Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Günter Franzmeier (Alepnkönig), Geisterchor © Moritz Schell

Günter Franzmeier (Alepnkönig), Geisterchor © Moritz Schell

ORIGINAL-ZAUBERSPIEL vom Alpenkönig und dem Menschenfeind

Günter Franzmeier (Alpenkönig), Michael Dangl (Rappelkopf) © Moritz Schell

Günter Franzmeier, Michael Dangl © Moritz Schell

So muss die geisterhafte Bekehrung einst g´meint g´wesen sein und ist bis heute frisch geblieben.

Da stehen sich Michael Dangl und Günter Franzmeier mit Pistolen gegenüber. Der eine ist der echte Herr von Rappelkopf, der andere Astragalus, genannt Alpenkönig, der dessen Gestalt angenommen hat. Wenn einer von den beiden schießt und trifft, sind beide Rappelköpfe hinüber. Der tödliche Schuss bleibt freilich aus. Stattdessen ist nach dieser Rosskur aus dem grauslichen Menschenfeind ein Philanthrop geworden, der seiner Frau Sophie (Alexandra Krismer) deren Liebe abnimmt, die Zuneigung seiner Tochter Malchen (Johanna Mahaffy) erwidert und deren Freund, den Maler August (Tobias Reinthaller), als Schwiegersohn anerkennt. Rappelkopfs neu erworbene Toleranz und Freundlichkeit lässt sogar zu, dass Habakuk (Johannes Seilern als eher rührender denn komischer Diener), zuerst des Mordanschlags auf seinen Herrn verdächtigt, doch behaupten darf, zwei Jahre in Paris gewesen zu sein. Die einzige, die mit beiden Herren ihr G´frett hat, ist Lischen (Nadine Zeintl). Mit dem Rappelkopf sowieso, da sie ihr Dienstgeber wo es geht, malträtiert. Schlimmer erscheint ihr jedoch eine Begegnung mit dem Alpenkönig, dessen Anblick die selbstbehauptete Schönheit in ein altes Weib verwandelt.

Eine originelle Köhlerfamilie © Moritz Schell

Eine originelle Köhlerfamilie © Moritz Schell

Der Alpenkönig und der Menschenfeind, Ensemble © Moritz Schell

Der Alpenkönig und der Menschenfeind, Ensemble © Moritz Schell

Bis in die kleinsten Rollen ist das mit tiefer Psychologie ausgestattete Lehrstück „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ prominent besetzt. Dazu kommt eine Regie, die eine schuldige Verbeugung vor dem Autor Ferdinand Raimund gemacht hat. Josef E. Köpplinger hat das Wort „Original“ zutiefst beherzigt und dem Theater in der Josefstadt eine Inszenierung geschenkt, die neben einer historischen Aufarbeitung des Stoffs ungemein unterhaltsam, stellenweise richtig zu Herzen gehend geraten ist. Es beginnt mit einer „Ouvertüre“, gespielt von einem kleinen Orchester.

Mit Hochgehen des Vorhangs begleitet es einen geisterhaften Jägerchor bei dessen Jubel über gelungenes Waidwerk. Die Musik dazu hat Wenzel Müller komponiert und sie dürfte auch 1828 bei der Uraufführung im Theater in der Leopoldstadt so geklungen haben. Walter Vogelweider hat mit der Bühne nicht nur die Gebirgslandschaft auf einen schroffen Felsen reduziert, das Interieur von Rappelkopfs Villa praktisch elegant möbliert und die Köhlerhütte mit einem Wohnwagen in die Substandardwohnung einer sozial prekären Familie verwandelt, sondern lässt auch das Publikum in einen überdimensionalen Spiegel (zur Selbsterkenntnis?) schauen. Dass die Kostüme (Alfed Mayerhofer) dem Biedermeier entrückt wurden und zwischen damals und heute pendeln, übersieht man dabei gern. Sie sind wie die wacker ohne Verstärkung dargebotenen Couplets und der Spaß, den das Ensemble offensichtlich bei der Umsetzung dieses romantisch-komischen Original-Zauberspiels hatte, Teil dieser gelungenen Premiere, die Bravorufe und den Applaus redlich verdient hat.

Paul Matić (Linarius), Martin Niedermair (Alpengeist) © Moritz Schell

Paul Matić (Linarius), Martin Niedermair (Alpengeist) © Moritz Schell

Claudius von Stolzmann, Juliette Larat, Paula Nocker, Alexander Absenger, Martina Stilp©Astrid Knie

Claudius von Stolzmann, Juliette Larat, Paula Nocker, Alexander Absenger, Martina Stilp © Astrid Knie

TRILOGIE DER SOMMERFRISCHE Goldonis launiges Aneinandervorbeilieben

Marcello De Nardo, Markus Kofler, Raphael von Bargen, Katharina Klar © Astrid Knie

Marcello De Nardo, Markus Kofler, Raphael von Bargen, Katharina Klar © Astrid Knie

Eine Komödie des 18. Jahrhunderts begeistert mit italienischem Tempo und heutigem Witz.

