Schräge Biografien von Camillo Castiglioni über Erik Jan Hanussen bis zum Roten Heinzi
Der erste Schachautomat war bereits zur Zeit von Maria Theresia erfunden und im Einsatz. Es war ein mechanisches Wunderwerk, das nicht nur die erlauchte Gesellschaft in Schloss Schönbrunn beeindruckte, sondern auch gewitzte Strategen wie Napoleon Matt setzte. Künstliche Intelligenz, allein als Wirkung eines komplizierten mechanischen Uhrwerks? Wie war derlei High-Tech im 18. Jahrhundert möglich? Beppo Beyerl, der seine Wiener kennt wie kaum ein anderer, ist der Sache auf den Grund gegangen – und hat die Lösung gefunden. In seinem Buch „Die bösen Buben von Wien“ (Styria Verlag) verrät er, wie es der Zeit seines Lebens hochgeachtete Erfinder und Staatsbeamte Wolfgang von Kempelen geschafft hat, das Publikum mit seiner Schachshow in Wien, Pressburg, Paris und postum sogar einen Edgar Allen Poe in Übersee zu faszinieren und letztlich so geschickt zu betrügen, dass sogar Kaiser Joseph II. eine Tournee mit Extra-Prämien unterstützte.
Diesem Genie mit subtiler krimineller Energie ist das erste Kapitel gewidmet. Ihm folgt ein gewisser Peter Ritter von Bohr.
Dem erfolgreichen Wiener Geschäftsmann hat Geldfälscherei das Prädikat „gesucht“ eingebracht, u.s.w. Denn herauf durch die Zeiten hat es in Wien nie an verdächtigen Subjekten gemangelt. Beppo Beyerl hat 20 von ihnen die Ehre erwiesen, in konzentrierten Biografien unsterblich zu werden, wenn auch so manches Leben am Galgen geendet hat. Dass es sich in erster Linie um „böse Buben“ handelt, ist einzig darauf zurückzuführen, dass, wie Beyerl im Vorwort schreibt, die Zahl der üblen Täter mit Männern gesättigt ist. An die jüngsten dieser Malefizkerle, wie man sie einst genannt hat, wird sich so mancher Leser noch erinnern. Ende der 1980er-Jahre veröffentlichten die Zeitung das Foto eines Bankräubers, der mit einer Ronald Reagan-Maske Geldinstitute um ihre Einlagen erleichterte und als Pumpgun-Ronny landauf landab stille Bewunderung erntete.
Der Schachautomat des Wolfgang von Kempelen, Illustration im Buch
Von der Crème de la Crème der damaligen Politiker hofiert wurde der mit zweifelhafter Prominenz ausgestattete Herr Udo Rudolf Proksch. Als Liebling des Boulevards und der Frauen konnte er sich so ziemlich alles an Untaten leisten, was nur irgendwie kriminelles Renommee einbrachte. Erst als ein Schiff namens Lucona samt wertlosem Schrott und Besatzung hoch versichert im indischen Ozean versank, wurde Udo Proksch von seinen Haberern wie ein heißer Erdapfel fallen gelassen. Er wurde u. a. wegen sechsfachen Mordes verurteilt. 2001 verstarb er in der Justizanstalt Karlau und residiert seither ausgezeichnet als einer der bösesten Buben von Wien auf dem Heiligenstädter Friedhof.
