeschichten über einem bitter ernsten Hintergrund

Die USA waren im Zweiten Weltkrieg nicht nur in Europa gegen Nazi-Deutschland im Einsatz. Auf der anderen Seite der Welt betrieben die Japaner ein ähnliches Großmachtstreben. Mit dem unangekündigten Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 hatten auch sie die Amis zu Feinden gemacht. Das unfassbar grausame Ende dieser Front ist bekannt: Abwurf von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki mit Hunderttausend Toten und einem weltweiten Entsetzen über die alles vernichtende Wirkung dieser Waffe. Bis dahin herrschte im pazifischen Raum, genauer gesagt, auch in der Südsee blutiges Kriegsgeschehen. Was immer Oscar Hammerstein II und Joshua Logan dazu veranlasst hat, eine dieser Inseln zum Schauplatz eines letztlich unterhaltsamen Musicals zu machen, entzieht sich heutiger Beurteilung. Doch nachdem Richard Rodgers grandiose Musik dazu geschaffen hat, war dem zwischen Lovestories, ethnischen Betrachtungen und Militäreinsatz pendelndem Werk anhaltender Erfolg gesichert.

Akiko Nakajima, Dominik Hees, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

Akiko Nakajima, Dominik Hees, Ensemble © Christian Husar

Missy May, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

Missy May, Ensemble © Christian Husar/Bühne Baden

Für die Bühne Baden hat es Regisseur Leonard Prinsloo gewagt, Heiteres und Todernstes in einer Welt unter Palmen zu einem ansprechenden Abend zu verbinden – ohne in diverse Fallen wie kulturelle Aneignung oder „Blackfacing“ zu tappen. GIs und Krankenschwestern stellen das Gros des Personals als Chor und Ballett. Dazu kommen Insulaner, teils eingewandert wie der Franzose Emile de Becque (Gezim Berisha), der sich in seinem neuen Leben dort eine Plantage aufgebaut hat, und Natives, die ohne große Berührungsängste bei den anwesenden Soldaten ihre Vorteile suchen. So betreibt Akiko Nakajima als Bloody Mary einen schwunghaften Handel mit Baströckchen, Schrumpfköpfen und Eberzähnen. Sie hat auch einen Heiratskandidaten für ihre Tochter im Auge. Lieutenant Joe Cable (Dominik Hees) ist eben angekommen, als sie ihm List (alternierend: Ran Takahashi, Kaori Morito) wie eine Ware anpreist und er sich auf der Stelle in das Mädchen verliebt.

Schwer verknallt ist auch Emile. Sein Herz wurde von der Krankenschwester Ensign Nellie Forbush erobert. Missy May stöckelt mit selbstloser Naivität durch das Geschehen und wird dem Spitznamen ihrer Figur, einem wenig schmeichelhaften Spatzenhirn, voll gerecht. Es stünde einer Heirat nichts im Wege, wären da nicht zwei Kinder aus erster Ehe (alternierend: Zyara Le, Maya Kern als Ngana, Steven Ashton Ablog, Yino Ding als Jérôme) mit einer jung verstorbenen Einheimischen. Sowohl sie als auch Cable befallen Skrupel, sich mit „Eingeborenen“ näher einzulassen. Der wahre Grund für diese doch rassistische Haltung wird nicht angegeben, eher wird darum herumgesungen und beiderseits gelitten. Für befreiende Lacher ist Jens Janke zuständig. Sein Luther Billis ist einfacher Soldat, den das Reglement seiner Einheit wenig kümmert, wenn es darum geht, mit der Bevölkerung dieser Inseln lukrative Geschäfte zu machen. Er und das gesamte durchwegs großartige Ensemble werden dabei vom Orchester der Bühne Baden unter der Leitung von Christoph Huber schwungvoll begleitet.

