Kultur und Weindas beschauliche MagazinDIE BESTEN FALSCHESTEN ZITATE Oder was bitte ist Parömiologie?
Hilfreich erwies sich dabei die vergnügliche Beschäftigung mit der Parömiologie, der wissenschaftlichen Erforschung von Sprichwörtern im Zuge der Mitarbeit an zwei großen Wörterbuch-Projekten. Damit träfe auf ihn der beliebte, Konfuzius zugeschriebene Satz „Wähle den Beruf, den du liebst – und du musst keinen Tag in deinem Leben mehr arbeiten“ zu, den er trotz der Freude an seinen Recherchen nicht bestätigen kann; zumal es sich um eine falsche Zuschreibung handelt, da dieser Tipp für ein glückliches Dasein in den Schriften des chinesischen Weisen nie in dieser Form auftaucht.
Mittlerweile konnte Gerald Krieghofer ein ganzes Buch mit Zitaten füllen, die – wie der Untertitel besagt – Einstein, Freud und Pippi Langstrumpf so niemals gesagt haben. Deutlicher wird der Titel selbst: „Die besten falschesten Zitate aller Zeiten“ (Molden). Bei der Lektüre des an sich flott geschriebenen Textes (wenn man es schafft, das gewaltsam aufdringliche Gendern mit : zu akzeptieren) wäre ein gutes Glas Wein eine famose Begleitung. Wer denkt beim ersten Schluck nicht an Johann Wolfgang von Goethe, der gesagt haben soll „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“ Sein „Faust“ wird hemmungslos geplündert und das Götz-Zitat lustvoll in tausend Varianten ungeliebten anderen ins Gesicht geschleudert. Die oben angeführte Sentenz hat ihren Ursprung jedoch in den USA, wo allerdings von Whiskey und dazu vom Liebemachen mit einer hässlichen Frau die Rede ist. Ähnliche Enttäuschungen gibt es bei Mahatma Gandhi, Friedrich Nietzsche, Karl Valentin oder John Lennon. Aber sie alle waren so unheimlich g´scheite Leute, dass ihnen unbesehen jede Weisheit zugetraut wird; und – ganz ehrlich – wer außer Gerald Krieghofer und seinen Lesern weiß schon, dass nicht einmal „Was kränkt, macht krank“ von Hildegard von Bingen gesagt wurde, sondern aus einem Werk des österreichischen Psychiaters Reinhard Haller seinen Weg in die Social Media gefunden hat. DIE WITTGENSTEINS Jüdisches Großbürgertum der Monarchie
Mit dem Tractatus logico-philosophicus hat er der Denkerwelt eine Aufgabe vorgelegt, die kaum jemand zu lösen imstande ist. Dennoch ist dieses Werk ungemein populär, ebenso dessen Autor, der sogar auf das gewaltige Erbe verzichtete, um auf seinem verschlungenen Lebensweg nicht von schnödem Geld abgelenkt zu werden. Karl und Ludwig sind gleichsam die Antipoden einer Familie, die Genies wie den einarmigen Pianisten Paul hervorbrachte und dagegen von Depressionen bis zu Selbstmorden etlicher Mitglieder hart geprüft wurde.
Peter Eigner, Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, erzählt für den Molden Verlag die Chronik der Familie Wittgenstein; bestens recherchiert, damit unglaublich detailliert und dennoch spannend und emotional wie einen der großen Familienromane. Eigner lässt den Leser bereits im Vorwort an seiner Spurensuche teilhaben, wenn er ihn auf das (heute verlassene) Hochreith führt. Auf diesem Sommersitz bei Hohenberg in den Voralpen hat Hermine Wittgenstein in den Jahren 1944 und -45 die „Familienerinnerungen“ aufgeschrieben. Von ihr stammt auch der Satz: „Kein Stein wird auf dem anderen bleiben“, mit dem sie 1938 die Drangsalierungen seitens der Nationalsozialisten voraussagte. Obgleich Stammvater Herz Wittgenstein als Hermann Christian bereits 1839 die protestantische Konfession angenommen hatte und für Familienmitglieder ein Verbot der Heirat mit Juden veranlasst hatte, galten sie 100 Jahre später im „Tausendjährigen Reich“ unverändert als Juden.