Eine Stadt bis in ihre innersten Strukturen lesen lernen
Die Welt ist auf einem raffinierten System aus Zahlen aufgebaut. Allerdings sind die Formeln dafür nicht selten in esoterischem Wissen verborgen. Wer käme auf die Idee, beim Anblick des Stephansdoms an die 37 zu denken? Und dennoch ist diese Ziffernkombination der eigentliche Schlüssel, der das Verständnis zu dieser gewaltigen Konstruktion eines gotischen Kirchenbaus eröffnen kann. Lange wurden Kenntnisse dieser Art von den Meistern der Dombauhütte akribisch gewahrt und eine Verletzung des Schweigens bedeutete nicht selten den Verlust einer Hand oder eines Fußes. Möglicherweise ist der als „Dornauszieher“ bekannte Mann im Riesentor die in Stein gehauene Warnung, was mit einem Verräter passiert. Es fehlen ihm der linke Fuß und der rechte Arm. Natürlich kann es sein, dass beides im Lauf der Jahrhunderte abgebrochen ist, aber näher liegt die Annahme, dass es sich um einen Maurerbruder handelt, der das geheime Maß des Doms an Unbefugte preisgegeben hat. Ein entblößtes Knie des Christus Pantokrator im Tympanon der Triumphpforte: geziemt sich eine solch neckische Nacktheit für einen Weltenrichter? Freimaurer könnten mehr dazu sagen, schließlich stehen sie in der ideellen Nachfolge der Steinmetze, denen wir dieses Wunderwerk religiöser Architektur verdanken. Einer der bekanntesten unter ihnen war Meister Anton Pilgram, der Fenstergucker, von dem gar nicht sicher ist, dass er diese so lebendig wirkende Figur selbst geschaffen hat. Fragen über Fragen, die bis heute nicht vollständig beantwortet werden können.
Gabriele Lukacs ist mit umfangreicher Recherche derlei Geheimnissen auf den Grund gegangen und hat sie im Sinne ihrer Profession, sie ist Fremdenführerin, der interessierten Allgemeinheit als spannenden Lesestoff aufbereitet. „Geheimnisvolles Wien. Magische Siegel, verborgene Zeichen und rätselhafte Codes“ (Styria) ist ein anregender Titel, der durchaus hält, was er verspricht. Das Buch ist eine Anregung, sich selbst auf die Suche zu begeben und die meist gut versteckten Botschaften zu entdecken. Hat man sie gefunden, gibt Lukacs dazu die Erklärungen und lüftet, so weit es eben möglich ist, das darin verborgene Arkanum. So liest man mit Erstaunen, dass sich Wien um das Riesenrad dreht, am Obelisken in Schönbrunn in Hieroglyphen, die es gar nicht geben dürfte, wichtige Ereignisse aus dem Leben von Maria Theresia erzählt werden oder die Stufen im Park des Belvederes in einem komplizierten Zahlensystem die Philosophie von Prinz Eugen mitteilen.
Dank dieses nun erschienenen Führers wird man auf der Stelle zum Adepten. Auf Schritt und Tritt lässt sich das so gewonnene Wissen anwenden. Die Gebäude unserer Stadt sind voll von Chiffren, die in der Barockzeit angebracht wurden, Bibliotheken bergen Geheimschriften, an deren Deutung sich Experten die Zähne ausbeißen und an Zeichen, die wie im Falle der Pixel Codes und an die Wand gesprayter Pacman-Icons aus der Gegenwart stammen. Ob Drudenfuß in Schönbrunn oder Davidstern als Zunftzeichen im Alten Rathaus, die Mitra von Wien und die Zahlenmystik eines Renaissancekaisers, ein Spaziergang wird zur verblüffenden Entdeckungsreise in bisher vertraut Geglaubtem. Man darf auch staunen, wenn auf einer Baustelle ein Polier seine Anweisungen gibt. Sein Beruf, abgeleitet vom französischen „parler“, ist das Reden in verschiedenen Zungen, eine Fähigkeit, die nicht erst seit den Gastarbeitern der 1960er-Jahre, sondern schon vor 800 Jahren eine in der Bauhütte eine geschätzte Fähigkeit war.
TRIEST FÜR FORTGESCHRITTENE für eine Liebe auf den zweiten Blick
Ein intensiver Blick auf eine Stadt mit vielen Gesichtern
Worin besteht die Faszination, die Triest seit Jahrhunderten auf die Menschen ausübt? Gewohnt wird an den steilen Hängen, die vom Karst herab fallen und nur enge Gassen erlauben, die für den Ankommenden lediglich durch Schweiß treibende Aufstiege zu den Hotels zu bewältigen sind. Die Pianura, also die Ebene zwischen Berg und Meer, ist kaum als solche zu bezeichnen. Die den meisten Platz behauptende, von starkem Verkehr belebte Straße ist nicht gerade eine Werbung für einen beschaulichen Städtetrip. Einen guten Teil des Jahrs zwingt die Bora, ein eisiger Fallwind, Einheimische und Gäste zum Aufenthalt in den paar Kaffeehäusern, wo Literaten und andere Kreative nolens volens die Zeit zum Schreiben von Romanen oder zum Entwurf großer Architektur genutzt haben.