Missy May © Chrisitan Husar/Bühne Baden

Missy May © Chrisitan Husar/Bühne Baden

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Ricardo Frenzel Baudisch, Ensemble © Christian Husar

Ricardo Frenzel Baudisch, Ensemble © Christian Husar

VIKORIA UND IHR HUSAR Wenn die dritte Hochzeit abgesagt wird

Cornelia Horak, Ensemble © Christian Husar

Cornelia Horak, Ensemble © Christian Husar

Paul Abrahams ungarische Weltreise auf alten Pfaden neu gedacht

Es ist ja wirklich eine unglückliche Fügung des Schicksals, dass der aus einem sibirischen Gefangenenlager entkommene Husarenrittmeister in der US-Botschaft in Japan feststellen muss, dass seine große Liebe inzwischen den dort amtierenden Gesandten geheiratet hat – für einen schneidigen Ungarn eine untragbare Situation. Er ist überzeugt, dass diese Frau noch immer ihm gehört. Sie hingegen ist anderer Meinung, prallt aber mit ihren durchaus nachvollziehbaren Erklärungen bei ihm ab. Erdacht haben sich diese Kollision von Emotion und Vernunft im Zeichen von Csárdás und Paprika Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda und haben um der Attraktivität willen die Handlung auf der ganzen Welt verteilt, um sie doch in der Puszta enden zu lassen. Vertont hat das Libretto Paul Abraham. Entstanden ist eine ungemein gefällige Musikrevue, die durch ihre jazzigen Elemente bereits zwischen Operette und Musical angesiedelt werden kann.

Cornelia Horak, Clemens Kerschbaumer, Ensemble © Christian Husar

Cornelia Horak, Clemens Kerschbaumer, Ensemble © Christian Husar

Ricardo Frenzel Baudisch, Paul Eilenberger, Cornelia Horak, Verena Barth-Jurca, Artur Ortens

Ricardo Frenzel Baudisch, Paul Eilenberger, Cornelia Horak, Verena Barth-Jurca, Artur Ortens, Ensemble © Christian Husar

Melodien wie „Ja, so ein Mädel, ein ungarisches Mädel“, „Meine Mama war aus Yokohama“, „Nur ein Mädel gibt es auf der Welt“ oder das herzzerreißende „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ werden nach wie vor gern gehört – nicht nur von den Magyaren, sondern auch von einer nicht unbeträchtlichen Schar von Operettenfans weltweit. So hat auch die Bühne Baden darauf zurückgegriffen und „Viktoria und ihr Husar“ zuversichtlich auf den Spielplan gesetzt. Mit Michael Zehetner am Pult des Orchesters ist der Schwung der einst neuen Rhythmen garantiert. Sie führen mitreißend durch die teils opulente, teils ernsthafte (z. B. mit Einspielungen aus dem Ersten Weltkrieg) Inszenierung von Michaela Ronzoni und Volker Wahl. Das Regieduo hatte den Mut, den Bürgermeister von Doreszma (Artur Ortens) zu enttäuschen.

Nach altem Brauch werden mit dem St. Imre-Wein drei Brautpaare ausgewählt. Mit Janczi, dem Pfeifendeckel von Koltay (Thomas Zisterer), und Riquette (Loes Cools), sowie mit Graf Ferry (Ricardo Frenzel Baudisch) und O Lia San (Verena Barth-Jurca) gibt es bereits Kandidaten für zwei Hochzeiten. Offen ist die dritte Paarung. Als möglicher Bräutigam erscheinen der von Viktoria geschiedene John Cunlight (Christoph Wagner-Trenkwitz als äußerst umsichtiger Diplomat mit einem unwiderstehlichen „Pardon, Madame!“) und gleich darauf begleitet von den zündenden Klängen einer Honvéd Banda in schmucker Husarenuniform Clemens Kerschbaumer. Der Tenor hat das ganze Stück hindurch als Stephan Koltay gelitten und mit sicherer Stimme bis zur Aufdringlichkeit um seine Geliebte gekämpft. Doch Gräfin Viktoria (Cornelia Horak sängerisch und spielerisch souverän) hatte Zeit zu sich zu finden, und zieht es – ganz moderne Frau – vor, fürs erste keinen der beiden Anwärter zu ehelichen und selbstbewusst ihre eigenen Wege zu gehen.

Loes Cools, Thomas Zisterer © Christian Husar

Loes Cools, Thomas Zisterer © Christian Husar

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