Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


PRÜGELBROT STATT GEISTERSPUK Stift Klosterneuburg zum Weitererzählen

Wissenswertes aus gut 900 Jahren in 50 Geschichten

Holler ist nicht immer Holler! Wenn in mittelalterlichen Quellen davon die Rede ist – natürlich in Latein, und dann heißt es „Sambucus“ –, ist damit ein prächtiger Kerzenleuchter gemeint, mit sieben Armen aus Bronze und im Inneren aus Holz. Agnes, die Ehefrau von Leopold III., könnte das Prunkstück dem eben gegründeten Stift Klosterneuburg vermacht haben. Der hölzerne Kern gab ihm seinen Namen. Es wäre aber zu schön gewesen, wenn dieser tatsächlich aus dem berühmten Holunderbusch, an dem sich ihr Hochzeitsschleier verfangen hatte, geschnitzt wäre. Wie auch immer, aber die Wissenschaft nahm der Legende ihren Reiz und stellte fest, dass das Holz aus dem 17. Jahrhundert stammt. Leider wird in dem kurzen Abriss nicht darauf eingegangen, wie es zu diesem Holztausch gekommen sein könnte. Es wäre auch zu wenig Platz dafür gewesen.

Prügelbrot statt Geisterspuk Cover 900

Für jede der 50 Geschichten, die in „Prügelbrot statt Geisterspuk“ flott leserlich durch die Historie des Augustiner Chorherren Stiftes Klosterneuburg führen, sind jeweils zwei Seiten vorgesehen. Links fängt ein Foto den Blick, rechts ist der Text, zuerst in Deutsch, darunter in Englisch mit dem Blick auf die zahlreichen internationalen Besucher, die in besseren Zeiten als jetzt in erfreulichen Scharen nach Klosterneuburg strömen.

 

Für die Schriftleitung verantwortlich zeichnet Martin Haldrich, erreichbar über die Bibliothek des Stiftes. Mit einer Reihe junger Mitarbeiter, durchwegs Geisteswissenschaftler, wurden Handschriften, Dokumente und andere historische Quellen durchforstet, sogenannte Hausnarrative überprüft und nach sorgfältiger Recherche unter dem Motto „Ein Ort. Tausend Geschichten (One place. A thousand stories)“ auf 50 Beiträge und das praktische Format eines Vademecum eingekocht. Damit lässt sich dieses Büchlein leicht beim nächsten Besuch im Stift Klosterneuburg mitführen.

Bei der dennoch unerlässlichen Führung durch das Haus wird man auf einiges stoßen, was man dank vorhergegangener Lektüre bereits weiß und damit umso besser versteht, z. B. was es mit der Sonnenuhr aus 1579 auf sich hat. Für die bibliophilen Gäste gibt es unter dem Titel „Vom Codex zum Code“ überdies eine Einladung, sich zuhause im reichen Bücherschatz, vor allem unter Handschriften umzusehen. Sie wurden Seite für Seite fotografiert und stehen nun online dem Interessierten zur Verfügung.

Kloserneuburg zwischen Weingärten

Aber ohne ein Glas Wein wäre Stift Klosterneuburg nicht vollständig. Als ältestes Weingut Österreichs ist es natürlich auch ein Hort des Weinwissens. Wie kommt es zum Begriff „Stifterl“? Wer hat die Reblaus aus Übersee ins Land gebracht und welche Bewandtnis hat es mit der Rebsorte St. Laurent? Wann hat der Wein dem Stift den berühmten Verduner Altar gerettet? All das wird leicht fasslich erklärt und ganz zuletzt sogar die Auflösung für den geheimnisvollen Titel verraten. Nachdem das Stift (bis heute) von Gespenstern gemieden wurde, musste dazu Otto von Graben, ein Sagensammler Anfang des 14. Jahrhunderts, eine eigene Geistergeschichte erfinden. Sie begründete die seltsame Tradition die des Brotprügelns und steht im Zusammenhang mit der erst 1769 abgeschafften Zucht von speziellen Jagdhunden. Das größte Geheimnis stellt für uns Heutige aber die eigentliche Aufgabe des Stiftes dar. Unter „Beruf: Augustiner Chorherr“ werden die Herren vorgestellt, die ihr Leben Gott geweiht haben und seit über 900 Jahren die Seelsorge der Menschen außerhalb der Klostermauern mit persönlicher Hingabe betreiben.