Trotzdem tummeln sich Heerscharen von Touristen zwischen Hafen und Castello di San Giusto, dem per Aufzug erreichbaren Stadthügel, um von dort oben in die weite Welt hinaus zu blicken, in die soeben Schiffe Richtung Horizont Kurs nehmen.
Eine Antwort auf das ewige Paradoxon dieser Stadt gibt Erich Bernard gemeinsam mit dem Fotografen Georges Desrues. Ihr Buch „Triest für Fortgeschrittene“ (erschienen im Styria Verlag 2021) setzt allerdings voraus, dass man sich mit den erwähnten Widrigkeiten bereits versöhnt hat. Ein Vorbild dafür waren die Habsburger, denen vom Autor Sehnsucht nach Triest und dem Meer nachgesagt wird. Triest war die bedeutendste Hafenstadt der Monarchie, die schon 1719 von Kaiser Karl VI. zum Freihafen erklärt wurde. Das Denkmal des unseligen Mexikanischen Kaisers Maximilian auf der Piazza Venezia ist bis heute ein Zeugnis gegenseitiger Wertschätzung, die jedoch durch das Museo del Risorgimento und dem Schrein für Guglielmo Oberdan, er wollte ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph verüben, konterkariert wird. Seine Ketten gesprengt hat auch der schwimmende Kran namens Ursus. Das liebevoll als „la nostra picciola torre Eiffel“ genannte Monstrum hatte sich 2011 losgerissen und trieb nach einer stürmischen Nacht weit draußen auf offener See. Der Ausbruchsversuch missglückte allerdings und Ursus überragt wie seit den Zeiten unter dem Doppeladler die Anlagen des alten Hafens.
Diesem ausführlichen Kapitel folgt eine Badepause, die in Triest nur mittels eines kundigen Führers erholsam wird, denn einfach ist es nicht, einen freien Platz am Strand zu finden. Dabei kann es durchaus passieren, dass das brav geübte Italienisch versagt, weil sich die Umliegenden im Triester Dialekt unterhalten, von dem die wichtigsten Wörter hier nachzuschlagen sind. Mit dem Buch in der Hand gelingt auch ein Spaziergang rund um die „Sacchetta“, vorbei an Segel- und Ruderklubs, der Lanterna, dem ehemaligen Leuchtturm, bis zur Stazione Rogers, einem Kulturzentrum mit hipper Bar. Immer wieder werden prächtige Tore zu Villen und deren Parks geöffnet. Speziell im Bezirk San Vito haben sich Freimaurer, reiche Zuwanderer und exilierte Regenten angesiedelt.
Begleitet werden die Stadtbummel von Georges Desrues und dessen fotografischen Meisterwerken, in denen er die Seele dieser komplizierten Stadt sichtbar zu machen versucht. Neben aller Kultur ist Erich Bernard auch ein Freund von gutem Essen und Trinken. Jedem Kapitel sind nahrhafte Hinweise angefügt, von Fischrestaurants und den österreichisch anmutenden Büffets bis hinauf zu den Osmizen, den Buschenschanken mit Ausblick, wie er es formuliert. Um zu diesen urigen Heurigen zu gelangen, gab es einst die Blaue Tram. Gab es? Die tröstlichste Feststellung dieses Buches liest man auf Seite 103: Heute steht die Tram immer wieder im Mittelpunkt großer Pläne – von Modernisierungen und Verlängerungen ist die Rede –, tatsächlich freuen sich alle, wenn sie wenigstens wieder so funktioniert, wie das über hundert Jahre der Fall war.