Wenn nur das liebe Geld in ausrechendem Maße vorhanden wäre, dann wäre alles so viel einfacher. Aber so? Der Lebemann Leonardo ist pleite und sieht sein Heil nur in einer Ehe mit Giacinta, Tochter des begüterten Filippos. Die ob stattlicher Mitgift angepeilte Dame liebt jedoch den charmanten Habenichts Guglielmo. Dank Vittoria, Leonardos Schwester, kann dieser Rivale entschärft werden. Um dieses Trio gruppiert sich eine Schar ebenfalls nach „Amore“ drängender Zeitgenossen wie die reiche, allerdings bejahrte Sabina, die sich den potenten Jüngling Ferdinando mittels einer großzügigen Schenkung kauft. Eine wahre Herzensangelegenheit wäre die Zuneigung von Brigida für Paolo. Sie ist Zofe, er ist Diener, hält aber nichts von einer Liebschaft. Das kindliche Ehepaar Rosina und Tognino ist lediglich eine Draufgabe mit Unterhaltungsfaktor.

Katharina Klar, Juliette Larat, Markus Bluhm © Astrid Knie

Katharina Klar, Juliette Larat, Markus Bluhm © Astrid Knie

Marianne Nentwich, Raphael von Bargen © Astrid Knie

Marianne Nentwich, Raphael von Bargen © Astrid Knie

Diese schräge Lovestory stammt aus dem 18. Jahrhundert. Verfasst wurde sie von einem exzellenten Menschenkenner, der nicht nur unzählige großartige Theaterstücke verfasst hat, sondern auch als Jurist in der Diplomatie und in seinem Rechtsanwaltsbüro erhellende Einblicke in das Treiben und Wollen seiner Mitmenschen gewonnen hat. Carlo Goldoni (1707-1793) ist nach wie vor einer der meist gespielten Autoren, nicht zuletzt, weil seine Komödien zeitlose Probleme mit einem Lachen über die Rampe bringen. Seine „trilogia della Villeggiatura“ wurde nun unter dem deutschen Titel „Trilogie einer Sommerfrische“ von Janusz Kica in einem Höllentempo für das Theater in der Josefstadt inszeniert (Premiere war am Sa., 1. Juni 2024). Allein der Gag, dass die Auftritte hinter einer über die Bühne huschenden Wand jedes Mal eine Überraschung bringen, zeitigt erfrischende Atemlosigkeit im Publikum.

Larissa Fuchs, Matthias Franz Stein © Astrid Knie

Larissa Fuchs, Matthias Franz Stein © Astrid Knie

Alexander Absenger, Katharina Klar © Astrid Knie

Alexander Absenger, Katharina Klar © Astrid Knie

Dazu kommt ein Ensemble, das in der gebotenen Geschwindigkeit zur Höchstform aufläuft. Markus Bluhm ist der Onkel in zweierlei Gestalt, als Filippo und Bernardino, der sich einesteils mit kratzbürtiger Tochter (Juliette Larat) und andererseits mit leichtsinnig hoch verschuldetem Neffen (Claudius von Stolzmann) herumschlagen muss. Der leicht geschürzten Vittoria (Paula Nocker) helfen auch artistische Verrenkungen nicht, den in Giacinta verliebten Guglielmo (Alexander Absenger) für ihre Reize zu gewinnen.

Um derlei Gefühle kann sich Raphael von Bargen als Ferdinando nicht kümmern. Wenn er nicht gerade am Kontrabass den am Klavier brillierenden Markus Kofler (Fillippos abgeklärter Diener Paolo, dem Katharina Klar als temperamentvolle Zofe Brigida vergeblich den Hof macht) und den mitreißend italienische Schlager singenden Marcello De Nardo (als Cecco Leonardos Diener) begleitet, ist er mit Doyenne Marianne Nentwich beschäftigt. Deren erstaunlich vitale Sabina bringt ihre Sinnlichkeit aber erst an den Mann, nachdem ihr dieser zu Lebzeiten einiges von ihrem Vermögen abgeknöpft hat. Die elegante Costanza (Martina Stilp) ist die eher gelassene Tante von Rosina (Larissa Fuchs), die bieder den angehenden Arzt und Dummkopf Tognino (Matthias Franz Stein) geehelicht hat. Sie alle versuchen weitab der Stadt eine entspannte Sommerfrische zu genießen, während André Pohl als zynischer Fulgenzio daheim die Fäden zieht und mit seiner Kupplerei nichts als zwei todtraurige Paare in diesem an sich lustigen Stück generiert.