Diese traurige Episode ist jedoch nur ein spätes Kapitel in einer großen Familiengeschichte, die von wirtschaftlichem, aber auch kulturellem Einfluss geprägt war. In den zahllosen Wohnsitzen der Familie begegnet man Größen von Musik wie Johannes Brahms und Malern wie Gustav Klimt. Zu dieser Anziehungskraft trug zweifellos ein Kapital bei, das unternehmerischen Ausnahmetalenten wie Hermann oder Carl zu verdanken war. Dabei wird schonungslos offengelegt, wie diese Anhäufung von Banken und Firmen der Hand eines neuen Großbürgertums gelingen konnte. Neben einem dichten Geflecht von wirtschaftlichen Verbindungen und offen formulierter Freunderlwirtschaft war bei den Wittgensteins Kinderreichtum ein wesentliches Indiz. Nach und nach lernt man alle Töchter und Söhne kennen, darf ihre Entwicklung verfolgen und wird so zum unsichtbaren Gast bei einem der nobeln Empfänge oder Zeugen von Unternehmungen, bei denen sich das Wohl und Wehe dieser „unglaublich reichen Familie“ entschieden hat.
Adolf Frohner in seinem Atelieer mit Peter Turrini © Michael Horowitz KUNST AUS ÖSTERREICH oder besser, deren geniale Protagonisten
Wenn er Künstler beschreibt, dann in einer wunderbar verständlichen Form, weitab vom gefürchteten Kuratorendeutsch, das mit einem Auftrieb an unbekannten Fremdwörten und bis zur Unverständlichkeit manieristischer Formulierungen in Katalogbeiträgen und auf Wandtexten in den Museen die Besucher eher abschreckt als informiert. Auch in TV-Dokumentationen oder Bühnenstücken mit biographischem Inhalt muss die Sprache verständlich sein, sonst zappen die Leute in den Programmen weiter oder gehen gar nicht ins Theater hinein, was sich kein vernünftiger Prinzipal leisten kann. Horowitz ist der Verfasser von etlichen derartigen Beiträgen, die von einer breiten Bevölkerungsschicht begeistert angenommen wurden, aber auch von Büchern, die zu anspruchsvollen Themen anregenden Lesestoff mit Illustrationen vom Fotografen Horowitz liefern und damit in die Bestsellerlisten aufgestiegen sind.
feministischen Keramikerin Vally Wieselthier zwar in Unterzahl, für die Entwicklung österreichischer Kunst aber um nichts weniger bedeutend als beispielsweise ein Bruno Gironcoli. Dessen Riesenskulpturen haben am Ende seinen eigenen Körper übernommen. Vor seinem Tod bezeichnet er sich als „Monster, das sich selber kaum mehr auf den Beinen halten kann“.
Der letzte in der Buchstabenreihe ist nicht ein Name mit Z, sondern Erwin Wurm. Der Mann, der das Gurkerl als Selbstporträt gewählt hat, gewinnt sein Publikum mit dem Lächeln, das seine surrealen Erfindungen auslösen. Er versteht es, die Welt entweder zu verbreitern wie im Fat Car oder zu verkleinern, wenn man sich durch sein geschrumpftes Elternhaus zwängen muss. Vor allen anderen in diesem Buch Genannten beherrscht Wurm am besten den Schmäh und das Augenzwinkern, um den von ihm Verarschten sogar Freude zu bereiten. So stellt er den geistlichen Herrn im Stephansdom einen Thermophor, das Symbol für Homosexualität schlechthin, vor die Nase oder lässt enthusiastische Bewunderer eine Minute lang in seltsamen Haltungen verharren, um sie so ernsthaft zur Skulptur zu veredeln. In diesem Sinne scheint nach Lektüre dieses Buches zumindest die eine große Frage geklärt zu sein: Was ist Kunst? Pablo Picasso hat darauf die klare Antwort gegeben: „Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten.“ Wien Pannonie © Wien Museum WIEN Die Biographie einer vielfältigen Stadt
Dabei übersah man geflissentlich, dass es zum guten Ton gehörte, deren Nachkommen auf jede nur mögliche Weise zu drangsalieren. Doch von diesem den Herrschern wie der Bevölkerung immanenten Antisemitismus ist an anderer Stelle ohnehin die Rede. Zu Beginn wird der Leser vorerst in menschenleere Gründe geführt, in eine Zeit, als am Bisamberg das Meer anbrandete und die Donau noch bei Mistelbach vorbei floss. Im Mesolithikum kamen die ersten Menschen, um Steinklingen und Schaber zur Bearbeitung von Mammutfellen im Boden zu hinterlassen. Sachslehner ist diesen archäologischen Spuren penibel nachgegangen und eröffnet uns einen ganz neuen Blick auf die unter unseren Straßen verborgenen Schätze. Dazu zählen auch die Hinterlassenschaften der Römer, die in ihrem Vindobona, das damals bereits das Stadtrecht besaß, mit Kind und Kegel wohl gar nicht so unkommod gelebt haben. Caffeehäuser an der Schlagbrücke in der Leopoldstadt. Kupferstich um 1794 © Wien Museum Punkt für Punkt werden wesentliche Stationen in der Historie der Stadt aufgearbeitet, von der mittelalterlichen Civitas der Babenberger, über ein Konzil, das im 13. Jahrhundert ebenda stattgefunden hat, und vielen weiteren Neuigkeiten auch für einen mit der Geschichte Wiens vertrauten Leser. So war das Bürgermeisteramt unter Umständen lebensbedrohend. Konrad Vorlauf ist es 1408 passiert, dass er wegen einer Revolte gegen die Habsburger hingerichtet wurde. Wien blieb aber aufmüpfig. 1462 wurde die Hofburg belagert und Kaiser Friedrich III. vertrieben. Zu erfahren ist auch, dass die Bettelei eine lange Tradition hat und 1443 mittels einer Bettelordnung in möglichst erträgliche Bahnen gelenkt wurde. In Wien wurde nichts ausgelassen, was irgendwann zur Schande seiner Bürger und Herrschaften beigetragen hat. Sogar Hexen wurden verbrannt, was uns sorgsam geführte Protokolle erzählen. Keuschheitskommissionen wurden eingesetzt, um liederliches Treiben zwischen Männlein und Weiblein zu unterbinden. Die Zensur verbot wiederum zu offenherziges und vor allem kritisches Schreiben freier Geister, die in der Revolution von 1848 bekanntlich den Kürzeren zogen.