DUNKLES WIEN Schlaglichter in die verdrängten Tiefen einer Stadt
Ein Sachbuch, das Mut zum Lesen braucht
Zum Teil sind die einzelnen Artikel gruseliger als jede Horrorfiktion, vor allem deswegen, weil sie eine Realität beschreiben, die mancherseits ganz gern vergessen worden wäre. Das bewährte Duo Robert Bouchal und Johannes Sachslehner hat sich dazu auf die Suche nach „Orten des Schreckens und des Verbrechens“ in der Donaumetropole gemacht. „Dunkles Wien“ (erschienen im Styria Verlag) klingt beinahe harmlos angesichts dessen, was in den Eingeweiden der Stadt in den Lichtkegel ihrer Taschenlampen gerückt ist und später bei der eingehenden Recherche in verstaubten Archiven die gespenstische Gestalt unfassbarer menschlicher Schicksale angenommen hat. Entstanden ist ein Buch wider das Verschweigen einer Geschichte, die nachdenklich macht, weil sie von Menschen geschrieben wurde, die sich wohl auf den ersten Blick gar nicht so sehr von uns Nachgeborenen unterscheiden mögen und die dennoch so grausam waren, dass man deren Handeln heute im Rückblick nur schwerlich oder überhaupt nicht begreifen kann.
Es sind Moritaten, bei denen einem das Lachen vergeht, weil als Moral an deren Ende nicht selten das Böse triumphiert und anstelle des unschuldigen Opfers der ungerechte Henker rehabilitiert wurde.
Unter dem Motto „Was Straßen und Häuser erzählen“ beginnt der Abstieg in die Unterwelt in der Bankgasse im Ersten Bezirk. Der äußere Schein der prächtigen Palais, die sich dort aneinander reihen, wird bereits an der Nummer 1-3, Ecke Herrengasse 17 kräftig abgedunkelt. Einst stand an dieser Stelle das Haus „Zu den fünf Morden“. Erzählt wird dazu der schaurige Hergang der Bluttat, die schon bald danach vom Nürnberger Meistersinger Kurt Haß in Verse gefasst und in einer Flugschrift verbreitet wurde. Vier Jahrhunderte später geriet das Gebäude gegenüber in die Schlagzeilen. Einer der Gäste des Hotels Klomser war der homosexuelle Oberst Alfred Redl, der als Spion unehrenhaft in die Geschichte einging. Detailliert werden dessen letzten Stunden beschrieben, bis zum Tod, der trotz anderweitiger Bedenken schließlich als Selbstmord hingestellt wurde.
Ein paar Schritte weiter verweisen Fahne und Wappen auf die Botschaft von Ungarn. Den Autoren wurde gestattet, die Kellerräume zu betreten und sich am Ort von politischen Umtrieben umzusehen. Entdeckt wurden vermutliche Hafträume, in denen es bis zur Exekution von missliebigen Gegnern des kommunistischen Regimes während des Kalten Krieges gekommen sein soll. Das Erstaunliche daran: Was in diesem Buch geschrieben steht, wurde seitens der Ungarn nicht dementiert.
Orte des Schreckens waren stets auch die Narrenhäuser, von denen es in Wien etliche gegeben hat. So ist von der Kopfschussstation, offiziell der Privatirrenanstalt von Bruno Görgen, zu lesen oder von der Svetlin´schen Privatheilanstalt, der sogar Alexander Girardi nur durch Fürsprache seiner Freundin Katharina Schratt beim Kaiser persönlich entgangen ist. Bittere Zeilen berichten über die Euthanasie am Spiegelgrund, in dem von Otto Wagner erbauten Psychiatrischen Krankenhaus, besser bekannt als Steinhof. Mindestens 3.200 Patienten, durchwegs Kinder, waren für die nationalsozialistischen Schergen „Ballastexistenzen“ und „unnütze Esser“ und wurden im Sinne einer perversen Wissenschaft getötet. Einer der an diesem Massenmord beteiligten Ärzte war Dr. Heinrich Groß, der es nach dem Krieg zu einem der prominentesten Gerichtsgutachter gebracht hat. Er ist nur ein Beispiel für die vielen ungesühnten Verbrechen an finsteren Orten, egal ob es sich um Asylhäuser, verborgene Labyrinthe oder einen Tunnel, durch den der Tod geflogen ist, gehandelt hat.
