Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Ausstellungsansichten "Biedermeier" © Leopold Museum, Wien, Foto: Leni Deinhardstein

Ausstellungsansicht "Biedermeier" © Leopold Museum, Wien, Foto: Leni Deinhardstein

BIEDERMEIER Kreative Ruhe vor dem Revolutions-Sturm

Johann Peter Krafft, Porträt „Freifrau Josephine Dietrich von Landsee“, Detail

Johann Peter Krafft, „Freifrau Josephine Dietrich von Landsee“, Detail

Eine Ausstellung mit Bildern wie offene Fenster zur Welt im Vormärz

„Biedermeier“ wird gemeinhin als Zeit des Rückzugs ins Private betrachtet. Man misstraute der absolutistischen österreichischen Herrschaft, die jede noch so leise aufmüpfige Regung mit Repressalien verfolgte, und man hatte Angst vor dem von Staatskanzler Clemens Wenzel Lothar von Metternich dicht aufgezogenen Netz von Bespitzelungen, mit dem in der ersten Hälfte des 19. Jh. die sich damals über große Teile Mitteleuropas erstreckende Monarchie überzogen war. Geschützt durch die eigenen vier Wände wurde eine Idylle geschaffen, in der die Kunst als einer der wenigen gangbaren Wege das Außen nach innen holte. Das betraf natürlich nur diejenigen, die es sich leisten konnten. Ein großer Teil der Untertanen verbrachte sein Leben unterhalb dieser Wahrnehmungsschwelle. Sie waren bitter arm, zum Fron verpflichtet in einer rückständig betriebenen Landwirtschaft und Opfer einer Menschen verachtend agierenden Industrialisierung, die wiederum deren Nutznießern, dem Bürgertum, von oben scheinbar unbemerkt, mehr und mehr Selbstbewusstsein verschaffte, bis sich anno 1848 der Wille zur politischen Mitsprache in einer letztlich gescheiterten Revolution Gehör zu schaffen versuchte.

Friedrich Gauermann, Heimkehr vor dem Gewitter, 1845 © Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum

Friedrich Gauermann, Heimkehr vor dem Gewitter, 1845 © Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien

Joseph Rebell, Vesuvausbruch bei Nacht mit Blick auf die Scuola di Virgilio, 1822 © Belvedere, Wien

Joseph Rebell, Vesuvausbruch bei Nacht mit Blick auf die Scuola di Virgilio, 1822 © Belvedere, Foto: Belvedere Wien/Johannes Stoll

Das Biedermeier war also eine Epoche im Aufbruch, eines zwar heimlichen, in seinen Auswirkungen auf längere Frist gesehen aber mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen, die nicht zuletzt zum Ende der Monarchie 1918 führten. Unter diesem Aspekt ist auch die bis 27. Juli 2025 laufende Ausstellung im Leopold Museum angelegt. Kurator Johann Kräftner hat dennoch darauf geachtet, kein politisches Manifest, sondern eine opulente Kunstschau zu Ehren eines einst angeblich real existierenden Herrn Weiland Gottlieb Biedermeier zu gestalten. Zwischen 1855 und 1857 haben Adolf Kussmaul und Ludwig Eichrodt im Münchener Satiremagazin „Fliegende Blätter“ im Namen dieses schwäbischen Dichters parodistische Gedichte geschrieben und damit einer ganzen Epoche nachträglich die so wunderbar passende Bezeichnung geschenkt.

Ernst Christian Moser, Bildnis der Mutter des Künstlers, 1859 © Neue Galerie Graz am Universalmuseum

Ernst Christian Moser, Bildnis der Mutter des Künstlers, 1859 © Neue Galerie Graz am Universalmuseum Joanneum, Foto: Universalmuseum Joanneum/Lackner

Peter Fendi, Die Familienversammlung des österreichischen Kaiserhauses im Herbst 1834

Peter Fendi, Die Familienversammlung des österreichi. Kaiserhauses im Herbst 1834, 1835 © Schloss Artstetten, Foto: Atelier Kräftner

Der Rundgang durch das Biedermeier ähnelt der Art und Weise, wie seinerzeit die Welt betrachtet wurde. Man bewegt sich im trauten Dämmerlicht der Säle, an deren Wänden die perfekt beleuchteten Bilder wie Fenster zum Blick nach draußen einladen. Sie bieten dem Publikum von heute über das damals noch befestigte Wien hinaus eine Reise durch die Kronländer und weiter in den geheimnisvollen Orient oder nach Brasilien. So hat Thomas Ender von einer 1817/1818 durchgeführten Expedition in die Neue Welt über 1000 Aquarellskizzen mitgebracht, um den Daheimgebliebenen einen Eindruck von exotischer Ferne zu vermitteln.