Wenn Sachslehner den Wienern einen Hang zu Phäakentum nachsagt, darf allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, dass um 1800 die Armen der Stadt mit der Rumfordsuppe verköstigt wurden, einem einfachen, billigen Gericht – die Zutaten zum Nachkochen sind angegeben. Sehr differenziert wird im Abschnitt über Bürgermeister Karl Lueger berichtet. Als Erbauer der zweiten Wiener Hochquellenwasserleitung und Modernisierer hatte er lange Zeit ein nahezu sakrosanktes Image, das erst mit der Aufarbeitung seines unbändigen Judenhasses entsprechende Kratzer abbekommen hat. Otto Wagners Verdienste um das noch immer existierende einmalige Stadtbild werden ebenso gewürdigt wie der gerne vernachlässigte Kampf der Frauen um Partizipation und Emanzipation, angefangen vom Spätmittelalter, in dem eine Prostituierte ganz einfach ertränkt wurde, bis zum armseligen Dasein von Dienstmädchen, die ihrer Herrschaft mit Leib und Leben ausgeliefert waren.
Im Kapitel Sport darf man den längst vergangenen Leistungen erfolgreicher Fußballer nachweinen, wobei die Fans von Rapid mit einer eingehenden Darstellung des grünweißen Vereines verwöhnt werden. In diesen Jahrzehnten wuchs sich der Wasserkopf nach dem Untergang der Monarchie zum Roten Wien zusammen, um bald darauf durch die Nazizeit zu schlittern und danach rein gewaschen von aller Schuld aus den Ruinen eine Weltstadt aufzubauen. Am Schluss gibt Johannes Sachslehner seinem gewaltigen Werk noch einen persönlichen Wunsch mit auf den Weg: „Eine Stadt mit Herz und Hirn, in der das Leben Platz hat“ – das war Wien in der Vergangenheit und dieser Satz sollte auch für das Wien der Zukunft gelten. SCHENK DAS BUCH Unser aller Otti vom Baby bis zum weisen Alten
Otto Schenk, nicht der Schenk, sondern unser aller Otti, wird darin von seiner absolut privaten Seite gezeigt, muss es sich gefallen lassen, als Pantoffelheld, Phlegmatiker, Misanthrop, ja mehr noch, als Menschenfresser bezeichnet zu werden. Mit dem Resümee: Alle diese scheinbar negativ besetzten Begriffe machen deutlich, was Intendant Hellmuth Matiasek bei der Verleihung des Karl Valentin Ordens in den Worten dieses bayerischen Komikers über ihn gesagt hat: „So ein Mensch, der anderen Menschen gezeigt hat, was ein Mensch ist.“
Sie verfolgen ihn hemmungslos bis in äußerst private Situationen und geben ihm noch einmal Gelegenheit, mit vielen der Weggefährten seines reichen Bühnenlebens gemeinsam aufzutreten. Warum uns ein solches „Familienalbum“ berührt? Weil es über das Streben nach Wirkung die Wahrhaftigkeit widerspiegelt. Sie hat stets das Spiel von Otto Schenk dominiert, auch bei seinem berührenden Auftritt als alter Diener Firs in Tschechows „Der Kirschgarten“ in der Josefstadt. Wenn er in der letzen Szene bemerkt, dass man ihn allein zurückgelassen hat und er sich nach einem leisen „Macht nix!“ zum Sterben hinlegt, dann sind mit Garantie jedem Zuschauer die Tränen im Gesicht gestanden. Zeitgeschichte einmal anders: Karikaturen aus Österreich
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