Man glaubt gar nicht, was man in Friaul noch alles nicht gekannt hat
Das Stück Land südlich von Kärnten stellt für den Nordländer, zu dem wir in irgendeiner Form ja auch gehören, ein beliebtes Entree in das Wunschland Arkadien dar. Es bietet zwischen Karawanken, Karnischen Alpen und der Adria alles, was unsere Vorstellungen von Italien vollends erfüllen kann. Kein Wunder, dass Friaul als Reiseziel beliebt ist, wenngleich es leider allzu oft nur durchfahren wird, um in südlichere Gefilde vorzustoßen. Wer aber einmal bei Udine von der Autostrada abgefahren ist, scheint in ein Wunderreich eingetaucht zu sein. Weingärten überziehen sanfte Hügel, die Colli, malerische Täler mit ungebändigten Flüssen locken immer weiter hinein ins Gebirge bis hinauf zu schneebedeckten Gipfeln oder man treibt sich in der Ebene, dem Friuli Grave herum, in der ein Besucher unweigerlich an mediterrane Gestade geführt wird, um dort bei il sole und dolce far niente zu stranden. Um alle die Attraktionen auf dieser Reise auch wahrnehmen zu können, bedarf es selbstverständlich eines kundigen Führers. Zu leicht könnte sonst eine der zumeist unscheinbaren Sensationen, die allenthalben auf ihren Bewunderer warten, übersehen werden.
Zumindest „50 Dinge, die man in Friaul getan haben muss“ zählen Reinhard M. Czar und Gabriela Timischl in ihrem bei Styria erschienen Buch auf. Sie versprechen Überraschendes, Genussvolles und Unterhaltsames für Friaul-Insider und jene, die es werden wollen. Man staunt tatsächlich, dass sich Friaul auch als Skigebiet empfiehlt. Die Autoren bringen den Leser zur Produktionsstätte des berühmten Montasino, den man an sich bis dato nur aus gut sortierten Feinkostläden gekannt hat. Man spaziert mit ihnen durch Tarvisio, hört den Standlern im neuen Markt in ihrer Vielsprachigkeit zu oder besucht den ehemaligen Grenzort Pontebba, dessen Schönheiten erst auf den zweiten Blick bemerkt werden. Freilich geht´s in diesem Buch auch auf fromme Wallfahrt.
Friaul verfügt über einige dieser Gnadenstätten, die man mithilfe dieses Buches durchaus leicht finden kann. Lavenda di Venzone, Prosciutto aus San Daniele, die Gubana aus Cividale oder schlicht Knoblauch, der aus dem Val di Resia allerdings zu den besten seiner Art in der ganzen Welt zählt, sind die Ziele kulinarischer Pilger. Im Vorbeigehen wird ein Weinkeller besucht und der autochthone Friulano verkostet. Man taucht ein in die Geschichte von Palmanova, der Stadt vom Reißbrett, und besichtigt in Aquileia die letzten Reste verfallener römischer Größe, bevor man das Traumziel der Wiener Touristen seit über hundert Jahren erreicht. Nirgendwo sonst als in Grado kann man einen echten Boreto, eine Fischsuppe, essen und mit dem Boot von Insel zu Insel durch eine einzigartige Lagune hüpfen. Den Abschluss macht Triest, in der man als eine der 50 Pflichtaufgaben unbedingt einen Kaffee trinken sollte oder man fährt mit der Straßen- bzw. Bergbahn hinauf in den Karst, um sich dort in einer Osmize bei einem Glas vom besten Terrano an der Aussicht über die friulanische Côte d'Azur zu erfreuen.
Das Schloss der österreichischen Schlösser, das ist Schönbrunn; eine Marke nicht nur für Wien, sondern für das ganze kleine Österreich, das von der Monarchie übriggeblieben ist. Zu Recht wird es als Tourismusmagnet bezeichnet und ist dennoch auch für die eigenen ehemaligen Untertanen ein Anziehungspunkt geblieben. Wo sonst als im Garten von Schönbrunn mit seinen akkurat geschnittenen Alleen und einer alles überragenden Gloriette ließe es sich so einfach und doch feudal lustwandeln.
