Kultur und Weindas beschauliche MagazinBiedermannund der Feuerwehrchor © Maoritz Schell Biedermann und die Brandstifter: Heiter-tragisches Lehrstück ohne Lehre
Um die eigentliche kriminelle Natur von Sepp Schmitz und Willi Eisenring wurde schon viel gerätselt. Sind es brutale Revolutionäre, rabiate Weltverbesserer? Keins von beiden, sagt Max Frisch, der Autor von „Biedermann und die Brandstifter“: „Wenn sie Brand stiften, so aus purer Lust. Es gibt Pyromanen. Ihre Tätigkeit ist apolitisch.“ Doch dabei geht es nicht um ein begrenztes Schadfeuer. Eine ganze Stadt wird abgefackelt, bis zu den Gasometern, die am Ende mit gewaltigen Krachern explodieren. Es muss also doch ein größerer Apparat dahinter stecken, den dazu mehr treibt als die Lust am Zündeln. Es bleibt jedoch offen, wer die beiden seltsamen Kerle in das Haus von Gottlieb Biedermann geschickt hat. Mag es der Teufel selbst sein, der im Nachspiel in einer höllischen Dreieinigkeit auftritt? Interpretationen unterlagen den jeweiligen Zeitumständen in den gut 64 Jahren, seit diese schwarze Komödie aufgeführt wurde (29. März 1958 im Schauspielhaus Zürich). Seither sind Legionen von Angstmachern verschiedenster Ausprägung aufgetreten – und, Gott sei dank, wurden ihnen bis heute die Streichhölzer noch(!) nicht gereicht; ein glücklicher Umstand, der jedoch eher günstigen Umständen als der Intelligenz von Herrn Biedermann zu verdanken ist.
Für die Josefstadt hat Stephanie Mohr lässt diese allzeit aktuelle Warnung in einem elegant bürgerlichen Haus spielen, allerdings mit dem Fragezeichen, warum daraus Waldbäume wachsen (Bühnenbild: Miriam Busch). Sieht man von der Botanik ab, ist die Inszenierung schlüssig und mit einer Fülle an reizvollen Ideen angereichert. Es beginnt damit, dass der Chor der Feuerwehrleute vor dem noch geschlossenen Vorhang in witziger Weise diverse Anweisungen zum Brandschutz gibt. Unter der Führung von Lore Stefanek bewachen die Stadt wortgewaltig Minou M. Baghbani, Juliette Larat, Kimberly Rydell, Laetitia Torukissian und Katharina Klar, die unter ihrer Unform das Kleid des Dienstmädchens Anna trägt. Sie, die Angestellte im Hause Biedermann, hätte den richtigen Riecher für die schlimmen Umtriebe der beiden Eindringlinge. Ihre burschikos zur Schau gestellte Abneigung wird jedoch von Gottlieb Biedermann (Marcus Blum) und dessen Gemahlin Babette (Alexandra Krismer) geflissentlich ignoriert. Sie sind den moralisierenden Reden angeblich Obdachloser hilflos ausgeliefert und schauen untätig zu, wie sie Fässer mit Benzin auf ihrem Dachboden horten. An deren Überzeugungskraft zerschellt die Härte, die der Unternehmer Gottlieb beispielsweise seinem Angestellten Knechtling und dessen Witwe (Kimberly Rydell) gegenüber an den Tag legt. Mit geheimnisvoller Mission betraut webt Tobias Reinthaller als Polizist mit Engelsflügerln durch das Geschehen, hat aber mit dem Sachverhalt der Brandstiftung nichts am Hut.
Günter Franzmeier (Alepnkönig), Geisterchor © Moritz Schell ORIGINAL-ZAUBERSPIEL vom Alpenkönig und dem Menschenfeind
Da stehen sich Michael Dangl und Günter Franzmeier mit Pistolen gegenüber. Der eine ist der echte Herr von Rappelkopf, der andere Astragalus, genannt Alpenkönig, der dessen Gestalt angenommen hat. Wenn einer von den beiden schießt und trifft, sind beide Rappelköpfe hinüber. Der tödliche Schuss bleibt freilich aus. Stattdessen ist nach dieser Rosskur aus dem grauslichen Menschenfeind ein Philanthrop geworden, der seiner Frau Sophie (Alexandra Krismer) deren Liebe abnimmt, die Zuneigung seiner Tochter Malchen (Johanna Mahaffy) erwidert und deren Freund, den Maler August (Tobias Reinthaller), als Schwiegersohn anerkennt. Rappelkopfs neu erworbene Toleranz und Freundlichkeit lässt sogar zu, dass Habakuk (Johannes Seilern als eher rührender denn komischer Diener), zuerst des Mordanschlags auf seinen Herrn verdächtigt, doch behaupten darf, zwei Jahre in Paris gewesen zu sein. Die einzige, die mit beiden Herren ihr G´frett hat, ist Lischen (Nadine Zeintl). Mit dem Rappelkopf sowieso, da sie ihr Dienstgeber wo es geht, malträtiert. Schlimmer erscheint ihr jedoch eine Begegnung mit dem Alpenkönig, dessen Anblick die selbstbehauptete Schönheit in ein altes Weib verwandelt.
