Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


WG WIDER WILLEN bis sich rechts und links mittig treffen

Sascha Titel, Judita Suchy © party.at

Man muss nur so lange aneinander vorreden, bis man ins Diskutieren kommt

Der Frank ist ein ganz Böser. Er ist bekennender Nazi und schimpft auf so ziemlich alles, was Ella, das Mädchen mit dem Hang zum sogenannten Gutmenschen, vehement verteidigt. Dass beide in derselben Wohnung ihr Dasein fristen, war eher ein Zufall. Frank war Wortführer auf einer Demo der Rechten, sie hielt mit dem Megaphon kräftig dagegen, so lange, bis die Polizei beide festgenommen und sie zum Bettlumgraben in der Stadtgärtnerei verdonnert hat. Dabei kommen sie ins Reden. Er hat keine Wohnung, sie jedoch ein Abstellkammerl, in dem er unterkommen könnte. Man wird handelseins und Frank zieht ein. Erst jetzt schnallt Ella, dass sie sich einen Hitlerfan eingezogen hat. Aber der Mietvertrag ist unbarmherzig und erlaubt ihm zumindest einen Monat Bleiberecht in ihrem von Räucherstäbchen umwölkten Heim. Als an der Wand der engen Unterkunft ein Hitlerbild und die deutsche Nationalflagge auftauchen, wird der Mitbewohner für die Verehrerin eines Karl Marx wahrlich unerträglich. Beide leiden nicht gerade an Überbeschäftigung.

Sascha Titel, Judita Suchy © party.at

Also haben sie genügend Zeit, dem jeweils anderen einen Berg von Klischees an den Kopf zu werfen. Man kennt ja die Reden beider Seiten zur Genüge. Er lässt sich z. B. über die muslimischen Einwanderer aus, worauf sie reflexartig den Islam verteidigt. Er reißt Witze über die mit ihren Schlauchbooten im Mittelmeer verunglückten Afrikaner auf ihrem Weg zur Party in Europa, sie glaubt noch felsenfest an ein grausames Schicksal, das diese Menschen Richtung Erste Welt treibt. Und beide sind unfähig, das Körnchen Wahrheit in den Ansichten des bzw. der anderen zu vernehmen. Dass es trotzdem ein Happy End gibt, ist ein Hoffnungsschimmer in einer Welt, die allzu gern nur in Schwarz und Weiß zu denken beliebt und zwangsläufig alles und jedes einer extremen Ideologie zuordnen muss.

 

Ise Papendorf, eine junge Bühnenautorin, hat diesen Zweikampf auf der Basis einer Idee von Sascha Titel zu einem engagierten Theaterstück ausgebaut. Saschas Partnerin, eine linke Zecke, ist Judita Suchy. Er selbst ist mutig genug, die Rolle des Frank zu übernehmen. Dieser Typ ist nämlich der geborene Loser, dem man nicht den Funken von Zuneigung schenken sollte. Was will man mit einem Zeitgenossen anfangen, der sich in seiner Langeweile ein Hitlerbärtchen auf die Oberlippe malt, um damit seinem Idol ähnlicher zu werden. Sie dagegen vertritt kompromisslos das ihrer Ansicht nach Gute und wird deshalb aber auch nicht sympathischer. Dabei sind beide wirklich nette junge Leute.

Von Herzen vergönnt man ihnen einen offenen Kopf und die Wiederaufnahme gegenseitiger Anziehung, die sie schon zur Schulzeit verbunden hat. Ort des streitbaren Geschehens ist bis 7. Oktober 2018 die Arena, eine Bar mit Bühne in der Margaretenstraße 117 im 5. Bezirk, täglich jeweils ab 18.30 Uhr. Übrigens: Die Nazi-Symbole und –Aussagen sind ausschließlich der Handlung des Stücks zuzuordnen. Sowohl Darsteller als auch Lokalbetreiber distanzieren klar von dieser Ideologie.

Sascha Titel, Judita Suchy © party.at
WG Flyer 300

Statistik