Im Pichler Verlag ist nun in der Reihe „Die geheime Geschichte von Österreichs Kulturgütern“ ein Band über das Schloss Schönbrunn erschienen. Martin Mutschlechner, Historiker und als Guide daselbst tätig, gibt darin sein umfangreiches Wissen über seinen Arbeitsplatz, mit Garantie einen der nobelsten der Welt, preis. So ist auch sein Buch wie eine spannende Führung aufgebaut. Er lädt den Leser ein, ihn ganz exklusiv auf einer Zeitreise durch die Geschichte von Schloss und Garten Schönbrunns zu begleiten.
Martin Mutschlechner: Schloss Schönbrunn. Die geheime Geschichte von Österreichs Kulturdenkmälern, Bd. 2, Pichler Verlag 2012, ISBN 978-3-85431-574-2, Preis € 19,99.
Auf diesem Weg herauf von einem Vorgängerbau, der Katterburg, trifft man 1569 Kaiser Maximilian II., einen leidenschaftlichen Jäger. Eine seiner ersten Maßnahmen war die Einrichtung eines Tiergartens. Damals verstand man darunter jedoch nichts anderes als ein Gehege für das Wild, das auf diesem engen Raum von der adeligen Gesellschaft leichter erlegt werden konnte. Bis zum modern geführten Zoo mit seiner möglichst artgerechten Tierhaltung und der Funktion als Arche Noah war es noch ein weiter Weg.
Man begegnet auch Maria Theresia und lernt sie Dank Mutschlechners detaillierter Geschichtskenntnis genauestes kennen, aber auch ihren Gatten Franz, den Kaiser im Hintergrund der „leider nicht“ Kaiserin und den Nachwuchs, der ihrem Motto gemäß „Kinder kann man nicht genug haben, darin bin ich unersättlich!“ bekanntlich sehr zahlreich war.
Sogar der „Steirer“ Erzherzog Johann hat mit dem Tirolerhof seine Spuren hinterlassen und selbstredend ist das umfangreichste Kapitel Kaiser Franz Joseph gewidmet, dessen Leben und Wirken mit Schönbrunn aufs Engste verbunden war und noch immer ist.
Spannend waren für das Schloss die Jahre nach dem Ende der Monarchie. Die junge Republik hatte sich vom imperialen Erbe zu distanzieren und noch ehe sich ein einigermaßen entspanntes Verhältnis entwickeln konnte, kamen die Jahre des Nationalsozialismus, der Zweite Weltkrieg und dessen Ende, das für viele historische Bauwerke der Hauptstadt verheerend war. Schönbrunn war einigermaßen glimpflich davon gekommen, wurde wieder als Filmkulisse entdeckt und nicht zuletzt durch die „Sissi“-Trilogie zum Inbegriff einer verklärten Rückschau auf die „Kaiserzeit“ in ungebrochen strahlendem Schönbrunnergelb.
Ein Führer durch unterhaltsame Keller und geheimnisvolle Labyrinthe
Wiener Spaziergänge unterhalb der Stadt
Verlies unter dem Alten Rathaus mit den Resten der alten Ausschank
Wien hat mehr besuchenswerten Untergrund als nur den Dritten Mann und das Kanalnetz. Was man über der Erde sieht, also die schöne Fassade, ist möglicherweise nur ein Bruchteil einer ganzen Stadt in allen ihren Höhen und Tiefen. Wien ist seit seinem Bestehen gerade so gut nach unten wie nach oben gewachsen.
Der Fotograf Robert Bouchal, spezialisiert auf besondere Stimmungen und außergewöhnliche Situationen, hat sich mit der Fremdenführerin und Buchautorin Gabriele Lukacs, sie bietet u.a. die beliebten Mystery Tours an, dort unten umgesehen. Das Ergebnis ist ein aufschlussreicher Führer durch viele bislang noch unbekannte Keller, Labyrinthe und fremde Welten in der „Geheimnisvollen Unterwelt von Wien“.
Robert Bouchal/Gabriele Lukacs: Geheimnisvolle Unterwelt von Wien. Keller, Labyrinthe, Fremde Welten. Pichler Verlag 2011, ISBN 978-3-85431-567-4, Preis € 24,99
Allein ein guter Teil des geselligen Lebens unserer so lebensfrohen Stadt spielt sich unter Erde ab. Sogar der Wein schmeckt einfach besser, wenn man einige Stufen zu ihm hinabgestiegen ist und ihn in einem der romantischen Ziegelgewölbe verkostet. Ähnliches gilt für den Jazz. Diese Musik braucht einfach den Underground, um richtig erdig zu klingen, was wiederum zu einer erstaunlichen Anzahl von Jazzkellern in einer Stadt der Klassik und des Walzers geführt hat.