Claudius von Stolzmann, André Pohl © Astrid Knie

Claudius von Stolzmann, André Pohl © Astrid Knie

Robert Joseph Bartl, Ensemble © Moritz Schell

Robert Joseph Bartl (als Priester), Ensemble © Moritz Schell

LEBEN UND STERBEN IN WIEN Vom Justizpalastbrand zum Februar 34

Johanna Mahaffy (Sara), Ensemble © Moritz Schell

Johanna Mahaffy (Sara), Ensemble © Moritz Schell

Theater mit Geschichte als Warnung für die Zukunft

Damals standen sich Österreicher mit Waffen feindselig gegenüber. Niemand glaubte wirklich an die junge Republik, in der es für einen großen Teil der Bevölkerung keine Arbeit und damit auch nichts zum Fressen gab. Der wiederum gab die Schuld dafür denjenigen, die auf ihrem Grund und Boden saßen und wenig Verständnis für die Not der anderen aufbrachten. Noch weniger Vertrauen hatte man in die Demokratie. Es wurde auf beiden Seiten hochgerüstet, mit der Heimwehr, von den Gegnern wegen ihres Hutschmucks despektierlich Hahnenschwanzler genannt, und dem Republikanischen Schutzbund als linke Antwort auf die Bedrohung von rechts. Die wenigste Zuversicht hatte man der Justiz gegenüber, die mit den „Schattendorfer Urteilen“ die Sozialisten eindeutig außerhalb des Rechts stellte. Die Folge war der Brand des Justizpalastes, dessen Glut weiterschwelte, bis das Feuer im Februar 1934 neuerlich ausbrach, jetzt aus Kanonen und Gewehren.

Johanna Mahaffy (Sara), Katharina Klar (Fanni), Ensemble © Moritz Schell

Johanna Mahaffy (Sara), Katharina Klar (Fanni), Ensemble (Bewegungschor) © Moritz Schell

Jakob Eisenwenger (Hans), Alma Hasun (Rosi), Ensemble © Moritz Schell

Jakob Eisenwenger (Hans), Alma Hasun (Rosi), Ensemble (Bewegungschor)  © Moritz Schell

Thomas Arzt, als Bühnenautor noch jung (geb. 1983), hat sich dieser Zeit angenommen und in „Leben und Sterben in Wien“ engagiert Stellung genommen. Verknüpft werden darin die politischen Ereignisse dieser Jahre mit persönlichen Schicksalen. Im Zentrum steht eine junge Frau vom Land, die von sich aus in die Stadt zieht, dort als ledige Mutter in den Kreis der Roten aufgenommen wird und emsig bildungsmäßige Versäumnisse nachholt. Katharina Klar gibt Fanni ein deutliches Profil, an dem nicht nur der dicke Großbauer Sepp (Robert Joseph Bartl) und der Vater ihrer Tochter (Clara Bruckmann/Dora Staudinger), der Heimwehrler Hans (Jakob Eisenwenger), angeeckt sind. Auch die neuen Freunde wie Otto, ein glühender Sozialist (Alexander Absenger), oder der Student Fritz (Nils Arztmann) haben ihre Mühe mit Fannis Willen zur Selbstständigkeit. Die zweite Schiene verläuft um die Schutzbündlerin Sara, der Freundin von Fanni. Johanna Mahaffy hat als Tochter eines Theaterdirektors (Günter Franzmeier) freies Blut in sich. Sie besitzt zwar eine Pistole, wird aber selbst unter vorläufig nicht geklärten Umständen erschossen. Die Wahrheit kommt erst ganz am Schluss zutage, wenn eine verbittert verbiesterte Alte (Lore Stefanek) über den Vorfall zu reden bereit ist. Dazwischen stehen Rosl, eine herabgekommene Arbeiterin (Alma Hasun), ihr Freund Petrow (Thomas Frank), die noble Gräfin (Ulli Maier) und Inspektor Inninger (Joseph Lorenz).

Günter Franzmeier (Theaterdirektor), Ensemble © Moritz Schell

Günter Franzmeier (Theaterdirektor), Ensemble © Moritz Schell

Alexander Absenger (Otto), Joseph Lorenz (Inspektor Inninger) © Moritz Schell

Alexander Absenger (Otto), Joseph Lorenz (Inspektor Inninger), Ensemble © Moritz Schell

Als letzte Regie in seiner Direktion hat Herbert Föttinger Theater pur aus dieser Geschichtsstunde gemacht. Ein sogenannter Bewegungschor webt als tanzende Heimwehrler, als aufgebrachte Masse oder als unbeteiligte Passanten durch die Handlung. Wenn zur Begleitung von Matthias Jaksic (E-Violine) gesungen wird, dann kämpferisch ganz im Stil vom Lied der Arbeit oder der Internationale. Es wird aber auch Revue gemacht, zumindest geprobt. Franzmeier hämmert dem Ballett zu einer Persiflage auf Hitler, Mussolini und den Kardinal den Takt ein (mit Sonderapplaus). Daneben gibt es weitere Anflüge von Humor. So treffen im dichten Nebel zwei dunkle Gestalten aufeinander, der eine Sozi, der andere Nazi, mit dem gleichen Ziel: Den Wagen mit Kanzler Engelbert Dollfuß in die Luft zu sprengen. Die Detonation fällt aus, übrig bleibt jedenfalls die Aussicht, dass eine solche Entzweiung der Bevölkerung nicht einmalig war; wenn wir nicht aufpassen. Zu schnell kann es passieren, dass Errungenschaften wie eine friedliche Demokratie einem leichtfertigen Wahlverhalten zum Opfer fallen könnten.

Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman

Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman

BIS NÄCHSTEN FREITAG Von der Gegenwart abgeworfene Freunde

Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman

Herbert Föttinger, Erwin Steinhauer © Rita Newman

Peter Turrinis mehr als unterhaltsame Wirtshausgespräche

Die beiden Herren kennen einander schon seit der Zeit im Gymnasium. Der eine wurde Buchhändler, der andere Dozent für Romanistik an der Universität. Nach Jahren kommt es zu einem Treffen der beiden mehr als unterschiedlichen Charaktere. Richard Nowak hat seinen Freund Dr. Werner Hahn in sein Stammlokal eingeladen, in das böhmische Beisl „Zur tschechischen Botschaft“. Schon in den ersten Sätzen wird die alte Rangordnung deutlich. Richard war schon damals der gute Kerl, den die Mädchen zum Ausweinen missbrauchten, während Werner sie gevögelt hat. Jana Zelníčková (Silvia Meisterle) ist die Kellnerin, die ihren Richi mag, weil er brav die Suppe aufisst. Dieser Werner ist ihr nicht recht sympathisch. Er will in einem Wiener Lokal österreichisches Bier und lässt sich erst nach gutem Zureden herbei, eine Leberknödelsuppe zu bestellen. Die vierte Person in diesem Lokal ist der geistig zurückgebliebene, taubstumme Petříčku (Marcello De Nardo), der sonderbarer Weise doch Musik hört und leidenschaftlich gerne tanzt. Den Burschen und die Kellnerin verbindet ein Geheimnis. „Wir wissen etwas Schönes“, sagt sie, verrät aber um keinen Preis, worum es sich dabei handelt.

Marcello De Nardo (Petříčku), Braut (Andrea Mühlbacher), Bräutigam (Sascha Schicht) © Rita Newman

Marcello De Nardo (Petříčku), Braut (Andrea Mühlbacher), Bräutigam (Sascha Schicht) © Rita Newman

Marcello De Nardo (Petříčku), Silvia Meisterle (Jana Zelníčková) © Rita Newman

Marcello De Nardo (Petříčku), Silvia Meisterle (Jana Zelníčková) © Rita Newman

„Ich mag keine Zwerge, schon gar keine glücklichen Zwerge!“ ist noch das Harmloseste, das Werner von sich gibt. Derart aufgebracht hat ihn ein kleinwüchsiges Brautpaar, das in diesem Lokal seine Hochzeit feiert. Andrea Mühlbacher und Sascha Schicht spielen diese beiden ausnehmend reizenden Leutchen, die für sich die große Liebe gefunden haben. Gegen sie nimmt sich der normal gewachsene Intellektuelle wie ein ungezogener Rüpel aus. Er wirft mit Sprüchen um sich, die hier nicht zitiert werden könnten, ohne einen Shitstorm auszulösen. Herbert Föttinger lässt als Dozent Hahn lustvoll überzeugend jede Political Correctness missen.

Grund dafür ist tief sitzender Frust. Die Professur blieb ihm versagt, sein Köper ist voller Metastasen und es quält ihn die Hoffnungslosigkeit des Alters. Sein Freund Richard (Erwin Steinhauer) ist ebenfalls nicht gerade von Glück gesegnet. Er ist einsam, da ihn seine Freundin verlassen hat, er merkt den Verlust der Mannbarkeit, wenn er träumt, dass ihm die Eier abgefallen sind, und vor allem sind es seine Bücher, die ihm keine Fluchtmöglichkeit mehr bieten. Trotzdem treffen die beiden einander nun jeden Freitag um 18 Uhr in diesem Wirtshaus, um gemeinsam mit ihrem Dasein zu hadern. Peter Turrini, der von sich behauptet, ein absolut analoger Mensch zu sein, ohne Computer und Handy, der seine Texte mit der Hand schreibt oder auf der Schreibmaschine tippt, hat sich für dieses Stück in seiner Alterklasse umgesehen. Seine Entdeckung sind diese beiden Prototypen, die von der Gegenwart abgeworfen wurden, da sie mit deren rasanten Veränderungen keineswegs mehr zurecht kommen und vor allem weil sie nie erfahren dürfen, was das Schöne ist, von dem die Kellnerin gesprochen hat.

Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman

Herbert Föttinger (Dr. Werner Hahn), Erwin Steinhauer (Richard Nowak) © Rita Newman

Raphael von Bargen als Karsten Bernick © Rita Newman

Raphael von Bargen als Karsten Bernick © Rita Newman

DIE STÜTZEN DER GESELLSCHAFT Die finstere Wahrheit hinter dem Erfolg

Raphael von Bargen (Karsten Bernick), Silvia Meisterle (Nora) © Rita Newman

Raphael von Bargen (Karsten Bernick), Silvia Meisterle (Nora) © Rita Newman

Ein Drama von Henrik Ibsen in die Social City der Gegenwart umgesiedelt.

Karsten Bernick betreibt eine gut gehende Werft. Allein das Erbe seines Vaters weiter zu führen, bringt ihm keine Befriedigung. Er will selbst den Samen zu etwas Großen, Neuen legen. Eine ideale Stadt schwebt ihm vor, die Social City, die absolut nachhaltig und ohne jeden Ausstoß von CO2 ihren Bewohnern eine glückliche Zukunft ermöglichen soll. Mit den Tricks des gewieften Geschäftsmannes ist es für ihn das geringste Problem, eventuelle Auflagen seitens des Naturschutzes und Ähnliches zu bügeln, ebenso seinen Vorstand davon zu überzeugen, dass das Geld der Firma dort bestens angelegt sei. Aber es gibt eine Leiche im Keller. Eine „Jugendsünde“ wird schlagend. Seinetwegen hat sich eine Schauspielerin das Leben genommen. Das Kind wird von Karstens Familie aufgenommen, die näheren Umstände werden aber verschwiegen, zumal der Bruder seiner Gattin die Schuld auf sich nimmt. Erschwerend dazu kommt ein Termingeschäft. Ein Wrack von Schiff soll in kürzester Zeit in repariertem Zustand auslaufen, andernfalls das Bernick´sche Unternehmen mit fatalen Forderungen seitens amerikanischer Rechtsanwälte fertig gemacht würde.