Beeindruckende Dachlandschaft des 900 Jajhre alten Stiftes Klosterneuburg

900 Jahre Stiftsweingut Klosterneuburg und die ältesten Weingüter der Welt

Gedränge im Stiftskeller Klosterneuburg

Erfahrung, Können und Tradition aus vielen Jahrhunderten, versammelt im Stiftskeller

Auch strömender Regen konnte der Feststimmung keinen Abbruch tun. Der unter Weinfreunden mit Spannung erwartete Besuch der ältesten Weingüter der Welt wurde kurzerhand vom Stiftshof Klosterneuburg in den Weinkeller verlegt. Das stimmungsvolle alte Gewölbe, in dem über Jahrhunderte der Wein des Stiftes gelagert wurde, entpuppte schließlich als (fast) idealer Schauplatz, Weingütern aus aller Welt zu begegnen. Trotz eines (für die Veranstalter durchaus erfreulichen) Gedränges hatte der Besucher das Vergnügen, seltene, für die meisten wahrscheinlich noch nie gekostete Tropfen zu probieren.

 

Bevor es aber ans Verkosten geht, ein kurzer Blick in die Geschichte: 900 Jahre sind eine beachtliche Zeit. 1114 gründete Markgraf Leopold III. das Stift Klosterneuburg. Er stiftete ihm gleichzeitig neben Wald und Feldern beste Weingartenlagen. Ein guter Teil davon ist bis heute im Besitz des Stiftes und wird nach wie vor vom eigenen Weingut bewirtschaftet. Klosterneuburg ist somit das älteste Weingut Österreichs; und dass Schöne daran, es zählt auch zu den besten des Landes. Die stolze Reihe an nationalen und internationalen Auszeichnungen spricht für sich.

Champagne GOSSET

Dass sich zum Jubiläum die ältesten Weingüter der Welt einfinden würden, hatte sich schnell herumgesprochen. Wallfahrt zum Wein war also angesagt, in Scharen strömte die fromme Gemeinde aufrechter Weintrinker ins Kloster.

Mit etwas Durchsetzungsvermögen schaffte man es immer wieder zu einer Kostprobe. So erregte gleich beim Eingang der Staatliche Hofkeller Würzburg das Interesse mit den in Franken üblichen Bocksbeuteln. Der Randersackerer Müller-Thurgau aus 2013 war gleich der richtige Einstieg in die Geschmackswelt dieser Weine, sehr elegant, trocken angeschrieben, aber mit deutlicher Restsüße.

Abteikellerei Pannonhalma

Mit dem Alter kommen die Würzburger sehr nahe an das Stift heran. 1128 lautet das Jahr der Schenkungsurkunde zur Gründung eines Klosters. Aber auch sie blickten ehrfurchtsvoll auf die Jahreszahl 1011. Der Alaverdi Monastery Cellar aus Georgien präsentierte den wohl ungewöhnlichsten Wein in dieser Runde der Ältesten.

José Maria da Fonseca

Ihr Saperavi wird ausschließlich aus autochthonen Kakhetien Trauben in Qvevri (Tongefäßen) hergestellt. Ein Geistlicher in orthodoxem Habit hatte den Ausschank übernommen und konnte sich über erstaunt zufriedene Gesichter der Gäste freuen. Der Rotwein zeigte frische Farbe und erstaunlich fruchtige Würze.

