Kultur und Weindas beschauliche MagazinWiener Blut, Chor der Bühne Baden © Christian Husar/Bühne Baden WIENER BLUT Die Mär vom spritzig leichten Lebenssaft
Als es darum ging, eine Kompilation aus Melodien von Johann Strauß Sohn zu einer Operette zu formen, fanden die Librettisten Victor Léon und Leo Stein im tanzenden Wiener Kongress die idealen Voraussetzungen, der angeblich unbeschwerten Lebensfreude der Gastgeber einen Namen zu geben. Es war das Wiener Blut, dem der Komponist in op. 354 bereits einen Konzertwalzer gewidmet hatte. Der 74-jährige Strauß selbst, bereits zu müde, ein neues Bühnenwerk zu schaffen, gab dem Kapellmeister des Theaters an der Wien, Adolf Müller jun., seinen Segen, Passendes aus einer Vielzahl seiner Kompositionen als Melodien über einer dem Auftrag der Leichtigkeit geschuldeten Handlung zu verwenden und mit singbaren Texten versehen zu lassen. Strauß selbst erlebte die Uraufführung am 26. Oktober 1899 nicht mehr, aber auch nicht das damit verbundene Fiasko, den dieser allseitige Blick zurück in der Kassa des Theaters hinterlassen hatte.
Letztlich hat „Wiener Blut“ doch die Bühnen erobert. So ist auch in Baden eine erfolgreiche Premiere am 4. August 2024 zu verzeichnen, vom Hausherren Michael Lakner genauso inszeniert, wie man sich das einstige Aufeinandertreffen von Gästen beispielsweise aus Sachsen und eingeborenen Wienern in amourösen Angelegenheiten vorstellen mag (mit einer praktisch hübschen Bühne von Erich Uiberlacker und stimmigen Kostümen von Friederike Friedrich).
Um die Verwirrung zu komplettieren, gibt es auch noch den Ringelspielbesitzer Kagler, der sich um die Moral seiner Tochter Franziska kümmert. Mit Andy Lee Lang wurde aus dem in der Handlung vorgesehenen Klarinettisten ein für 1815 erstaunllich visionärer Klavierspieler.
Die Csárdásfürstin, Ensemble © Christian Husar/BuehneBaden DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN Das jüdische Erbe der silbernen Operette
Die beiden Librettisten Leo Stein und Bela Jenbach waren wie der Komponist Emmerich Kálmán Juden. Engagierte Jüdin ist auch Ruth Brauer-Kvam. Damit ist klar, dass ihre Inszenierung der Operette „Die Csárdásfürstin“ für die Bühne Baden diesbezüglich einen deutlichen Einschlag erhält. Die Varietésängerin des Budapester Orpheums Sylva Varescu (hinreißend emotional gesungen von Alma Sadé) ist damit ebenfalls Jüdin, in die sich Edwin Ronald von und zu Lippert-Weylersheim (ein überzeugender Tenor: Iurie Ciobanu) verliebt hat. Abgesehen davon, dass er ein Goi und damit für eine Jüdin an sich tabu ist, stammt er aus großem Haus, was die Angebetete für ihn wiederum unmöglich macht. Dass die beiden Ehehindernisse am Ende doch erfolgreich beseitigt werden, ist das Verdienst von Feri von Kerekes. Der gute Mann ist ebenfalls jüdischen Geblüts und in Baden dazu eine Frau (Tania Golden mit Schnurrbart und ungarischem Akzent), die als Conférencier in ihrem Orpheum die Gäste – in ihrer queeren Erscheinung erinnern sie an den Life Ball – mit jüdischen Witzen unterhält. Anstelle des üblichen Primas leitet Sándor Jávorkai mit seiner virtuos gespielten Geige eine Klezmer Band. Kurz gesagt, man ist auf ein jiddisches Festl eingeladen und dürfte auch ohne bestimmte Konfession, einfach als Mensch, willkommen sein.
Mit der absolut ohrgängigen Musik von Emmerich Kálmán aus dem Orchestergraben, einem sattelfesten Chor und einer temperamentvollen Choreographie auf einer geschickt ausgestatteten Bühne wird aus dem Liebesdrama eine schwungvolle Revue, die vom Premierenpublikum begeistert gefeiert wurde. Es sollte eigentlich keine Probleme geben, wäre da nicht eine (unnötige) Zeitverschiebung. 1915, also im Ersten Weltkrieg, wurde „Die Csárdásfürstin“ uraufgeführt. Damals gab es noch die Aristokratie mit ihrem Standesdünkel und Juden waren trotz teils enormer Vermögen und kultureller Großtaten in der Monarchie eher scheel angesehene Mitbürger. Es hätte alles so wunderbar gepasst. Aber Ruth Brauer-Kvam hat das Ganze in das Jahr 1934 versetzt.
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