Kultur und Weindas beschauliche Magazinbrahms-schönberg quartet, Ketevan Papava, Alexey Popov, Ensemble © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor © Balanchine Trust SHIFTING SYMMETRIES Triple Bill meisterlicher Choreographien
Triple Bill ist eine Rechnung, auf die im Fall von SHIFTING SYMMETRIES Genießer von besonderem Ballett kommen. Im Rahmen eines Abends werden drei legendäre Meister mit ihren Werken zu einem Triptychon des Tanzes vereinigt. Als Klammer über den drei inhaltlich und stilistisch grundverschiedenen „Bildern“ steht das konsequente Zupacken in revolutionärer Auseinandersetzung mit der Kunstform Ballett, wie sie Hans van Manen, William Forsythe und George Balanchine in jeweils einem ihrer Schlüsselwerke vorgegeben haben. Dazu kommen im ersten und dritten Teil das Orchester der Wiener Staatsoper unter Matthew Rowe und dazwischen elektronische Klänge von Thom Williams, eingerichtet von Leslie Stuck. Hans van Manen, concertante, Ensemble © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor Drei goldene Kirschen, die unerreichbar hoch über der Bühne hängen, geben den Fluchtpunkt der Bewegungen an. Das ist das Grundschema von „in the middle, somewhat elevated“, in dem William Forsythe seine unkonventionellen Vorstellungen von Ballett umgesetzt hat. Kreiert wurde es 1987 im Auftrag von Rudolf Nurejew für das Ballet de L´Opéra de Paris. Getrieben von harten Rhythmen zwischen wuchtigen Hieben des Basses setzt das sportlich gekleidete Ensemble ein performatives Ereignis um, das mit (vergeblichem) Streben nach oben zwischen blitzartiger Bewegung und stroboskopisch anmutendem Stillstand fasziniert.
Wolkig schwerelos wirbelt das Corps de Ballet im „brahms-schoenberg quartet“ über die Bühne. Die Hommage an Marius Petiba stammt aus 1966. Georges Balanchine kreierte Miniaturballette für insgesamt 55 Tänzer (in fantasievollen, zum jeweiligen Thema passenden Kostümen) und Tänzerinnen (in hauchfeinen Tutus), die mit wundervoller Eleganz durch die einzelnen Sätze dieser romantischen Komposition schweben. Es sich dabei um das Klavierquartett g-Moll op. 25 von Johannes Brahms, das 1937 von Arnold Schönberg zu einer prächtigen Orchesterfassung (harmonisch auf der Tonika beruhend) instrumentiert und von ihm stolz zur „Fünften Symphonie“ von Brahms ernannt wurde. Einen emotionalen Höhepunkt schafft der letzte Satz. Das Rondo alla Zingarese steigert sich, wie es sich für ungarische Tänze gehört, vom melancholischen Largo zum feurigen Presto des Csárdás, in dem in folkloristischer Tracht Ketevan Papava und Alexey Popov die Seele dieser Musik mitreißend sichtbar zu machen verstehen. Daniel Vizcayo © Ashley Taylor LA FILLE MAL GARDÉE Entzückend komisch und romantisch
Der Bräutigam ist jedoch dank der umwerfenden Komik seines Darstellers Daniel Vizcayo in keinem Moment ein ernster Konkurrent; er ist patschert, schreckhaft und ohne seinen roten Regenschirm hilflos. Dagegen sind auch Zsolt Török und Javier Gonzáles Cabrera als Dorfnotar und Gehilfe machtlos.
Yuko Kato, Daniel Vizcayo © Wiener Staatsoper / Ashley Taylor DORNRÖSCHEN Der Choreograph als braver Märchenonkel
Bei einem Ballett wie Dornröschen sind die Zuschauer auf etlichen Ebenen gefordert. Man kennt vielleicht das Märchen „The sleeping beauty“, das sich von der Fassung der Brüder Grimm in etlichen Punkten unterscheidet, weiß damit um den Inhalt und bei einiger Vorbereitung auch um die einzelnen Stationen, die vom Librettisten Iwan Alexandrowitsch dem Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowsky vorgelegt wurden. Dennoch müssen Kulissen, Kostüme und der Tanz so weit Klarheit bringen, dass die Worte ersetzt werden. Martin Schläpfer, Direktor und Chefchoreograph des Wiener Staatsballetts, hat sich bisher in Wien mit tänzerischer Umsetzung von Musik präsentiert, die an sich für das Konzertpodium gedacht ist. Nun ging es aber um das Erzählen einer vertonten Geschichte. Er selbst sagt dazu: „Ich möchte das Märchen als Märchen erzählen, in seiner ganzen Schönheit, aber auch mit all den Fragen, die sich mir bei der Lektüre des Librettos und dem Studium der Musik stellen.“ In seiner Choreographie sollten also auch die Beweggründe der Figuren und deren Gefühle sichtbar werden. Mit „Dornröschen“ ist es ihm tatsächlich gelungen, die Phantasie des Publikums abheben und durch die Welt von Königen, Feen und einem verzauberten Wald fliegen zu lassen.
Am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper stand am 26. Oktober 2022 Patrick Lange, der keine Scheu vor gewaltigen Klängen und noch weniger vor süßlich zarten Passagen zeigte. Einer der Höhepunkte war das Violinsolo im zweiten Akt, mit kraftvollem Gefühl ausgeführt von Konzertmeister Rainer Honek. Überraschende Spannung brachte ein Intermezzo von Giacinto Scelsi. Zu hören war eine CD-Zuspielung von „Anahit, das lyrische Poem über den Namen der Venus“, um flirrende Klangbilder zu den Träumen im Schlaf der Schönen mit Violine solo und 18 Instrumenten (Klangforum Wien, Leitung: Hans Zender) zu schaffen.
Zu den Solisten des Balletts: Olga Esina ist eine prächtige Königin an der Seite ihres Gatten Masayu Kimoto. Deren so sehr gewünschte Tochter Aurora ist anfangs ein rechtes Springginkerl, wenn sie den rabaukenhaft um sie werbenden Prinzen Rashaen Arts, Kristián Pokorný, Arne Vandervelde und Géraud Wielick unentschlossen zuschaut. Hyo-Jung Kang nimmt man die Schwerelosigkeit ihrer Jugend gerne ab, zumal sie bald darauf bekanntlich 100 Jahre schlafen muss, um von Brendan Saye als Prinz Désiré mit einem innig zarten Kuss geweckt zu werden.
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