Kultur und Wein

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Poesie des Ornaments. Das Backhausenarchiv, Ausstellungsansicht

Poesie des Ornaments. Das Backhausenarchiv, Ausstellungsansicht

POESIE DES ORNAMENTS Von der Bedeutung des Backhausenarchivs

Poesie des Ornaments. Das Backhausenarchiv, Ausstellungsansicht

Poesie des Ornaments. Das Backhausenarchiv, Ausstellungsansicht

Eine Reise durch Wiens textiles Kunstschaffen um 1900

In Juni 2023 schloss die Firma Backhausen endgültig ihre Tore. Dank des leidenschaftlichen Einsatzes der rührigen Geschäftsfrau Dr. Louise Kiesling hatte das 2012 in die Insolvenz geschlitterte Unternehmen noch einige Jahre an seinem letzten Standort in Hoheneich überlebt, bis zum unerwarteten Ableben seiner Retterin 2022. Kiesling hatte den Traditionsbetrieb von der sechsten und siebten Generation der Gründerfamilie übernommen, nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung, die seit seiner Gründung 1849 (Brüder Karl & Johann Backhausen) mit dem weit über ein Jahrhundert andauernden wirtschaftlichen Aufstieg verbunden war. Es begann mit der Produktion von Mode- und Westenstoffen in hoher Qualität und steigerte bald die Bekanntheit der Firma bis zu internationaler Reputation bei den Weltausstellungen in London (1851) und Paris (1855). 1871 wurde die Produktion nach Hoheneich verlegt und in der kleinen Ortschaft im Waldviertel für die Beschäftigten eine eigene Backhausenkolonie angelegt. In der Kaiserstadt wurden die Aufträge übernommen, so die Ausstattung des Rathauses und des Burgtheaters; mit dem Erfolg „allerhöchster Zufriedenheit“ und dem Titel k. k. Hoflieferant.

Ver Sacrum. Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Sammelband des Jahres 1898
JOSEF HOFFMANN (Entwurf), Dess. 6412, 1907 © Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Louise Kiesling

o.: JOSEF HOFFMANN (Entwurf), Dess. 6412, 1907 © Backhausen-Archiv, Foto: Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum

l.: Ver Sacrum. Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Sammelband des Jahres 1898 © Leopold Museum, Wien | Foto: Leopold Museum, Wien

Eine neue Ära setzte um die Jahrhundertwende ein. Secession und Jugendstil schufen eine neue Ausrichtung der Kunst, deren Formensprache auch bei Backhausen mutig Eingang fand. Größen wie Otto Wagner, Josef Hoffmann und Kolo Moser kamen mit Backhausen in Kontakt und entdeckten in der fortschrittlich aufgestellten Firma eine Möglichkeit, ihre avantgardistischen Ideen umsetzen zu lassen. Sie lieferten die Entwürfe für Möbelbezüge, Vorhänge, Teppiche bis zum Prachtband der Publikation Ver Sacrum, die von so bezeichneten Dessinateuren für die mechanische Ausführung vorbereitet und dann in entsprechender Güte gewebt wurden. Die Kooperation mit der Wiener Werkstätte war nichts als eine logische Folge. Im Raum stand das Gesamtkunstwerk, das beispielsweise im Sanatorium Purkersdorf, im Palais Stoclet in Brüssel oder in der Villa Skywa-Primavesi verwirklicht werden sollte.

