Wie jedes Kürzel haben auch die vier Buchstaben S.P.Q.R. verschiedenste Interpretationen erfahren, besser gesagt, sie waren stets das aufgelegte Material für Witzchen wie „Sono Pazzi Questi Romani“, frei nach Obelix „Die spinnen, die Römer!“ Seit unseren Schultagen wissen wir jedoch, dass sich dahinter das selbstbewusste Senatus Populusque Romanus („Senat und Volk von Rom“) verbirgt. Es findet sich am Kanaldeckel gerade so gut wie auf den Mistkübeln, auf den Portalen aus Caesars Zeit und an den versprayten Abgängen zur U-Bahn. S.P.Q.R. ist eine der Konstanten, die den Titel Ewige Stadt für Rom nach wie vor rechtfertigen.
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Panorama: Ponte Vittorio Emanuele II und Vatikan
l.o.: Marienstatue auf der Piazza S. Maria Maggiore
l.u.: Abendstimmung an der Via del Fori Imperiali
r.o.: Ponte Vittorio Emanuele II und Engelsburg
r.u.: Kolosseum bei Nacht
Leiste: S.P.Q.R. am Mistkübel u. Kanaldeckel
Leider ist Rom aber auch die Gegenwart nicht erspart geblieben. Es ist gar nicht notwendig, die Wirtschaftsnachrichten aufmerksam zu verfolgen; dass die weltweite Wirtschaftskrise an Rom nicht vorbeigegangen ist, ist keine Neuigkeit. Die Hauptstadt Italiens scheint vielmehr stärker getroffen worden zu sein als viele andere Metropolen Europas. Wer daran Schuld trägt? Darauf mag sich jeder seinen Reim selber machen. Tatsache ist aber: Dieses Kraftzentrum unserer westlichen Kultur und Denkart beginnt in jüngster Zeit deutlich sichtbare Schwächen zu zeigen. Falten, die das Gesicht einer immer Jungen zerfurchen, sind nicht zu übersehen.
Wo vor zehn Jahren noch das Kleingewerbe pulsiert hat, bleiben die Rollbalken geschlossen. Statt der freundlich eleganten Römer, die in noblen Läden herrlich duftende Gewürzmischungen angeboten haben, neben unendlich vielen Sorten von Salami und Käse, gediegenes Kunsthandwerk für den qualitätsbewussten Gast oder einfach nur erschwingliche Mode, gibt es vielfach nur mehr Straßenhändler. Sie treten allerdings in erschreckend großer Zahl auf und scheinen nicht viel länger in Rom zu sein als der Tourist, dem sie allerorts aufdringlich gefälschte Markentaschen, Pashmina Schals oder erforderlichenfalls Regenschirme anzudrehen versuchen
„Sapete Più o meno Quanto Rubiamo? – Rubiamo Quanto Possiamo Senza parole“ (deutsch: „Wisst ihr ungefähr, wie viel wir klauen? – Wir klauen so viel wir nur können, ohne etwas zu sagen“) ist eine weitere ironische Deutung von S.P.Q.R. – und selbstverständlich eine böse Verallgemeinerung. Die Römer sind keine Diebe! Sie sind vielmehr diejenigen, die den sorglosen Besucher davor warnen, zum Beispiel vor den Ragazzi, die in den Mezzi pubblici, den Öffis, ihrem Geschäft nachgehen. Raffiniert drängen sich diese zwischen die Einsteigenden, und ehe man zum Denken kommt, ist die Geldbörse entwendet und die Waggontür zwischen Dieb und Bestohlenem geschlossen.
Nicht so weit davon entfernt wird in manchen Restaurants agiert. Man bestellt ein paar lächerliche Kleinigkeiten und bekommt eine ernsthaft große Rechnung präsentiert. Bereits die Befolgung der freundlichen Aufforderung Si accomodi! kostet Geld. Hinsetzen ist ein teurer Spaß. Ein Coperto, bestehend aus Besteck und Serviette, hat ebenso seinen Preis wie der würdevoll gealterte Pane, der selbstverständlich extra verrechnet wird. Während ein verbratenes, aber sauteures Fischlein armselig auf dem eigenen Teller vereinsamt, beobachtet man neidvoll den Tisch nebenan. Dort nehmen Römer eine kleine Cena (Abendessen) zu sich. Die Tische biegen sich – und keiner der lustvoll Essenden erscheint darob zu verarmen.
Zu diesem Punkt muss gesagt werden: Essen in Rom ist seit Ewigkeit eine Wissenschaft, die gelernt werden will. In ein paar Tagen hat man´s zumindest soweit drauf, in einem seriösen Ristorante ausgiebig zu annehmbaren Preisen Essen einzunehmen. Mit Verlaub, auch was das Gegenteil betrifft, darf man nicht heikel sein. Auf Geschlechtertrennung wird nur wenig Wert gelegt, ebenso wenig wie auf Klobrillen. Selten nur ist eine intakte WC-Anlage anzutreffen. Aber was soll´s?! Die Besucher, speziell die Viaggiatori disabili (Reisende mit Behinderungen), werden bereits im Reiseführer darauf hingewiesen: „Roma è una città ancora fitta di barriere architettoniche.“ Rom ist demnach noch voll von architektonischen Barrieren, zu denen selbstverständlich auch die Zugänge zu den Aborten zählen.
Das hat wenig damit zu tun, dass es allgemein dem alten Rom derzeit gar nicht gut zu gehen scheint. Es ließen sich eine ganze Reihe von kommunalen Mängeln aufzählen, vom gefährlich löchrigen Belag auf den Gehsteigen über wenig gepflegte Grünflächen bis zur mangelnden öffentlichen Versorgung Obdachloser und Bettler. Aber man hat den Eindruck, es wird etwas getan, zumindest sieht man den Willen dazu. Rom ist immer wieder neu erstanden, hat sich aus tiefsten Krisen emporgearbeitet. Man wird auch dieses Mal die Reparatur schaffen, um irgendwann die heute leider sehr präsente Tafel mit der Aufschrift „S.P.Q.R. in riparazione“ entfernen zu können.