Kultur und Weindas beschauliche MagazinAlexander Rossi (Wirt zum Wilden Mann), Johanna Mahaffy (Anna) © Lalo Jodlbauer DER JÜNGSTE TAG Ein Fall für den höchsten aller Richter
Ist Moral nichts als die Angst vor dem finalen Richterspruch? Zumindest gilt diese Annahme für den Stationsvorstand Thomas Hudetz. Er versäumt, ein Signal richtig zu stellen und verschuldet damit ein schweres Eisenbahnunglück. Ödön von Horváth hat diesen Zusammenstoß mit etlichen Toten und Schwerverletzten in „Der jüngste Tag“ analysiert und penibel wie ein kriminalistischer Ermittler aufgearbeitet. Es geht letztlich um die Schuldfrage, die bis zum Ende nicht vollständig geklärt ist, da alle Beteiligten ihren Anteil an der Katastrophe tragen. Erst als nach einem Mord die Toten erscheinen und zu reden beginnen, scheint sich eine Lösung dieses Falls abzuzeichnen. Horváths Resümee: Hudetz nimmt die Verantwortung auf sich und stellt sich dem Jüngsten Gericht.
Intendantin Maria Happel hat selbst inszeniert und verortet die Handlung an einem der Viadukte, wie sie im Semmeringgebiet zahlreich zu finden sind. Auf der Bühne des Neuen Spielraums, die sich inmitten einer Arena von Zuschauerreihen erhebt, stehen ihr nur wenige Möglichkeiten der Ausstattung offen. Mit ein paar symbolbeladenen Requisiten zaubert sie mit Alexandra Burgstaller dennoch einen komplexen Raum, der vom Bahnhof, dem Wirtshaus, einer Drogerie
Es kommt zu Einvernahmen, geleitet von einem Staatsanwalt (Wolfgang Hübsch). Ein Meineid von Anna erwirkt für Thomas Hudetz einen Freispruch, nachdem der überlebende Heizer (Rainer Friedrichsen) als Zeuge ausgeschieden ist. Die Ortsbewohner, vertreten von der Dorftratschen Frau Leimgruber (Dunja Sowinetz) und der Kellnerin Leni (Karin Kofler) scheinen aber mehr zu wissen und lassen die Gerüchteküche sanft aber unerbittlich brodeln. Philipp Stix als Kriminaler und Rafael Schuchter als Gendarm warten die Entwicklung nach dem Gerichtsurteil ab und werden erst aktiv, als Anna ermordet aufgefunden wird. Es stellt sich die Täterschaft von Thomas Hudetz heraus.
Stefan Jürgens (Doktor), im Spiegel: Martin Schwab (Vater) © Lalo Jodlbauer DER IGNORANT UND DER WAHNSINNIGE „Vivisektion“ von Oper und Theater
Zwei Minuten lang herrschte im großen Saal der Festspiele Reichenau nahezu absolute Finsternis. Das im Zuge der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen am 29. Juli 1972 vernichtete „Rad der Geschichte“, wie Thomas Bernhard es in „Der Theatermacher“ ironisch formulierte, darf sich wieder drehen. Damals ging es um die Notlichter, die am Ende seiner „Komödie“ wider seinen ausdrücklichen Wunsch brannten. Das Reichenauer Publikum, großteils in Kenntnis dieses Vorfalls, nahm die Dunkelheit gelassen auf. Sie war der finale Regieeinfall von Hermann Beil, dem Regisseur von „Der Ignorant und der Wahnsinnige“. Man freute sich nicht umsonst auf die grandios bösartigen Äußerungen, mit denen Doktor (Stefan Jürgens) dem Autor eine Stimme verleiht. In literarisch unterhaltsamer Treffsicherheit lässt er sich aus über die Schreiber von Kritiken und über deren Anlass, die Aufführungen in Theater und Oper. Sie reichen von der Kultur als Misthaufen über „das Genie ist eine Krankheit“ bis zur beleidigenden Anklage, dass Schauspieler und Sänger nichts als Intriganten seien. Eingebettet sind die Ausfälle in einem anschaulichen Vortrag des Pathologen über das fachgerechte Zerschneiden von Leichen.
Seine Zuhörer sind ein beinahe blinder Vater und dessen Tochter, eine Koloratursängerin, die sich auf ihren Auftritt als Königin der Nacht vorbereitet. Martin Schwab mit zwei gelben Armbinden gibt den Alkoholiker, der angeblich nur deswegen säuft, da seine Tochter (Julia Stemberger) rücksichtslos gegen ihn ist und im Zuge der Rachearie den Spitzenton verfehlen könnte.
C.C. Weinberger und Elisabeth Schwarz (Gäste im Wirtshaus) © Lalo Jodlbauer LUMPAZIVAGABUNDUS Eine böse Zauberposse zum Liebhaben
Die Wette zwischen der Liebesgöttin Amorosa und Fortuna, angezettelt vom Bösen Geist Lumpazivagabundus, ist genau betrachtet ziemlich zynisch. Um ihre persönliche Macht zu beweisen, wird aus den Sterblichen ein „liederliches Kleeblatt“ ausgewählt, quasi als Versuchskaninchen. Die bekannten drei Handwerksburschen Leim, Zwirn und Knieriem werden mit Reichtum überschüttet. Wenn zumindest zwei davon Lumpen bleiben wollen, dann ist Fortuna geschlagen. Dabei wird gerne übersehen, dass sich die Vertreter des Feenreiches in der Versuchsanordnung nicht sorgfältig genug umgesehen haben. Der Tischler ist weder Weiberheld noch Säufer, er ist einfach unglücklich verliebt. Fortunas Geldsegen wird auf der Stelle zweitrangig, wenn der anständige Bursch die ersehnte Tochter seines Meisters zur Frau bekommt. Sollte Amorosa dieser Umstand bekannt gewesen sein, wäre sie eine durchaus zweifelhafte Gewinnerin.
Wenn es einem Regisseur gelingt, aus diesem weithin bekannten und beliebten Stoff noch Neues herauszuholen, dann ist es Robert Meyer. In guter, alter Tradition von Nestroy hat er auch die Rolle des Knieriem übernommen. Einer stimmungsvollen und ungemein authentisch wirkenden Inszenierung stand damit nichts mehr im Wege. Immer dabei ist auch die Wandergitarre, mit der sich der Schustergesell´ trotz subtil angedeutetem Dauerrausch bei seinen Gesangseinlagen begleitet. Es gibt ja doch einige Lieder, angefangen vom Marsch in die Stadt über Eduard und Kunigunde bis zum Couplet vom ausbleibenden Kometen. Sie werden zusätzlich von einer kleinen Kapelle in Wienerischer Besetzung (Helmut Thomas Stippich mit der Schrammelharmonika, Maria Stippich an der Kontragitarre und David Stippich sensationell am picksüßen Hölz´l, der Klarinette in hoch G) mit den passenden Klängen versorgt. Die Bühne wurde von Christof Cremer als drehbarer Kubus für alle Zwecke genial eingerichtet und lässt durch Öffnen diverser Türen wie magisch die einzelnen Schauplätze erscheinen. Ensemble Lumpazivagabundus © Lalo Jodlbauer In den weiteren zwei Dritteln besagten Kleeblatts sind Thomas Frank als Leim und Florian Carove als Zwirn zu erleben. Um sie herum schleicht verderblich Lumpazivagabundus, dem Sebastian Wendelin die virtuose Verschlagenheit von Mephisto verleiht.
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