Dazu kommen die Werkstätten und Lagerräume, die man mangels genügend Platz auf der Oberfläche nach unten verlegt hat. Es gibt noch die Eisgruben, in deren gleichmäßig temperierter Tiefe man einst mit dicken Eisblöcken die Winterkälte für den heißen Sommer speicherte, und es finden sich Brunnenröhren, in denen der Sage nach fallweise ein schröcklich´ Basilisk gehaust hat.
Das Wiener Kellerleben hat also Tradition, genauso wie der Tod, dem in der Finsternis verzweigter Grüfte in barocker Schaurigkeit gehuldigt wird. „Wenn´s amoi aus wird sein“, wird man nach unten begeben. Es muss ja nicht gleich ein Mord passieren, um nach dem Ableben in einem Untergeschoss auf den Jüngsten Tag warten zu müssen, wenngleich, Kellerleichen sind in Wien keine Seltenheit – siehe etliche Kriminalfälle von einst und jüngst.
Es muss gar nicht Dan Brown erfunden haben, und es dürfen ohne weiteres seriöse Forschungsergebnisse sein, wenn es darum geht, mit Kirchen-Geschichten einen Leser zu fesseln. Für uns Heutigen erscheint vieles in der Kirche geheimnisvoll, weil zeitfern und unserem Denken fremd. Bei genauem Hinsehen erkennt man jedoch rasch, dass uns diese prickelnden Geheimnisse vielfach lediglich abhanden gekommenes Wissen beschert.
Leseproben verbergen sich unter den Bildern.
Hasmann erzählt darin teils nahezu unglaubliche Geschichten, die sich im, um und unter dem Stephansdom ereignet haben. Sie handeln vom Halbmond auf dem Stephansturm, dem Zahnwehhergott, elektromagnetischen Energiefeldern, Vulva und Penis als unverhüllte Sexualsymbolik und mehr. Sie wurden übersichtlich in Themenkreise verpackt, die mit anregenden Titeln wie „Gönner, Frömmler und Fanatiker“, „Mysteriöses rund um den Dom“ oder „Leichen und Reliquien“ nicht nur Neugier wecken, sondern dem Leser die unbekannten Seiten eines scheinbar alten Vertrauten auf spannendem Weg entdecken.
Ein in jedem Sinn gewaltiges Beispiel dafür ist unser Steffl, der Stephansdom mitten in Wien, gleichzeitig mitten in Österreich und in gewissem Sinne mitten in Europa. Man braucht sich nur mit ihm einzulassen. Wer sich in dieser Absicht durch das Portal am Heidentor dem Trubel der City entzieht, wird nach dem Gitter, das streng Touristen von Betern trennt, im gedämpften Licht von der tiefen Ruhe dieses sakralen Raumes umfangen. Der Blick, der vor langsamer werdenden Gedanken vorerst ziellos herum schweift, wird bald an Fragen hängen bleiben, die sich an den zahllosen Details dieser beredten Architektur stellen.
Um das Raunen, das über Jahrhunderte in die Gegenwart dringt, in verständliche Messages zu wandeln, muss man sich allerdings mit Wissen eindecken. Es gibt dazu eine reiche Auswahl an Lesestoff, der nun mit einem äußerst praktischen Büchlein bereichert wurde: Der Stephansdom (Gabriele Hasmann). Erschienen ist es im Pichler Verlag, der mit diesem Band 1 die verheißungsvolle Serie „Die geheime Geschichte von Österreichs Kulturdenkmälern“ (Herausgeber: Johannes Sachslehner) eingeleitet hat.
Hasmann, Gabriele: Der Stephansdom. Die geheime Geschichte von Österreichs Kulturdenkmälern, Band 1, Pichler Verlag, Wien 2011, ISBN 978-3-85431-555-1, Preis € 19,95.