Koloman Moser, Design 3742, 1899, Druck auf Papier

Koloman Moser, Design 3742, 1899, Druck auf Papier

Backhausen ist damit aus der Wiener Moderne nicht wegzudenken und trug nicht unwesentlich dazu bei, dass eine der ältesten Kulturtechniken wie das Weben zu den „höheren“ Künsten, beispielsweise der Malerei oder der Bildhauerei, aufstieg. In der Ausstellung „Poesie des Ornaments. Das Backhausenarchiv“ (bis 9. März 2025) zeigt das Leopold Museum nun von Kuratorin Aline Marion Steinwender ausgewählte erlesene Prachtstücke aus dem als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellten Bestand. Eine übersichtliche Timeline ermöglicht einen systematisch geordneten Schaugenuss an genialen Skizzen, bunten Mustern oder einer fertigen Decke in der von Backhausen patentierten Chenille-Technik. Erklärt werden auch die einzelnen Produktionsschritte vom Entwurf über Muster bis zur Anwendung. Historische Schwarz-Weißaufnahmen im Großformat lassen eine Ahnung davon aufkommen, wie außergewöhnliche Interieurs aus der Vielfalt der Motive und dem Zusammenwirken von Raum, Dekor und Einrichtung auf die in diese kunstvoll gestaltete Umgebung Eintretenden gewirkt haben müssen.

AUSSTELLUNGSANSICHT "Rudolf Wacker. Magie und Abgründe der Wirklichkeit"

AUSSTELLUNGSANSICHT "Rudolf Wacker. Magie und Abgründe der Wirklichkeit"

RUDOLF WACKER Der skeptische Blick auf den Betrachter

RUDOLF WACKER, Schäfchen und Puppe, 1934 © Sammlung Oesterreichische Nationalbank

Rudolf Wacker, Schäfchen und Puppe, 1934 © Oesterreichische Nationalbank/Graphisches Atelier Neumann

Eine umfassende Retrospektive entführt in „Magie und Abgründe der Wirklichkeit“.

Dass er Künstler werden will, dessen war sich Rudolf Wacker (1893-1939) bereits früh gewiss. Nach einer kurzen Lehrzeit an der k. k. Fachschule für gewerbliches Zeichnen in Bregenz begibt sich der Vorarlberger 1910 nach Wien. Die Akademie der bildenden Künste bleibt ihm jedoch auch nach einem zweiten Versuch verschlossen. Nach einem Zwischenspiel in einer privaten Zeichen- und Malschule wendet sich Wacker 1911 nach Weimar, um an der Großherzoglichen Sächsischen Hochschule bei Albin Egger-Lienz, dem in Wien die Professur verweigert worden war, zu studieren. Die Einberufung im Ersten Weltkrieg und eine ab 1915 folgende jahrelange russische Gefangenschaft beenden seine Ausbildung. Im Lager der Offiziere begegnet er dem fünf Jahre älteren Juristen Josef Genser. Eine lebenslange Freundschaft verbindet die beiden Männer. Nach seiner Freilassung wird gereist, nach Weimar, Berlin und nach der Heirat 1922 nach Rumänien. Ein mühsamer Aufstieg als Zeichner und ab 1924 als Maler beginnt, stets begleitet von aufschlussreichen Kommentaren in seinem Tagebuch. Aus dem Unbehagen gegenüber dem Nationalsozialismus zieht er sich schließlich in eine „innere Emigration“ mit geheimnisvoll verschlüsselten Botschaften in einer Reihe von Stillleben zurück. Am 19. April 1939 stirbt Rudolf Wacker noch in jungen Jahren an einer Herzerkrankung.

Rudolf Wacker, Stillleben mit Engel, 1933 © Privatsammlung Hessen / Foto: Auktionshaus im Kinsky

Rudolf Wacker, Stillleben mit Engel, 1933 © Privatsammlung Hessen / Foto: Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien

Rudolf Wacker, Kleiner Hafen, 1928 © Foto: Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz

Rudolf Wacker, Kleiner Hafen, 1928 © Foto: Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz

Wohl durch sein Studium in Weimar wird Wacker zu einem Vertreter der „neuen Sachlichkeit“ erklärt. Die Kuratorinnen Laura Feurle und Marianne Hussl-Hörmann sehen in seinem Schaffen jedoch zu Recht eine eigenständige neusachliche Position, die weit in „Magie und Abgründe der Wirklichkeit“, so der Untertitel der bis 16. Februar 2025 laufenden Ausstellung, vordringt. Gewidmet ist sie Elisabeth Leopold (verstorben am 24. August 2024), die mit ihrem Mann Rudolf eine besondere Wertschätzung des Œuvres von Rudolf Wacker verbunden hat. Wackers Credo: „Bilder sollen wie Bücher sein, Zeichnungen mögen als Briefe gelten.“ Man muss sie „umblättern“, die Notizen auf der Rückseite lesen. Unheimliche Puppen mit spastischen Verrenkungen wechseln sich mit „idyllischen“ Landschaften ab. Für seine „Porträts von Gegenständen“ werden naive Kinderzeichnungen in der Art von Trompe-l’œil in nahezu fotorealistischer Darstellung mit beschädigten Skulpturen, Kakteen oder präparierten Tieren zusammen auf der großteils verwendeten Holzunterlage vereint. Sie alle laden mit dem Motiv auf der Vorderseite und der mit rätselhaften Codes beschrifteten Hinterseite bis heute zu spannenden Deutungen ein.

