Kultur und Weindas beschauliche MagazinROSENKAVALIER eingeholt von der Moral der Gegenwart
Dass die verheiratete Feldmarschallin ganz ungeniert einem adoleszenten Lover die Ohren schlackern lässt, daran hat sich auch der strengste Apostel gewöhnt. War weder damals, noch ist es heute etwas Besonderes. Aber dieser Baron Ochs von Lerchenau, der hinter jedem Rockzipfel her ist und sogar den Polterabend mit einem neuen Aufriss feiern möchte, der hat es verdient, als Lüstling durch den Fleischwolf gedreht zu werden. Vor mehr als 110 Jahren, exakt am 26. Jänner 1911, als im Königlichen Opernhaus in Dresden die Uraufführung dieses Geniestreichs von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss über die Bühne gehen sollte, hatte der Intendant Bedenken, derlei (wienerische) Zügellosigkeit eines Adeligen dem Dresdner Hof zumuten zu können. Die Streichungen sind Geschichte. Die Oper hat längst ihren Siegeszug durch die Häuser der Welt angetreten. Man amüsiert sich und schunkelt heimlich zu den Walzern, ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass Hofmannsthal damit Kritik an den zügellosen Umständen seiner Zeit anbringen wollte.
Nicht so im Rodauner Theatersommer! Intendant Marcus Marschalek hat mit Bettina Schimak aus dem Opernlibretto ein ganz neues Sprechstück kreiert. In zwei Ebenen spiegeln sich Operngestalten und reale Personen wider. Eine Filmproduktion soll den Rosenkavalier, unterlegt mit einigen wenigen Takten aus der Musik von Richard Strauss (bearbeitet von Ulrich Dallinger), in die Kinos bringen; starring Johanna Hoblik (Marschallin) und Katharina Hauer (Octavian). Erfunden wurde dafür ein Dinosaurier von Regisseur, denn einen Typen wie Otto Lercher, überzeugend widerlich umgesetzt von Roland Stumpf, wird man heute nur schwerlich mehr finden.
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