Kultur und Weindas beschauliche MagazinMEIN NITSCH Die Hommage an den Künstler und Freund
Wenn man bis 31. November 2025 das Nitsch Museum in Mistelbach betritt, irritiert auf den ersten Blick eine seltsam freundlich wirkende Ordnung, wo üblicherweise das kreative Chaos der Werke von Hermann Nitsch regiert. Um es so auszudrücken: Hier ist die von Verehrung getragene Zähmung eines ungestümen Gottsuchers katholischer Prägung durch einen frommen Protestanten in Form einer Ausstellung zu erleben. Es ist die Fortsetzung eines über Jahrzehnte dauernden Dialoges zwischen Künstler und Sammler. Die beiden an sich grundverschiedenen Persönlichkeiten haben in einer tiefen Freundschaft zusammen gefunden, in der der Sammler von der Weisheit des Künstlers profitierte und sie gemeinsam bis zu den größten Fragen unserer Existenz vordrangen. So erinnert sich Karlheinz Essl, dass in einem der vielen Gespräche die Frage auftauchte, was vor der Erschaffung der Welt dagewesen sein könnte. Es musste die absolute Dunkelheit sein, die sich mit Gottes Wort „Es werde Licht!“ in das Strahlen seiner Schöpfung wandelte. Damit setzt auch die von Karlheinz Essl kuratierte Ausstellung „Mein Nitsch“ kraftvoll ein. Auf einer schwarzen Wand ist der Beginn des Johannes Evangeliums zu lesen: „Im Anfang war das Wort“. Wie zur Bestätigung hängt darüber ein weißes Gemälde von Nitsch, eigens gemalt für Agnes Essl und vom Sammlerehepaar als Selbstporträt von Nitsch gedeutet. Die gegenüberliegende Wand beherrscht ein Foto von Nitsch. An den langen Wänden auf beiden Seiten reihen sich 14 Stationen.
NITSCH: das Buch, mächtig wie sein Gesamtkunstwerk
Jeder derartige Einwand geht aber ins Leere, wenn man den Blick auf das umfassende Schaffen von Hermann Nitsch richtet. Er ist der Schöpfer des Gesamtkunstwerks schlechthin, dem genialen Zusammenwirken von Malerei, Musik, Dramatik und Philosophie. Damit verbunden ist die Berührung aller Sinne, von den unbewussten Tiefen der Urängste mit medizinisch blutigen Aktionen über die irritierende Auseinandersetzung mit Messgewändern und Kreuzen bis zum Rausch dionysischer Ekstase im Orgien Mysterien Theater.
Stoff hätte es genug gegeben – und für Hermann Nitsch wäre es die Erfüllung eines offen geäußerten Wunsches gewesen: 1000 als Zeichen der Vollendung.
Man nähert sich dem Phänomen Nitsch in seinen Texten, in den er über den Hang zum Gesamtkunstwerk schreibt, über das Sein an sich nachdenkt und den Aufgabenbereich des Orgien Mysterien Theaters absteckt. Jedes in seinem Werk anklingende Thema wird intensiven Reflexionen unterzogen, so auch das Christentum und der Umgang mit sakralen Gegenständen. Es folgen Manifeste, unter anderem die Blutorgel aus 1962 oder „das lamm“ (1964). Ein umfangreicher Teil lässt den Betrachter die Aktionen des Orgien Mysterien Theaters in aufregenden blutigen Bildern nacherleben. Immer wieder unterteilen Textbeiträge Fotostrecken, zum Beispiel „Die gigantische Symphonie“ von Günter Brus.
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