Kultur und Weindas beschauliche MagazinBAD REGINA Einst mondäner Kurort, verkommen zum Lost Place
Hinter dem Titel BAD REGINA (erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch) verbirgt sich nicht allzu dramatisch versteckt Bad Gastein, nach wie vor ein Treffpunkt Gesundheitssuchender, der allerdings auch schon bessere Tage gesehen hat. Bei Schalko ist es jedoch längst ein Lost Place, dessen Hotels (angehende) Ruinen sind, zwischen denen ein Haufen von einheimischen Freaks & Monsters sein Unwesen treibt. Ausgespart sind die Gäste. Es gibt sie nicht mehr. Sie würden das degenerative Geschehen durch fröhliche Unbefangenheit lediglich stören.
Protagonist ist Othmar, ein im Bierrausch abgestumpfter Spitzbauch, der zwischen toten Gegenständen wie einem kaputten Kühlschrank, einer nicht funktionierenden Waschmaschine und einem stummen Handy einen seit Jahren im Wachkoma sitzenden DJ namens Alpha zu pflegen versucht und sich einmal pro Woche mit der aus einer Kommune entkommenen glatzköpfigen, weil krebskranken Freundin am Sex versucht. Chef der Gemeinde ist ein überzeugter Nazi mit dem beinahe schon pathologischen Hang eines Regionalpolitikers, bei allen beliebt zu sein. Der Wirt nennt sein Lokal Luziwuzi nach dem schrägen Bruder von Kaiser Franz Joseph, um klarzustellen, welche Post in diesem Wirtshaus abgeht. An seinen Schnäpsen säuft sich ein von einem Lehrlingsprogramm dorthin verschlagener Asylant aus Syrien langsam aber sicher zu Tode. Der höchst emphatische Dorfpolizist ist verliebt in Petzi, der aus Peter gewordenen Petra, während die Schuldirektorin von einem ihrer Schüler ein Kind abgefangen hat und dieses in einer Ehe mit dem lethargischen Bahnhofsvorstand aufzieht. Der Kleine ist nun der letzte nicht erwachsene Mensch im Ort und fadisiert sich auf dem verlassenen Spielplatz. Die Aufzählung der bizarren Besetzung ließe sich noch um einiges weiterführen, z. B. vom Hotelier mit Thomas Bernhard-Lederhose und –Sprüchen über die mit dem Todesgriff vertraute Masseuse bis zum schönen Pfarrer, einem ehemaligen, wegen Mord verurteilten Häftling, wäre da nicht Chen, ein Chinese. Er ist drauf und dran, mit asiatischer Ruhe auch den letzten Bewohnern ihre Häuser für wahrlich gutes Geld abzukaufen. Wer warum hinter diesen nicht immer rationalen Realitätendeals steckt, erfährt man erst ganz am Schluss. Bis dahin geht es witzig, makaber, aber auch über lange, lange Strecken sehr poetisch literarisch durch Bad Regina, dessen Wasserfall unbeeindruckt von einstiger Größe und derzeitigem Verfall ohrenbetäubend zwischen abgebröckelten Fassaden und menschlicher Unzulänglichkeit in den Abgrund rauscht. Statstik |