Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

Ein Tipp abseits der gängigen Städtereisen

Dresden und keine Spur von Ossis

Es muss sich erst herumsprechen: Dresden ist aus vielerlei Gründen eine Reise wert. Eine davon ist die überraschende Begegnung mit dem Wein als Teil der ungeniert barocken Inszenierung, mit der die jüngere Vergangenheit möglichst unsichtbar gemacht werden soll. Ein Reisebericht von Kultur & Wein, als Referenz an eine Stadt, der im 20. Jahrhundert wahrhaftig nichts erspart geblieben ist.

Wenn von Geschichte und Tradition die Rede ist, pflegt man in Dresden weit zurück zu schauen. Die Jahrzehnte, in denen die Hauptstadt von Sachsen hinter dem Eisernen Vorhang gelegen war, werden gerne übersprungen – wenngleich die Folgen jahrzehntelanger sozialistischer Gleichmacherei in endlosen Plattenbauten bis weit hinaus in die Vorstädte nicht zu übersehen sind. Diese wiederum sind jedoch die durchaus vernünftige Reaktion auf die beispiellose Zerstörung, der die Stadt in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ausgesetzt war. Kaum ein Haus war von den alliierten Bombern verschont geblieben.

 

Der heutige Besucher merkt aber wenig von Verbitterung, die allein angesichts von abertausenden Toten angebracht und verständlich wäre. In den Stadtführern gibt es dazu nur kurze Notizen, auf große Gedenkstätten hat man verzichtet. „Barock und Platte“ lautet die Devise. Breiter Raum wird dem noch lange währenden Wiederaufbau gewidmet, der vor allem die historische Innenstadt an das 1945 vernichtete Erbe heranführen soll.

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g.o.: Frauenkirche

r.o.: Canaletto-Blick

l.o.: Zwinger, Kronentor

l.u.: Schloss Pillnitz

r.u. Leiste: August der Starke

Dresden ist im Besitz vieler solcher exzeptioneller Schätze, und man versteht es dort, diese entsprechend zu präsentieren. Zum Beweis und nicht zuletzt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wird mit der Dresden-Card das Neue Grüne Gewölbe besucht (das ebenfalls wieder hergestellte Historische Grüne Gewölbe ist nicht in der Pauschale inbegriffen. Man muss sich dafür am Vortag eines geplanten Besuches oder zeitig am Morgen anmelden).


Die Augen gehen einen über bei der Pracht, die sich dort angesammelt hat, nicht zuletzt durch das Wirken des bis heute allgegenwärtigen Kurfürsten August des Starken. Ob es der Grüne Dresdner, ein riesiger Diamant ist, oder der aus Gold und Edelsteinen aufgebaute Hofstaat des Großmoguls Aureng-Zeb, oder Schnitzereien aus Elfenbein und Bronzefiguren, insgesamt sind es über tausend Kostbarkeiten aus Renaissance, Barock und Klassizismus, bei denen man Stunden der Bewunderung verbringen könnte, wenn nicht andere Sehenswürdigkeiten lockten.

o.: Raddampfer auf der Elbe

u.u.r.: Sächsische Schweiz

Über das Blaue Wunder, eine eiserne Brücke, die ursprünglich grün gestrichen war und sich aus unerklärlichen Gründen blau gefärbt hat, geht´s hinaus nach Pillnitz. An den steilen Hängen entlang des Nordufers gedeihen Weinstöcke, und direkt am Ufer umschließt ein prächtiger Park ein phantastisches barockes Kleinod. Schloss Pillnitz wurde – vom wem wohl?! – von August dem Starken um- und ausgebaut. Gedacht war es für seine Mätresse Gräfin von Cosel, die allerdings in Ungnade fiel und von ihrem Liebhaber auch aus diesem Schloss verbannt wurde.

 

Trotz solcher Affären sind die Dresdner stolz auf ihren starken August. Zu Recht! Und haben ihm jenseits der Elbe in der Neustadt ein goldenes Denkmal gesetzt. Getrunken wird auf sein Wohl fast ausschließlich ein Radeberger, das Lieblingsbier ihres Kurfürsten.

o.: Ein Liebespaar, am Sektkarton wieder vereint

u.: Belvedere auf Schloss Wackerbarth aus der Schneckenperspektive

r.u.: Glockenspiel im Zwinger

g.u.: Elbflorenz

Das allein wäre sinnlich genug und eine Fahrt mit einem historischen Raddampfer die Elbe abwärts wert. Aber die maßgeblichen Damen, in deren Händen die Führung des Sächsischen Staatsweingutes liegt, wollen noch eins draufsetzen. Das barocke Lebensgefühl, das sich bei einem Glas Sekt oder einem Schluck Goldriesling, einer speziellen sächsischen Sorte, im Schlosspark einstellt, wird mit einem Besuch in der Kellerei ergänzt.