Marcello De Nardo (Dr. Schneider), Dietmar König (Dr. Rummel), Raphael von Bargen (Karsten) © R. N.

Marcello De Nardo (Dr. Schneider), Dietmar König (Dr. Rummel), Raphael von Bargen (Karsten) © Rita Newman

André Pohl  (Aune), Raphael von Bargen (Karsten) © Rita Newman

André Pohl (Aune), Raphael von Bargen (Karsten) © Rita Newman

Schon für Henrik Ibsen bot dieses Lavieren zwischen Lüge und gewissenslosem Geschäftssinn genügend Stoff, um derlei Umtriebe im Drama „Stützen der Gesellschaft“ zu entlarven. Nachdem bald 150 Jahre seit der Entstehung ins Land gezogen sind, war eine Neufassung notwendig geworden, die von Regisseur David Bösch dem Publikum des Theaters in der Josefstadt vorgelegt wurde. Die Werft „Bernick“ wird zu einer heutigen Firma, mit einem Boss, wie es ihn zu allen Zeiten gegeben hat und geben wird. Ein gewohnt grandioser Raphael von Bargen ist Karsten, der angesichts der Büste seines strengen Vaters sein Verhalten reflektiert, aber keine andere Möglichkeit sieht, als mit Härte und Brutalität sein Imperium zu regieren. Patenonkel Dr. Rummel (Dietmar König) und der aalglatte Unternehmer Dr. Schneider (Marcello De Nardo) sind seine Unterstützer.

Ihm zur Seite steht die kühle Ehefrau Nora (Silvia Meisterle), angeheiratet wegen der opulenten Mitgift. Alle, auch Karstens Schwester Solweig (Michaela Klamminger), die Canasta-süchtige Frau Rummel (Marianne Nentwich) und der Theologiestudent Olaf (Jakob Eisenwenger) scheinen Bescheid zu wissen, dass deren Bruder Mats (Oliver Rosskopf) die leidige Angelegenheit um den Selbstmord von Lisas (Paula Nocker) Mutter unschuldig auf sich genommen hat. Als er nach 15 Jahren mit seiner Halbschwester Elida (Maria Köstlinger) zurückkehrt, ist Feuer auf dem Dach. Gleichzeitig schlägt die Stunde von Aune, dem erfahrenen Werftarbeiter. Man sieht es André Pohl an, wie schwer er es ihm fällt, den unerfüllbaren Wünschen eines eiskalten Chefs nachzukommen, zumal ihn dieser mit Androhung der Entlassung erpresst. Er lässt das Schiff wider besseren Wissens für seetüchtig erklären, auf die Gefahr hin, dass es das Unwetter beim Auslaufen nicht überstehen und Lisa, Karstens Sohn Harald und vor allem Mats in die Tiefe reißen wird.

Jakob Eisenwenger (Olaf), Paula Nocker (Lisa) © Rita Newman

Jakob Eisenwenger (Olaf), Paula Nocker (Lisa) © Rita Newman

Michael von Au (Willi), Anika Pages (Winnie) © Rita Newman

Michael von Au (Willi), Anika Pages (Winnie) © Rita Newman

BECKETT & FEYDEAU Einig über die Absurdität eines Ehebetts

Johanna Mahaffy, Tobias Reinthaller, Michael von Au, Anika Pages © Rita Newman

Ensemble © Rita Newman

Glückliche Tage & Herzliches Beileid zu einer „Traumgeschichte“ kombiniert

Die Theatergröße Dieter Dorn hat in zwei augenscheinlich so unterschiedlichen Dramen das versteckte Gemeinsame erkannt. Samuel Beckett, der Meister der irritierenden Sinnenthebung, hat in „Glückliche Tage“ eine Ehefrau im Ehebett gefangen genommen. Mit dem schrillem Ton einer Türglocke beginnt und endet jeweils das „Tagwerk“ von Winnie, die in wortreichen Selbstgesprächen voller Banalität allmählich bis zum Hals in den Matratzen versinkt. Ob der fallweise hörbare Gesprächspartner namens Willi tatsächlich oder nur in ihrer Fantasie existiert, bleibt offen. Aber sie scheint glücklich zu sein, schwärmt von „großen Gnaden, großen Gnaden“ und dem wunderbaren „alten Stil“. Das Klingeln weckt schließlich auch Yvonne, die Gattin von Lucien. Es wirkt wie die Erlösung aus einer absurden Traumsequenz, wenngleich in der Folge sehr reale zwischenmenschliche Probleme zur Sprache kommen. Georges Feydeau lässt in „Herzliches Beileid“ eine vernachlässigte Frau und deren vergnügungssüchtigen Gemahl aufeinander prallen. Die durch sein Verhalten angewachsenen Schulden wären mit einem Schlag getilgt, wenn seine betuchte Schwiegermutter tatsächlich das Zeitliche gesegnet hätte. Wieder ist der Schauplatz der Auseinandersetzung das Ehebett mit allen seinen Gefahren, die zwischen den Pfühlen lauern.