Bis in die kleinsten Rollen ist das mit tiefer Psychologie ausgestattete Lehrstück „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ prominent besetzt. Dazu kommt eine Regie, die eine schuldige Verbeugung vor dem Autor Ferdinand Raimund gemacht hat. Josef E. Köpplinger hat das Wort „Original“ zutiefst beherzigt und dem Theater in der Josefstadt eine Inszenierung geschenkt, die neben einer historischen Aufarbeitung des Stoffs ungemein unterhaltsam, stellenweise richtig zu Herzen gehend geraten ist. Es beginnt mit einer „Ouvertüre“, gespielt von einem kleinen Orchester.
Claudius von Stolzmann, Juliette Larat, Paula Nocker, Alexander Absenger, Martina Stilp © Astrid Knie TRILOGIE DER SOMMERFRISCHE Goldonis launiges Aneinandervorbeilieben
Wenn nur das liebe Geld in ausrechendem Maße vorhanden wäre, dann wäre alles so viel einfacher. Aber so? Der Lebemann Leonardo ist pleite und sieht sein Heil nur in einer Ehe mit Giacinta, Tochter des begüterten Filippos. Die ob stattlicher Mitgift angepeilte Dame liebt jedoch den charmanten Habenichts Guglielmo. Dank Vittoria, Leonardos Schwester, kann dieser Rivale entschärft werden. Um dieses Trio gruppiert sich eine Schar ebenfalls nach „Amore“ drängender Zeitgenossen wie die reiche, allerdings bejahrte Sabina, die sich den potenten Jüngling Ferdinando mittels einer großzügigen Schenkung kauft. Eine wahre Herzensangelegenheit wäre die Zuneigung von Brigida für Paolo. Sie ist Zofe, er ist Diener, hält aber nichts von einer Liebschaft. Das kindliche Ehepaar Rosina und Tognino ist lediglich eine Draufgabe mit Unterhaltungsfaktor.
Diese schräge Lovestory stammt aus dem 18. Jahrhundert. Verfasst wurde sie von einem exzellenten Menschenkenner, der nicht nur unzählige großartige Theaterstücke verfasst hat, sondern auch als Jurist in der Diplomatie und in seinem Rechtsanwaltsbüro erhellende Einblicke in das Treiben und Wollen seiner Mitmenschen gewonnen hat. Carlo Goldoni (1707-1793) ist nach wie vor einer der meist gespielten Autoren, nicht zuletzt, weil seine Komödien zeitlose Probleme mit einem Lachen über die Rampe bringen. Seine „trilogia della Villeggiatura“ wurde nun unter dem deutschen Titel „Trilogie einer Sommerfrische“ von Janusz Kica in einem Höllentempo für das Theater in der Josefstadt inszeniert (Premiere war am Sa., 1. Juni 2024). Allein der Gag, dass die Auftritte hinter einer über die Bühne huschenden Wand jedes Mal eine Überraschung bringen, zeitigt erfrischende Atemlosigkeit im Publikum. Dazu kommt ein Ensemble, das in der gebotenen Geschwindigkeit zur Höchstform aufläuft. Markus Bluhm ist der Onkel in zweierlei Gestalt, als Filippo und Bernardino, der sich einesteils mit kratzbürtiger Tochter (Juliette Larat) und andererseits mit leichtsinnig hoch verschuldetem Neffen (Claudius von Stolzmann) herumschlagen muss. Der leicht geschürzten Vittoria (Paula Nocker) helfen auch artistische Verrenkungen nicht, den in Giacinta verliebten Guglielmo (Alexander Absenger) für ihre Reize zu gewinnen.
