Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Zeitgeschichte szenisch: FÜR EIN GUTES HEUTE UND EIN BESSERES MORGEN

Michael Bukowsky als Jakob Wassermann © Barbara Korherr

Opfer des Faschismus für ein Bühnenleben wiedererweckt – wärmstens empfohlen zum Nachlesen!

Die meisten der Hauptfiguren sind Juden. Daneben gibt es aber auch den verarmten Baron Trapp und die Pädagogin Maria Montessori, deren Dasein unter Antisemitismus und Faschismus heute unbegreiflichen Gräueln ausgesetzt war. Helmut Korherr hat einer ganzen Reihe dieser – nicht nur heute bedeutenden – Gestalten mit Theaterstücken jeweils ein berührendes Denkmal gesetzt. Die meisten dieser Dramen waren neben dem Theater in der Walfischgasse oder im Festsaal Bad Aussee bereits im KIP (Kunst im Prückel) zu erleben, in einem Souterraintheater, das 1931 von der jüdischen Schauspielerin Stella Kadmon als Kabarettbühne „Der lieber Augustin“ gegründet worden war. Bis zum Anschluss Österreichs 1938 wurde dort couragiert und bissig witzig gegen den aufkommenden Nationalsozialismus und hausgemachte Missstände wie Ständestaat und Austrofaschismus angespielt. Es dürfte keinen besseren Ort geben als diese Bühne in den Tiefen eines Kaffeehauses, um die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts szenisch in die Gegenwart zu holen.

Für ein gutes Heute und ein besseres Morgen Cover

Wenn jedoch eine Produktion abgespielt ist, geraten derlei, wenngleich eminent wichtige, doch eben nur Theaterstücke gerne in Vergessenheit. Diese Sorge dürfte auch den Autor Korherr dazu bewogen haben, eine Auswahl von sechs seiner Werke in einem Buch zu veröffentlichen. So wird gleich zu Beginn Jakob Wassermann (1873-1934) vorgestellt. Die Recherchen zu diesen heute eher unbekannten Schriftsteller brachten erstaunliches zutage. Er war Anfang des 20. Jahrhunderts einer der meistgelesenen Romanciers, dessen Popularität aber nicht verhindern konnte, dass er mit der Machtergreifung Hitlers 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen wurde und seine Werke verboten wurden. Seine Vision von einer Welt des Friedens ohne nationale Spannungen und ohne Rassenhass war in den Flammen der Bücherverbrennung zu Asche zerfallen. Ihm folgt Eugenie Schwarzwald, die ihr Leben in einem Monolog in Form einer Rede schildert. Sie war eine österreichische Pädagogin, kämpfte um soziale Reformen und war als Frauenrechtlerin aktiv.

V.l.n.r.: Eva Billisich, Corinna Pumm und Roman Kollmer © Stephanie Grünberger

Ihr Engagement kannte keinen Unterschied bei der jeweiligen Herkunft, ob Goi oder Jude, wenn es darum ging, jungen Menschen Bildung zu verschaffen und Fortkommen zu ermöglichen. Dennoch musste sie 1938 in die Schweiz flüchten, wo sie ein Jahr später starb. Ähnlich resolut unterwegs war die Italienerin Maria Montessori, die Korherr ebenfalls in einer Ansprache von den Widrigkeiten beim Aufbau der nach ihr benannten, weltweit segensreich tätigen Gesellschaft erzählen lässt.

Bekannt durch ein Musical und in den USA ungemein populär ist die Familie Trapp. Helmut Korherr versucht in seinem Stück, die Wahrheit aus der durch Legenden entstellten Familiengeschichte herauszufiltern. Er selbst bemerkt dazu, dass er viel Literatur aufspüren musste und, um sich vom „Genius Loci“ inspirieren zu lassen, sogar in der Trapp-Villa in Aigen genächtigt hat. Schon lange aus dem Gedächtnis verschwunden ist der S.C.Hakoa, ein jüdischer Verein, der zwischen 1911 und 1938 das Sportgeschehen in Wien dominierte. Der Zuschauer bzw. der Leser lernt etliche der Sportler kennen, die vor Selbstbewusstsein beinahe platzen, wenn ihnen wieder ein Sieg über nichtjüdische Gegner gelungen ist. „Hakoah führt“ ist demnach auch der Titel dieser Erinnerung an einen nicht unwesentlichen Teil österreichischer Sportgeschichte.

 

In „Untergetaucht“ gibt es aufwühlende Spannung. Wird die Jüdin, die sich einen deutschen Namen zugelegt hat, in ihren diversen Notquartieren den Zweiten Weltkrieg überleben oder wird man sie wie die anderen Juden aufgreifen und in ein KZ deportieren?

Aus ihrem Beispiel, das auch die Hilfsbereitschaft von Nichtjuden beweist, mag sich der Titel des Buches erklären. „Für ein gutes Heute und ein besseres Morgen“ (erschienen im Verlag „EPHELANT“) ist nicht nur der Wunsch von Helmut Korherr, der allerdings erst in Erfüllung gehen kann, wenn unsere beiden schlimmsten Todsünden erkannt und überwunden wurden. Religion und Nationalismus entzweien seit jeher mit blutiger Brutalität die Gesellschaft. Sämtliche gegeneinander lebenden Splittergruppen müssten sich dazu bewusst werden, dass auch die anderen nichts als Menschen, vor allem aber keine Gegner sind. Es wäre an der Zeit, allseits Standesdünkel und von der Herkunft begründete Vorbehalte abzulegen. In Korherrs Dialogen und Reflexionen seiner tragischen Helden wird diese Problematik durchaus immer wieder angesprochen, aber angesichts der unbegreiflichen Barbarei gegen die in den einzelnen Handlungen Betroffenen haben derart radikale humanphilosophische Überlegungen verständlicherweise keinen Platz.

Hakoah führt: Uraufführung im Theater in der Walfischgasse 2009, Wolfgang Böck © Barbara Korherr
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