Anika Pages (Winnie) © Rita Newman

Anika Pages (Winnie) © Rita Newman

Tobias Reinthaller, Michael von Au © Rita Newman

Tobias Reinthaller, Michael von Au © Rita Newman

Dieter Dorn schickt die Frau, grandios und souverän von Anika Pages dargestellt, ins Bett, um sie dort als Winnie in seltsamer Seligkeit parlieren und von Lucien wecken zu lassen. Dabei handelt es sich um den bei Beckett hinter einem Bild versteckten Willi (Michael von Au), der nun im Kostüm des Sonnenkönigs von einem Künstlerball heimkehrt. Er hat sich überfressen und kann gerade noch verhindern, dass sich sein Magen auf offener Bühne entleert. Dank des vom Dienstmädchen Annette (Johanna Mahaffy) zubereiteten Kamillentees renkt sich sein Verdauungsapparat ein, wird aber bald darauf wieder auf eine harte Probe gestellt. Denn in selbiger Nacht läutet Tobias Reinthaller als Diener Joseph an der Tür Sturm. Seine Nachricht, dass die Mutter von Yvonne verstorben ist, hat die Ohnmacht der Tochter zur Folge. Beim Schwiegersohn weckt sie aber gesteigerte Aktivität, die sich schlussendlich als verhängnisvoller Unsinn herausstellt und das Publikum nach teils ratlosem Zuhören bei den absurden Monologen Becketts ob dieser menschlich allzu verständlichen Querelen mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht entlässt.

Johanna Maffay (Annette) © Rita Newman

Johanna Maffay (Annette) © Rita Newman

Michael vn Au, Anika Pages, Tobias Reinthaller © Rita Newman

Michael vn Au, Anika Pages, Tobias Reinthaller © Rita Newman

Ensemble © Philine Hofmann

Ensemble © Philine Hofmann

SOMMERGÄSTE vergeuden lustvoll Zeit und Leben

Martina Stilp, Alexandra Krismer © Philine Hofmann

Martina Stilp, Alexandra Krismer © Philine Hofmann

Ein russisches Gesellschaftsbild aus 1900 und die Frage nach dem Sinn des Daseins

Maxim Gorki entfachte 1904 mit seinem neuesten Stück einen Skandal. Das Publikum in St. Petersburg war erbost, weil es auf gnadenlose Weise darin vorgeführt wurde. Wer saß da in den Reihen des Theaters? Bestimmt keine Armen. Wer sich das Billett leisten konnte, hatte es schon zu was gebracht. Entweder war man von altem Adel oder hatte sich, die Gunst der Stunde nützend, auf der Gesellschaftsleiter hinaufgearbeitet. Vor allem die zweite dieser beiden Gruppen musste sich von der Bühne herab sagen lassen, wie sinnlos sie ihre Zeit verschluderte. Im Grund waren sie alle „Sommergäste“, die auf einer Datscha nichts anderes zuwege brachten, als aus Langeweile zu saufen, Sex zu suchen und miteinander zu streiten. Wie es 120 Jahre danach in Russland aussieht, ist schwer zu sagen. Oligarchen lassen sich nicht in ihr Privatleben blicken. In Österreich mag es eine Art Sommerfrische gegeben haben, die so ähnlich abgelaufen sein könnte. Sie ist aber längst verklärte Nostalgie unter dem Bild des alten Kaisers. Was in Gorkis Drama also anschaulich geschildert wird, ist Vergangenheit und beschränkt sich im besten Fall auf historisches Interesse.

Michael Dangl, Alexandra Krismer, Ensemble © Philine Hofmann

Michael Dangl, Alexandra Krismer, Ensemble © Philine Hofmann

Silvia Meisterle, Günter Franzmeier © Philine Hofmann

Silvia Meisterle, Günter Franzmeier © Philine Hofmann

Das Theater in der Josefstadt hat dennoch das Wagnis unternommen, „Sommergäste“ von Regisseur Elmar Goerden inszenieren und mit ziemlich viel Krampf aktualisieren zu lassen. So dürfen die Ärztin Marja Lwowona (Martina Stilp) ihrer Tochter Alex (Katharina Klar) ausführlich über diverse Geschlechterrollen und Feminismus diskutieren, die Allgemeinheit über heutige Allerweltsprobleme sinnieren oder die ganze Gesellschaft die Handlung immer wieder mit Gesangeinlagen à la Vaudeville mit U-Music-Begleitung auflockern. Dank des durchwegs grandiosen Ensembles wird dieser Rückblick auf einstiges Freizeitvergnügen dennoch zum feinen Erlebnis. Es beginnt damit, dass Michael Dangl als Rechtsanwalt Bassow der witzige Gastgeber ist, der auch verfahrene Beziehungskisten der Anwesenden mit lockerem Mundwerk zu entspannen versteht.