Robert Joseph Bartl (als Priester), Ensemble © Moritz Schell LEBEN UND STERBEN IN WIEN Vom Justizpalastbrand zum Februar 34 Damals standen sich Österreicher mit Waffen feindselig gegenüber. Niemand glaubte wirklich an die junge Republik, in der es für einen großen Teil der Bevölkerung keine Arbeit und damit auch nichts zum Fressen gab. Der wiederum gab die Schuld dafür denjenigen, die auf ihrem Grund und Boden saßen und wenig Verständnis für die Not der anderen aufbrachten. Noch weniger Vertrauen hatte man in die Demokratie. Es wurde auf beiden Seiten hochgerüstet, mit der Heimwehr, von den Gegnern wegen ihres Hutschmucks despektierlich Hahnenschwanzler genannt, und dem Republikanischen Schutzbund als linke Antwort auf die Bedrohung von rechts. Die wenigste Zuversicht hatte man der Justiz gegenüber, die mit den „Schattendorfer Urteilen“ die Sozialisten eindeutig außerhalb des Rechts stellte. Die Folge war der Brand des Justizpalastes, dessen Glut weiterschwelte, bis das Feuer im Februar 1934 neuerlich ausbrach, jetzt aus Kanonen und Gewehren.
Thomas Arzt, als Bühnenautor noch jung (geb. 1983), hat sich dieser Zeit angenommen und in „Leben und Sterben in Wien“ engagiert Stellung genommen. Verknüpft werden darin die politischen Ereignisse dieser Jahre mit persönlichen Schicksalen. Im Zentrum steht eine junge Frau vom Land, die von sich aus in die Stadt zieht, dort als ledige Mutter in den Kreis der Roten aufgenommen wird und emsig bildungsmäßige Versäumnisse nachholt. Katharina Klar gibt Fanni ein deutliches Profil, an dem nicht nur der dicke Großbauer Sepp (Robert Joseph Bartl) und der Vater ihrer Tochter (Clara Bruckmann/Dora Staudinger), der Heimwehrler Hans (Jakob Eisenwenger), angeeckt sind. Auch die neuen Freunde wie Otto, ein glühender Sozialist (Alexander Absenger), oder der Student Fritz (Nils Arztmann) haben ihre Mühe mit Fannis Willen zur Selbstständigkeit. Die zweite Schiene verläuft um die Schutzbündlerin Sara, der Freundin von Fanni. Johanna Mahaffy hat als Tochter eines Theaterdirektors (Günter Franzmeier) freies Blut in sich. Sie besitzt zwar eine Pistole, wird aber selbst unter vorläufig nicht geklärten Umständen erschossen. Die Wahrheit kommt erst ganz am Schluss zutage, wenn eine verbittert verbiesterte Alte (Lore Stefanek) über den Vorfall zu reden bereit ist. Dazwischen stehen Rosl, eine herabgekommene Arbeiterin (Alma Hasun), ihr Freund Petrow (Thomas Frank), die noble Gräfin (Ulli Maier) und Inspektor Inninger (Joseph Lorenz).