 

Gleich daneben wartete China mit der Changyu Pioneer Wine Company. 1892 klingt zwar nicht sonderlich beeindruckend, gehört aber, wie der Name bereits andeutet, einem Pionier des Weines im Reich der Mitte schlechthin. Italien war mit Barone Ricasoli vertreten, dem ältesten Weingut des Stiefels (1141) und dem größten im Gebiet des Chianti Classico (230 ha Weingärten). Rioja-Fans umlagerten Herederos del Marqués de Riscal, Jahrgang 1858. Ähnlich „jung“ ist José Maria da Fonseca aus Portugal (1834). Auch mit Champagner wurde auf das Geburtsfest der Klosterneuburger angestoßen. Champagne Gosset, das älteste Weinhaus der Champagne, bot ausdrucksvolle Champagner wie Excellence brut oder die Grande Reserve brut und zeigte einmal mehr, dass Alter in der Weinwelt alles andere als ein Nachteil ist, sondern viel eher eine unbezahlbare Stärke bedeutet:

Ihre Weine sind durchwegs die Konzentration von Erfahrung, Können und Tradition aus vielen Jahrhunderten.

Fassboden am Eingang zum Stiftskeller

Größtes Weingut –

kleinster (CO2)Fußabdruck

Zwei Weine des Weingutes Stift Klosterneuburg erzählen Geschichte. Zum einen ist es der Chorus. Man kennt die Schleierlegende und weiß von der Schule her vielleicht noch das Gründungsjahr. 1114 veranlasste Markgraf Leopold III., der Heilige, mit der Errichtung eines Augustiner Chorherrenstiftes auch die Gründung des Weingutes. Klosterneuburg wurde mit großen Rieden bestiftet, unter anderem der Stiftsbreite in Tattendorf, einem bekannt guten Platz für Rotweine; in diesem Fall für Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot und St. Laurent, die zusammen dem Chorus seine ernste Größe verleihen.

 

Die Chorherren, zu deren Ehre diese Cuvée benannt ist, waren als Weinerzeuger – natürlich nicht die geistlichen Herren persönlich, wohl schon damals hatten sie dafür großartiges Personal – von der ersten Stunde an offenbar erfolgreich. So wird überliefert, dass bereits bei der Einweihung der Basilika 1136 ausschließlich Wein aus den stiftseigenen Rieden getrunken wurde. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Nicht umsonst ist Klosterneuburg bekannt als das „Stift zum rinnenden Zapfen“.

Die zweite „historische“ Cuvée, ebenfalls aus der Stiftsbreite, ist der Escorial. Er erinnert an ein gigantisches Vorhaben Kaiser Karls VI. Er wollte das Chorherrenstift vor den Toren Wiens zu einer Klosterresidenz, also zu seinem Escorial ausbauen lassen. Mit dem Ableben des Kaisers 1740 geriet das Bauvorhaben jedoch rasch ins Stocken. Verwirklicht wurde lediglich rund ein Viertel der ursprünglichen Pläne. Tatsächlich fertig gestellt wurde nur einer von vier Innenhöfen. Von Weitem zu sehen sind die beiden Kuppeln mit den zwei Kronen als Zeichen für die Herrschaftstitel der Habsburger.

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o.r.: Barocke Fassade...

o.u.l.u.: ...die Kellergewölbe

r.: Dr. Wolfgang Hamm, Leiter des Weingutes

l: Frühling in Klosterneuburg

r.u.: Alt und Neu in der Stifts-Vinothek

r.g.u.: Atlanten in der Sala Terrena

Ein weiteres Erbe aus diesen Tagen ist nur im Rahmen einer beeindruckenden Kellerbegehung zu sehen. Ein Palast in den gedachten Dimensionen benötigt auch einen entsprechenden Unterbau. Anhand der mächtigen Anlagen unter dem barocken, eben dem fertig gestellten Teil, kann man dessen Dimension erahnen.