Reiselustig war auch der Salzburger Hubert Sattler, der mit großformatigen Veduten von Konstantinopel, Kairo oder New York für maßloses Staunen gesorgt hat. Kollegen wie Ferdinand Georg Waldmüller oder Friedrich Gauermann begnügten sich mit der näheren Umgebung, die sie in bekannt grandioser Manier auf ihren Gemälden verewigt haben. Wie Mailand noch bei Öst´reich war, fand Meister Francesco Hayez in Wien derartige Bewunderung, dass er von Friedrich von Amerling gemalt wurde. War das betuchte Bürgertum vom Hinausschauen gesättigt, wurde ein Porträt der schönen Tochter im modischen Kleid bestellt oder ein Familienbild mit noblem Interieur als Hintergrund. So kommen nicht nur die Mäzene, sondern auch Möbel, Gläser und anderer kunstvoll gestalteter Hausrat zu Ausstellungsehren. Designs dieser Tage waren bis herauf zur Wiener Werkstätte stilbildend. Schließlich wurde damit die ummittelbare Umgebung wohnlich ausgestattet, um zumindest nach außen hin den Anschein zu erwecken, so bieder zu sein wie es von der Obrigkeit erwartet wurde.

Ferdinand Georg Waldmüller, Heimkehrende Mutter mit Kindern, 1863 © Leopold Museum, Wien

Ferdinand Georg Waldmüller, Heimkehrende Mutter mit Kindern, 1863 © Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien

Ausstellungsansicht "Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre: 1914–1918" © Leopold Museum

Ausstellungsansicht "Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre: 1914–1918" © Leopold Museum, Wien, Foto: Leni Deinhardstein

ZEITEN DES UMBRUCHS Egon Schieles letzte Jahre: 1914-1918

Egon Schiele, Liegender weiblicher Akt mit langem Haar, 1918 © Leopold Museum, Wien

Egon Schiele, Weiblicher Akt © Leopold Museum, Wien

Die „Entschwebung“ des Künstlerblicks von sich auf eine ihn umgebende Welt

Lächerliche zehn Jahre waren ihm für sein Schaffen vergönnt. Die letzten vier davon waren geprägt von einem Weltkrieg, der auch ihn als Soldat missbrauchte, dazu kamen private Veränderungen wie die Heirat mit einer bürgerlichen Frau und familiäre Eindrücke wie das ihn seltsamerweise irritierende moralische Verhalten seiner Schwester. Just als sich der Erfolg abzuzeichnen begann und Pläne für die weitere künstlerische Entwicklung Gestalt annahmen, brach eine alles zerstörende Pandemie über die Welt herein. Am 31. Oktober 1918 verstarb Egon Schiele an den Folgen der Spanischen Grippe. Wenige Tage davor entstand eine der berührendsten Zeichnungen. Sie zeigt seine Frau Edith auf dem Totenbett und damit den Schmerz des Künstlers, der ihr kurz darauf gefolgt ist.

Egon Schiele, Entschwebung (Die Blinden II), 1915 © Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien
Egon Schiele, Zerfallende Mühle (Bergmühle), 1916 © Landessammlungen Niederösterreich

o.: Egon Schiele, Zerfallende Mühle (Bergmühle), 1916 © Landessammlungen Niederösterreich, Inv. Nr. KS-2043, Foto: Landessammlungen NÖ

l.: Egon Schiele, Entschwebung (Die Blinden II), 1915 © Leopold Museum, Wien

 

Dieses melancholische Werk beschließt mit Schieles Totenmaske und dem Künstler am Totenbett, aufgenommen von der Fotografin Martha Fein, die umfangreiche Ausstellung „Zeiten des Umbruchs, Egon Schieles letzte Jahre: 191-1918“ (bis 13. Juli 2025). Es bedarf eines aufmerksamen Hinschauens und einer eingehenden Lektüre der Saaltexte, um die Unterschiede zu Schieles früheren Werken zu entdecken. Hilfreich dabei ist der Hinweis von Kuratorin Kerstin Jesse, die den Beginn des entscheidenden Wandels aus dem Gemälde „Entschwebung (Die Blinden)“ von 1915 deutet.

Es handelt sich bei der geheimnisvollen Darstellung  um zwei Selbstbildnisse, von denen das eine nach oben schwebt, während die zweite Figur mit den Füßen wie geerdet am Boden steht. Es lassen sich bereits Ansätze einer beruhigten, fließenden und organischen Strichführung erfühlen. Vermehrt entstanden auf diese Weise Arbeiten mit Paarmotiven, auch mit seiner Frau Edith, die sich allerdings als Modell für die zahlreichen hocherotischen Darstellungen von Liebesspielen und Akten verschloss. Das Militär nimmt mit Porträts vom Soldaten Schiele selbst, seinen Kameraden und von ihm bewachten russischen Gefangenen beachtlichen Raum in seinem Œuvre ein, gipfelt aber dennoch in einem hochexpressiven (friedenszeitlich anmutenden) Gemälde, auf dem eine „Zerfallene Mühle (Bergmühle)“ beim Ort seiner Stationierung nahe Wieselburg als Lost Place zum Abenteuer einlädt. Eingefügt in die grandiose Werkschau sind Archivalien und Fotos, die eine Wanderung durch dieses „Spätwerk“ eines viel zu früh aus dem Schaffen Gerissenen mit persönlichen Details und einer Menge Wissenswertem begleiten.

Egon Schiele, Baby (Anton Peschka jun.), 1915 © The Kallir Family Foundation, New York City

Egon Schiele, Baby (Anton Peschka jun.), 1915 © The Kallir Family Foundation, New York City, Foto: Image courtesy Kallir Research Institute, New York City

Leopold Museum Logo 300

Statistik