Rudolf Wacler, Zerbrochener Puppenkopf, 1932 © Privatbesitz / Foto: Leopold Museum, Wien

o.: Rudolf Wacler, Zerbrochener Puppenkopf, 1932 © Privatbesitz / Foto: Leopold Museum, Wien

r.: Rudolf Wacker, Naturalistisches Klebebild (Frau Klimesch), 1924 © Privatsammlung, mit freundlicher Genehmigung von Leopold Fine Arts / Foto: Leopold Museum, Wien

Rudolf Wacker, Naturalistisches Klebebild (Frau Klimesch), 1924 © Privatsammlung,

Ein wesentlicher Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens gilt der körperlichen Sinnlichkeit. „‚[D]as Sexuelle ist jene Axe (sic) um die sich alles dreht, ist der Mittelpunkt von dem alles ausgeht und zu dem alles hinführt!‘ [Ich] neige sehr zu dieser ‚sexualistischen Weltanschauung‘“ lautet sein Bekenntnis zu den Frauenakten oder einem erregt hoch aufragenden Phallus. Mit Josef Genser tritt auch dessen Freundin Marie Klimesch in sein Leben, als Modell einer, wie er sie in seinen Tagebüchern bezeichnet, „grotesken, hysterischen älteren Dame“. Sie ist wesentlich älter als die beiden Männer. Glaubt man aber den Bildern, die Wacker von ihr gezeichnet, gemalt und in einem Fall sogar geklebt hat, übte Marie auf ihn eine vibrierend erotische Faszination aus.

Die Anziehung einer begehrenswert vitalen Frau ist an der „verruchten“ Aufmachung der zum Liebesakt auffordernden, nur mit Strümpfen bekleideten Nackten oder den auf dem „Naturalistischen Klebebild“ durch die Bluse keck heraushängenden Brüsten unübersehbar. Ganz anders tritt uns seine Gattin Ilse entgegen. Sie ist der mütterliche Typ, der mit ihm Notzeiten und Niederlagen durchsteht. Beide Frauen zusammen erklären seine Einstellung zum Weiblichen, die noch von einer dominierenden Männlichkeit geprägt ist und für ihn allein künstlerische Kreativität ermöglicht, oder in seinen Worten ausgedrückt: „Der Künstler ist der Mann, das Objekt das Weib, in ihrer Ehe wird das Kind – das Kunstwerk.“ Man könnte widersprechen, unterlässt es aber angesichts seines skeptischen Blicks, der den Betrachter aus seinen Selbstporträts heraus fixiert. Er hat sich immer wieder gezeichnet und gemalt, beim Rasieren mit dem Schaum im Gesicht, mit nachdenklich ans Gesicht gelegten Händen oder schlicht mit einer Zigarette. Rudolf Wacker macht darin kein Hehl aus seiner inneren Zerrissenheit, geplagt von materiellen Sorgen, dem Kampf um den künstlerischen Ausdruck und der Angst vor einer ins Totalitäre abdriftenden Gesellschaft.

Rudolf Wacker, Der Maler (Selbstbildnis), 1924 © Museum Ortner, Wien, courtesy Kunsthandel Giese

Rudolf Wacker, Der Maler (Selbstbildnis), 1924 © Museum Ortner, Wien, courtesy Kunsthandel Giese & Schweiger, Wien / Foto: Alexander Mitterer/Print

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