Kultur und Weindas beschauliche MagazinSO ODER SO Was ist denn nun ein richtiger Jude?
Eingangsbereich eines Wiener Wohnhauses: Ein Mann in legerer Freizeitkleidung holt die Post aus dem Kasterl, wirft sauber getrennt Papier und Müllsackerl in die richtigen Tonnen und legt sich auf die Lauer. Er passt seinen Nachbarn im Stiegenhaus ab. Als der andere zum Ausgehen angezogen erscheint und nach ähnlichem Morgenritual bei der Tür hinaus will, wird er vom Mann im Homedress abgefangen und angesprochen. Das Anliegen dürfte diesem Mitbewohner auf der Seele gebrannt haben, denn nach kurzer unverbindlicher Begrüßung ist es schon heraußen: „Sie sind doch ein Jude?“ Warum er das weiß? Weil es seine Frau im Internet entdeckt hat. Und das Problem? Kein Problem, er begehrt lediglich eine Erklärung, was ein Jude ist. Nichts sonst, ganz ohne antisemitische Aggression, nur eine Definition. Damit wird die uralte Frage angesprochen, was einen Juden vom Goi so grundlegend unterscheidet, dass ein Zusammenkommen scheinbar unmöglich ist. Der Franzose Jean-Claude Grumberg ist der Sache auf den Grund gegangen und hat dazu eine Komödie verfasst, jedoch ohne eine schlüssige Antwort zu geben. Ehrlich gesagt, es gibt gar keine. Schlussendlich ist es auch das Resümee dieses jüdischen Autors, wenn er die beiden ihre Rollen tauschen lässt. Aber dazu wird nichts mehr verraten. Um das überraschende Ende zu erfahren, gibt es noch genügend Gelegenheit im STELLA Theater im Prückl, wo dieses Stück bis 6. Februar 2025 immer wieder aufgeführt wird. Übersetzt hat den Text Birgit Leib. Regisseur Hermann J. Kogler hat das Geschehen nach Wien verlegt und lässt in dem von Anna Sagaischek vorschriftsmäßig eingerichteten Eingangsbereich die beiden Besitzer einer Eigentumswohnung ihr Frage- und Antwortspiel durchziehen, begleitet von Ivan Bykov, einem Musiker aus der Ukraine.
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