Seine Gattin Warwara (Alexandra Krismer) ist diesbezüglich wesentlich intoleranter und legt gegen Ende einen sehenswerten Nervenzusammenbruch hin. Grund dafür ist der berühmte Schriftsteller Jakow Schalimow, besetzt mit Ulrich Reinthaller. Der gute Mann erfüllt nicht die viel zu hoch gesteckten Erwartungen seiner ehemaligen Verehrerin und wird von ihr deswegen zur Schnecke gemacht. Günter Franzmeier ist der alternde Ingenieur Suslow, dessen Frau Julija (Silvia Meisterle) so richtig anlassig ist, aber keine Gelegenheit findet, dieses brodelnde Bedürfnis auszuleben. Erstaunlicherweise gelingt Roman Schmelzer als Arzt Dudakow mit der ihm angetrauten Olga (Susa Meyer) trotz bereits bestehender vier Kinder eine leidenschaftliche Nummer (hinter Baumstämmen), um gleich darauf wieder die ehelichen Fetzen fliegen zu lassen. Für das wirklich große Knistern sorgt Martina Stilp als reife Frau und Ärztin Marja mit Wlas (Claudius von Stolzmann), dem noch jugendlichen Bruder von Warwara, wenn beide den angeblich problematischen Altersunterschied voll Sinnlichkeit in scheuem Aufeinanderzugehen bis zum erlösenden Kuss überwinden.

Katharina Klar © Philine Hofmann

Katharina Klar © Philine Hofmann

Raphael von Bargen (Kommissar Escherich), Claudius von Stolzmann (Enno Kluge) © Roland Ferrigato

Raphael von Bargen (Kommissar Escherich), Claudius von Stolzmann (Enno Kluge) © Roland Ferrigato

JEDER STIRBT, wenn´s drauf ankommt, FÜR SICH ALLEIN

Nadine Zeintl (Eva Andrássy), Ensemble © Roland Ferrigato

Nadine Zeintl (Eva Andrássy), Ensemble © Roland Ferrigato

Ein Totentanz des Widerstandes gegen unfassbare Verblendung

Die Jazzcombo bleibt unsichtbar im Hintergrund. Aber ohne den Swing der fünf Musiker wäre dieser Stoff in seiner Düsternis noch schwerer zu ertragen als er ohnehin von Hans Fallada seinerzeit, 1947, als explodierende Reaktion auf den Nazi-Wahnsinn in Romanform aufgeschrieben wurde. Gleich geblieben ist der Titel „Jeder stirbt für sich allein“, wobei er nicht ganz korrekt ist, denn mit der tapferen Trudel (Paula Nocker) ist auch deren Kind im Mutterleib dem Tod geweiht. Ihr Verlobter Franz Quangel (Tobias Reinthaller) ist in Frankreich für Reich und Führer den Heldentod gestorben, kurz, er ist gefallen. Dessen Vater, ein biederer, wenngleich wortkarger Arbeiter in einer Tischlerei, erklärt auf seine stille Weise dem System den Krieg. Mit von ihm und seiner Frau Anna (Susa Meyer) vielerorts hinterlegten Postkarten, auf denen in kurzen Worten die Wahrheit steht, erregt er Unruhe bis in höchste Kreise. Otto Quangel (Michael Dangl) wird zum Klabautermann erklärt, dem die SS unter der Leitung von Obergruppenführer Prall (Robert Joseph Bartl) mithilfe des Kommissars Eschereich (Raphael von Bargen) auf den Fersen ist. Es entwickelt sich ein Spinnennetz aus Verdächtigungen, in dem sich der kleine Ganove Enno Kluge (Claudius von Stolzmann) verfängt und einem grausamen Verhör nur durch Selbstmord entgehen kann. Das freundliche jüdische Ehepaar Rosenthal (Siegfried Walther, Elfriede Schüsseleder) ist hier lediglich eine tragische Begleiterscheinung in diesem für uns Heutige nicht mehr nachvollziehbaren Reigen des Todes.

Michael Dangl (Otto Quangel), Susa Meyer (Anna Qunagel) © Roland Ferrigato

Michael Dangl (Otto Quangel), Susa Meyer (Anna Qunagel) © Roland Ferrigato

Oliver Rosskopf (Erwin Toll), Martin Niedermair (Max Harteisen) © Roland Ferrigato

Oliver Rosskopf (Erwin Toll), Martin Niedermair (Max Harteisen) © Roland Ferrigato