 

Über den Gärkeller, der in der ehemaligen Kirche eines Frauenstiftes eingerichtet ist, steigt man in die Unterwelt des Stiftes ein. Etage um Etage gelangt man in die Tiefe, vorbei an Reihen von Stahltanks und Holzfässern, die in ihren beachtlichen Ausmaßen die Bezeichnung „Großes Holzfass“ mehr als verdienen, man wird durch hochmoderne Anlagen und blitzsaubere Weinlager geführt. Freilich trifft man auch auf Kellerromantik in Form von wertvollen Fassböden. Sie wurden von geschickten Schnitzern mit launigen Predigten oder Lobsprüchen auf den Stiftswein verziert. So findet sich in einem Relief mit der Hochzeit von Kanaan in aller Bescheidenheit die Transformation des Weinwunders in stiftliche Rieden, wenn der biblische Bräutigam meint: „Kein pessern Wein ich trunken hab, er kommt vom Kahlenberg herab“.

Dr. Wolfgang Hamm, Leiter des Weingutes, übernimmt gern auch persönlich eine Führung, um ganz unten, 36 Meter unter der Erde, direkt unter der Kuppel des Stiftes, auf eines seiner großen Anliegen zu sprechen zu kommen. Er zeigt auf die Lüftungsschlitze im Gemäuer: „Trotz der Tiefe ist die Luft sauber und trocken, dank eines genialen Architekten (Donato Felice d´Allio, Anm.d.Red.). Dieser Meister im Festungsbau hat alle Außenmauern doppelwandig gebaut. Sieben Meter dick außen, einen Lüftungsgang von einem Meter und dann noch einmal drei Meter Mauer.“ Die Lüftungsschlitze sorgen für eine natürliche Klimatisierung des Kellers und des gesamten Klosters. Dr. Hamm darf stolz lächeln: „Es funktioniert seit 300 Jahren ohne Energie und wartungsfrei.“

 

Damit ist diese barocke Einrichtung ein nicht unwesentlicher Beitrag für die Zertifizierung, eigentlich die Auszeichnung des Stiftes als erstes klimaneutrales Weingut Österreichs. Es geht dabei um die möglichste Vermeidung von CO2 Belastung, die bei der Weinerzeugung auftritt. „Konkret bedeutet das“, erklärt Dr. Hamm, „dass wir bei jeder unserer Flaschen Wein die CO2-Last um etwa 1,75 kg.  reduzieren.“ Das sind, um sich davon eine Vorstellung machen zu können, zirka ein Kubikmeter Kohlendioxyd bei einer einzigen Flasche.

 

Dabei wurde versucht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Emissionen der Treibhausgase zu minimieren. Investiert wurde in die Energieeffizienz der Produktion. Die Energieversorgung stammt aus erneuerbaren Ressourcen. Sogar die dienstlichen Flugreisen in Exportmärkte wurden auf ein Minimum reduziert. Es wird eingeräumt, dass es eine Null-Emission nicht gibt, aber „den verbleibenden geringen Rest kompensieren wir durch Investitionen in ein Klimaschutzprojekt.“ Mit dieser Initiative kommen sogar Hühner, ganz normale Hendln, zur Ehre, am Gedeihen der Stiftsweine mitwirken zu dürfen. Sie verbringen glückliche Tage zwischen den Rebzeilen, wo sie hemmungslos kratzen und scharren dürfen und dabei den Boden wunderbar locker und luftig machen.

Darüber hinaus gibt es noch eine lange Reihe von Maßnahmen, mit denen der CO2-Rucksack leichter gemacht werden soll. Besser aufgehoben wäre dieser Geist allerdings in der Flasche, um dort den Sekt zum Perln zu bringen. Allein, wie bringt man das Gas vom Rucksack direkt in die Flasche? Aber was noch nicht ist, kann doch noch werden, gerade an einem wahrlich gesegneten Ort wie Klosterneuburg, wo das größte, das älteste und eines innovativsten Weingüter Österreichs die Möglichkeit hat, mit Institutionen wie beispielsweise der in der Forschung ungemein rührigen Weinbauschule Klosterneuburg eng miteinander verbunden am Fortschritt unseres Weinbaus zu arbeiten.

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