Als letzte Regie in seiner Direktion hat Herbert Föttinger Theater pur aus dieser Geschichtsstunde gemacht. Ein sogenannter Bewegungschor webt als tanzende Heimwehrler, als aufgebrachte Masse oder als unbeteiligte Passanten durch die Handlung. Wenn zur Begleitung von Matthias Jaksic (E-Violine) gesungen wird, dann kämpferisch ganz im Stil vom Lied der Arbeit oder der Internationale. Es wird aber auch Revue gemacht, zumindest geprobt. Franzmeier hämmert dem Ballett zu einer Persiflage auf Hitler, Mussolini und den Kardinal den Takt ein (mit Sonderapplaus). Daneben gibt es weitere Anflüge von Humor. So treffen im dichten Nebel zwei dunkle Gestalten aufeinander, der eine Sozi, der andere Nazi, mit dem gleichen Ziel: Den Wagen mit Kanzler Engelbert Dollfuß in die Luft zu sprengen. Die Detonation fällt aus, übrig bleibt jedenfalls die Aussicht, dass eine solche Entzweiung der Bevölkerung nicht einmalig war; wenn wir nicht aufpassen. Zu schnell kann es passieren, dass Errungenschaften wie eine friedliche Demokratie einem leichtfertigen Wahlverhalten zum Opfer fallen könnten. Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman BIS NÄCHSTEN FREITAG Von der Gegenwart abgeworfene Freunde
Die beiden Herren kennen einander schon seit der Zeit im Gymnasium. Der eine wurde Buchhändler, der andere Dozent für Romanistik an der Universität. Nach Jahren kommt es zu einem Treffen der beiden mehr als unterschiedlichen Charaktere. Richard Nowak hat seinen Freund Dr. Werner Hahn in sein Stammlokal eingeladen, in das böhmische Beisl „Zur tschechischen Botschaft“. Schon in den ersten Sätzen wird die alte Rangordnung deutlich. Richard war schon damals der gute Kerl, den die Mädchen zum Ausweinen missbrauchten, während Werner sie gevögelt hat. Jana Zelníčková (Silvia Meisterle) ist die Kellnerin, die ihren Richi mag, weil er brav die Suppe aufisst. Dieser Werner ist ihr nicht recht sympathisch. Er will in einem Wiener Lokal österreichisches Bier und lässt sich erst nach gutem Zureden herbei, eine Leberknödelsuppe zu bestellen. Die vierte Person in diesem Lokal ist der geistig zurückgebliebene, taubstumme Petříčku (Marcello De Nardo), der sonderbarer Weise doch Musik hört und leidenschaftlich gerne tanzt. Den Burschen und die Kellnerin verbindet ein Geheimnis. „Wir wissen etwas Schönes“, sagt sie, verrät aber um keinen Preis, worum es sich dabei handelt.
„Ich mag keine Zwerge, schon gar keine glücklichen Zwerge!“ ist noch das Harmloseste, das Werner von sich gibt. Derart aufgebracht hat ihn ein kleinwüchsiges Brautpaar, das in diesem Lokal seine Hochzeit feiert. Andrea Mühlbacher und Sascha Schicht spielen diese beiden ausnehmend reizenden Leutchen, die für sich die große Liebe gefunden haben. Gegen sie nimmt sich der normal gewachsene Intellektuelle wie ein ungezogener Rüpel aus. Er wirft mit Sprüchen um sich, die hier nicht zitiert werden könnten, ohne einen Shitstorm auszulösen. Herbert Föttinger lässt als Dozent Hahn lustvoll überzeugend jede Political Correctness missen.
Der Wald, Ensemble © Moritz Schell DER WALD Adelig und reich contra arm und schlau
Kann man irgend wem trauen? Nicht einmal im Wald darf man sich auf die Bäume verlassen. Zu leicht kann ein Ast herunter- und einen direkt auf den Kopf fallen. Auch als Vermögensanlage ist er unsicher, obwohl die in die Jahre gekommene Witwe Raissa Pawlowna Gurmyschskaja (Andrea Jonasson) sehr viel davon besitzt. Um zu Bargeld zu kommen, muss sie jedoch laufend verkaufen und wird damit das Opfer des gierigen und durchtriebenen Holzhändlers Iwan Petrow Wosmibratow (Marcello De Nardo). Seinen Tricks, mit denen er die zwar adeligen, aber dümmlichen Gutsbesitzer hereinlegt, ist sie nicht gewachsen. Die Umstände bringen es aber mit sich, dass ihre Nichte Axinja Danilowna, kurz Axjuschka (Johanna Mahaffy), in Pjotr (Tobias Reinthaller), den Sohn dieses Beutelschneiders verliebt ist. Den ihr gedachten standesgemäßen Bräutigam Alexej Sergejewitsch Bulanow (Claudius von Stolzmann), einen Schulabbrecher und auch sonst recht naiven Jüngling, krallt sich die Tante in einer überraschenden Aufwallung sinnlicher Leidenschaft. Um ihn als Gatten präsentieren zu können, braucht es noble Besucher wie Jewgenij Apollonytsch Milonow (Michael König) und den Kavallerieoffizier a.D. Uar Kirilytsch Bodajew (Robert Joseph Bartl), dazu einen bärtigen Diener namens Karp (Einspringer Till Firit) und die servile Hausdame Ulita (Einspringerin Alexandra Krismer).
Die Komödie „Der Wald“ von Alexander Ostrowskij wäre aber nichts als eine aus der Zeit gefallene Abrechnung mit dem russischen Gesellschaftssystem des 19. Jahrhunderts und eine Reihe unaussprechlicher Namen, gäbe es nicht die beiden Provinzschauspieler.
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