Kultur und Weindas beschauliche MagazinDer Streit, Ensemble © Bettina Frenzel DER STREIT in der Morgendämmerung der Menschheit
1744 fand die Uraufführung der Komödie „La Dispute“ statt. Verfasst hat sie Pierre Carlet de Marivaux, ein der frühen Aufklärung verpflichteter französischer Schriftsteller. Darin geht es um die Entscheidung, wer mit der Untreue angefangen hat, die Frau oder der Mann. Der Aufbau ist vordergründig spielerisch, bei genauem Hinsehen jedoch grausam und die Menschen an sich verachtend. Trotz gegenteiliger philosophischer Meinungen geisterte damals durch die Gehirne der Gebildeten noch der Glaube an die Tabula rasa, als die ein Mensch auf die Welt komme und lediglich von gesellschaftlichem Rang, Erziehung und Bildung zu einer vollständigen Person beschrieben würde. So lädt der Fürst seine Angebetete, sie heißt Hermiane, ein, Zeugin eines Experiments zu sein. Vier Menschen wurden als Babys absolut voneinander und der übrigen Umwelt abgeschirmt, um sie dort von zwei Dienern betreut ohne weitere Kontakte aufwachsen zu lassen. Mit dieser Versuchsanordnung soll die Morgendämmerung der Menschheit nachgestellt werden und der ewige Streit zwischen den Geschlechtern entschieden werden.
Das Scalarama, der ideale Ort für grandiose Spektakel, ist nun Schauplatz dieses im Grunde perversen Gedankenspiels aus dem 18. Jahrhundert. Vanja und Peter Fuchs haben jedoch in ihrer Inszenierung einige Jahrhunderte übersprungen, ohne auf den Reiz des Rokoko zu verzichten. Die gezierte Sprache von Marivaux wurde ebenso wie der vor Geilheit bebende Fürst (Anselm Lipgens) und die seiner Zudringlichkeit nicht abholde Hermiane (Ildiko Babos) in ihrer Zeit belassen.
Die beiden Protagonisten: Bernie Feit und der Kontrabass © Bettina Frenzel DER KONTRABASS Duett mit Instrument und Bernie Feit
Auf der Bühne, der bescheidenen Wohnung eines beamteten Musikers im Staatsorchester, stehen einander ein Schauspieler und sein übermächtiges Instrument vor den mitleidlosen Augen einer Büste von Franz Schubert gegenüber. Es entwickelt sich ein Dialog zwischen den beiden, der sich zu einem bitteren Existenzkampf hochschaukelt, dessen Ausgang ungewiss bleibt. Wird der Musiker seinen Posten aufs Spiel setzen, wenn er statt des Einsatzes im kaum hörbaren Piano des Vorspiels zu Wagners Rheingold das Konzert mit einem Schrei nach Liebe unterbricht, oder erleidet doch der Kasten mit den vier Saiten zuvor noch sein schmähliches Ende als Kleinholz?
Im Scalarama des Theaters zum Fürchten ist das Publikum eingeladen, sich in die rumpelnden Abgründe der Musik zu begeben. „Moment... gleich... – Jetzt! Hören Sie das?“ soll auf den melodiösen Bassbogen in der Zweiten Sinfonie von Brahms aufmerksam machen. Hand aufs Herz, wer nimmt tatsächlich dieses Traggerüst jeder Art von Musik bewusst wahr? Allerdings wären ohne Bass sowohl klassische Musik als auch Jazz oder Rock unvorstellbar. Damit darf dessen Spieler unwidersprochen feststellen: „Worauf ich hinauswill, ist die Feststellung, dass der Kontrabass das mit Abstand wichtigste Orchesterinstrument schlechthin ist.“ Niemand macht sich jedoch Gedanken wie es demjenigen ergeht, der ihn bedienen muss. Süskinds Text öffnet in witzig pointierter Weise Auge und Ohr für das Lamento eines Musikers, der damit vom Leben bestraft wurde.
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