Die Besetzungsliste für diese Bühnenbearbeitung, im Programmheft als Libretto (von Susanne Lütje und Anne X. Weber) bezeichnet, ist lang und bis in die Nebenrollen prominent besetzt. Damit entsteht unter der Regie von Josef E. Köpplinger ein packender Abend, der mit seiner Spannung bis zum letzten Moment den Atem anhalten lässt. Das Publikum wird mit exakten Ansagen des jeweiligen Datums in der Zeit gehalten und darf sich an pointierten Texten wacker gesungener Lieder dieses „musikalischen Schauspiels“ entspannen. Die Ausstattung entspricht mit dem dunklen Grau von Betonblöcken dem Inhalt und wird mit ein paar Änderung der Requisiten zum Innenhof, zur Küche, der Bar Paprika oder zum Büro. An diesen an sich banalen Schauplätzen tragen sich die entscheidenden Ereignisse zu. Dort werden die Postkarten geschrieben, es wird unerlaubt Baccara gespielt, dort finden Treffen der Widerstandszelle statt, der Freund wird vernadert, der Schwangeren die Leben aus dem Bauch getreten und der Kommissar von seinem Vorgesetzten unter Druck gesetzt, ein falsches Geständnis vorzulegen. Den einzigen Ausweg aus diesem komplexen Dilemma schien damals tatsächlich nur der Tod gewiesen haben, nicht nur für alle diejenigen, die nicht mit der Meute geheult haben. Er war als eine Art Gerechtigkeit schlussendlich auch für viele der Schuldigen die letzte Ausflucht, als 1945 mit einem Schlag für sie das böse Erwachen eingesetzt hat.

Der Wald, Ensemble © Moritz Schell

Der Wald, Ensemble © Moritz Schell

DER WALD Adelig und reich contra arm und schlau

Andrea Jonasson, Claudius von Stolzmann © Moritz Schell

Andrea Jonasson, Claudius von Stolzmann © Moritz Schell

Eine Komödie für die Doppelconférence zwischen Komiker und Tragöden

Kann man irgend wem trauen? Nicht einmal im Wald darf man sich auf die Bäume verlassen. Zu leicht kann ein Ast herunter- und einen direkt auf den Kopf fallen. Auch als Vermögensanlage ist er unsicher, obwohl die in die Jahre gekommene Witwe Raissa Pawlowna Gurmyschskaja (Andrea Jonasson) sehr viel davon besitzt. Um zu Bargeld zu kommen, muss sie jedoch laufend verkaufen und wird damit das Opfer des gierigen und durchtriebenen Holzhändlers Iwan Petrow Wosmibratow (Marcello De Nardo). Seinen Tricks, mit denen er die zwar adeligen, aber dümmlichen Gutsbesitzer hereinlegt, ist sie nicht gewachsen. Die Umstände bringen es aber mit sich, dass ihre Nichte Axinja Danilowna, kurz Axjuschka (Johanna Mahaffy), in Pjotr (Tobias Reinthaller), den Sohn dieses Beutelschneiders verliebt ist. Den ihr gedachten standesgemäßen Bräutigam Alexej Sergejewitsch Bulanow (Claudius von Stolzmann), einen Schulabbrecher und auch sonst recht naiven Jüngling, krallt sich die Tante in einer überraschenden Aufwallung sinnlicher Leidenschaft. Um ihn als Gatten präsentieren zu können, braucht es noble Besucher wie Jewgenij Apollonytsch Milonow (Michael König) und den Kavallerieoffizier a.D. Uar Kirilytsch Bodajew (Robert Joseph Bartl), dazu einen bärtigen Diener namens Karp (Einspringer Till Firit) und die servile Hausdame Ulita (Einspringerin Alexandra Krismer).

Andrea Jonasson, Ensemble © Moritz Schell

Andrea Jonasson, Ensemble © Moritz Schell

Robet Meyer, Herbert Föttinger, Johanna Mahaffy © Moritz Schell

Robet Meyer, Herbert Föttinger, Johanna Mahaffy © Moritz Schell

Die Komödie „Der Wald“ von Alexander Ostrowskij wäre aber nichts als eine aus der Zeit gefallene Abrechnung mit dem russischen Gesellschaftssystem des 19. Jahrhunderts und eine Reihe unaussprechlicher Namen, gäbe es nicht die beiden Provinzschauspieler.

Der eine, Gennadij Nestschastliwzew (auf Deutsch: der Unglückliche), ist Tragöde und nebenbei Neffe von Raissa, von der Tante auserkoren, deren Universalerbe zu werden. Sein Kumpan Arkadij Stschastliwzew (der Glückliche) ist Komiker, im Moment ebenfalls ohne Engagement. Herbert Föttinger und Robert Meyer werden zum unvergleichlichen Duo, das dieses Stück neben den durchwegs großartigen Leistungen des übrigen Ensembles trägt. Anspielungen auf bestehende und abgelaufene Direktorenschaft sind nur Gags am Rande, sie werfen einander Pointen zu wie die anderen die Rubelscheine. Was Föttinger der verlogenen Partie mit mächtigem Pathos ins Stammbuch schreibt, haben bereits Shakespeare oder Schiller formuliert. Meyer genießt hingegen lieber Rahm mit u (Rum) und die erotische Bereitschaft der Haushälterin. Regisseur Stephan Müller hat den geistreichen Spaß in eine praktisch wandelbare Ausstattung (Sophie Lux) gesetzt, die Darsteller dürfen frisch und fröhlich die Hetz übertreiben und das Publikum mit begeistertem Applaus und Bravorufen diesem kurzweiligen Theater im Theater danken.

Herbet Föttinger, Robert Meyer © Moritz Schell

Herbet Föttinger, Robert Meyer © Moritz Schell

Theater in der Josefstaddt Logo 300
Foto © Theater in der Josefstadt

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