Mit der Frauenkirche hat man diesbezüglich einen international viel beachteten Schritt gesetzt. Als Wahrzeichen von Dresden und mit ihrer hochgezogenen Kuppel ein unübersehbarer Teil der Skyline wurde sie aus wenigen Ruinenresten vor einigen Jahren in ihrer alten Pracht wieder hergestellt. In den Mauern wurden teils originale Steine verwendet, die sich wie Andenken an bittere Zeiten als schwarze Vierecke vom hellen neuen Sandstein abheben. Vor den Kirchentüren reihen sich Schlangen von Besichtigungswilligen und regelmäßig wird der Innenraum von feiner Konzertmusik erfüllt. Tickets können dafür günstig und recht einfach erworben werden, und man erlebt mit Bach und Mozart die Kirche weit intensiver als bei einer bloßen Führung.

Apropos Eintrittskarten: Mit der preisgünstigen Dresden-City-Card hat man genügend Zeit, um ohne weitere Aufzahlung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Reihe von Highlights der Stadt zu gelangen.


Von außen nach innen beginnt man am besten im Buchmuseum der Sächsischen Landesbibliothek. Man folge nur dem Strom der Studenten zur Universitätsbibliothek und lasse sich am Infopoint telefonisch bei der Kustodin des Museums anmelden. Besucher sind offenbar eine Seltenheit. Man wird freundlich in eine kleine Sonderausstellung gebeten und dort ohne große Formalitäten in die Schatzkammer geführt, mit dem Hinweis, nach Verlassen derselben einfach die schwere Panzertür wieder zu schließen.

 

Man ist allein mit Autografen von Johann Sebastian Bach, Carl Maria von Weber, Richard Wagner, mit Gutenberg-Drucken und einem Skizzenbuch von Albrecht Dürer. In deren Mitte, wie das Allerheiligste, reihen sich in einer verspiegelten Vitrine Täfelchen mit geheimnisvollen Zeichen und seltsamen menschlichen Darstellungen. Sie ist es! Die Maya-Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, eines der wenigen erhaltenen schriftlichen Zeugnisse dieses mittelamerikanischen Volkes, das offenbar schon beim Eindringen der Spanier seine eigene Kultur vergessen hatte.

Jawohl, dieser August der Starke (1670-1733), der hat Dresden zur Kunstmetropole gemacht! Die von ihm begründete Substanz hat ausgereicht, um nach allen Zerstörungen in den folgenden Jahrhunderten die alte Pracht immer wieder zu beleben und auferstehen zu lassen. Man denke nur an den Zwinger, der mit Porzellansammlung, Rüstkammer, Skulpturensammlung und der Gemäldegalerie Alte Meister den Besucher einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Der Kurfürst hatte ursprünglich an eine Orangerie gedacht, geworden ist daraus ein weitläufiges barockes Schloss mit Garten. Damals konnte ein Fürst eben noch großzügig bauen lassen.


Die Wehranlagen der Stadt wurden unter der Brühlschen Terrasse versteckt, einer Promenade entlang der Elbe, auf der immer wieder Blickpunkte des populärsten Dresdner Malers markiert sind. Man schaut durch einen Metallrahmen und sieht vor sich die Stadt, wie sie schon Canaletto, mit vollem Namen Bernardo Belotto, zu seinen stimmungsvollen Veduten inspiriert und Dresden den Beinamen Elbflorenz verschafft hat. Er war Hofmaler am Hofe von August dem Starken und hat mit seinen Werken bestimmt den Ehrgeiz seines prachtliebenden Herrn noch angestachelt.

Selbstverständlich spielte August der Starke auch beim Wein eine starke Rolle. Nein, den Weinbau hat er nicht erfunden, es gab auch schon vor ihm in der Gegend Weinstöcke. Vielmehr schenkte er sein Vertrauen einem gewissen Grafen von Wackerbarth. Dieser ließ – ganz im Stile seines Herrn – in Radebeul, heute beinahe ein Vorort von Dresden, von einem Hofarchitekten das Lößnitzer Weingut mit barockem Herrenhaus, eleganter Gartenanlage und einem Lusthäuschen, dem Belvedere, errichten.


1836 wurde dort eine Sektkellerei gegründet, die zweitälteste in Deutschland. Verwendet werden nur sächsische Trauben. Selbstredend, dass der Sekt nach August dem Starken benannt ist, neben einer Rosé-Edition mit dem Namen Gräfin Cosel. Trotz einstiger Trennung sind die Porträts der beiden Herrschaften in der Vinothek von Schloss Wackerbarth wieder im Stapel der Sektkartons vereint.

Eingeladen ist man ins Reich der Sinne. Gemeint sind damit Führungen mit kommentierten Verkostungen nebst entspannter Vermittlung von Weinwissen. Nach Genuss einiger schöner trockener Weine ist es angeraten, sich mit einer Wanderung in den steilen Lagen am Nordufer der Elbe oder ein Stück weiter in den bizarren Sandsteinfelsen der Sächsischen Schweiz den Kopf zu lüften und einen Überblick über Sachsen rund um seine Hauptstadt Dresden zu gewinnen.

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