Molières scharfbitterer Schwanengesang auf die unausrottbare Falschheit – eine Komödie!
Niemand war vor dem Spott dieses Franzosen gefeit. Molière kümmerte sich nicht um Beliebtheitswerte, wenn er seine Zeitgenossen (und wohl oder übel auch deren Nachfolger) in seinen Stücken der Lächerlichkeit preisgab; meistens zu Recht. Er war ein Karikaturist des Theaters, dessen spitze Feder vernichtende Dialoge schrieb, die bis heute ihre Gültigkeit haben. Sein letztes Werk ist „Der eingebildete Kranke“ (La Malade imaginaire), das einen reichen Mann am unerschütterlichen Glauben festhalten lässt, dass ihn nur die teuren Verschreibungen seines Arztes vor dem Tod bewahren könnten. Als Draufgabe hat er ein zweites Mal geheiratet, mit dem Ergebnis, dass seine nunmehrige Ehefrau die Töchter aus der ersten Ehe hasst und sein Ableben kaum erwarten kann. Dazu kommt eine rührende Liebesgeschichte, die dank der Umtriebigkeit einer Angestellten zum guten Ende kommt. Generationen haben darüber schon Tränen gelacht, ohne zu bedenken, dass Molière als Hauptdarsteller bei der vierten Vorstellung am 17. Februar 1673 einen Blutsturz erlitt, der leider keine Einbildung, sondern eine todbringende Angelegenheit war.
Eine wackere Truppe um den Schauspieler und Regisseur Rochus Millauer hat sich der gewaltigen Aufgabe unterzogen, diesen Klassiker der heiteren Muse im Theater Center Forum II über die doch recht kleine Bühne zu bringen. Trotz oder vielleicht wegen des Eindrucks, dass Molière in einer Zündholzschachtel stattfindet, begeistert die Inszenierung. Nahe am Original wird mit sichtlich großem Spaß ernsthaft „Comédie-Française“ gespielt. Mit ein paar praktisch zerlegbaren Ausstattungsstücken wie Hockern und einem Kanapee wird das „Krankenzimmer“ zum Einsatzort von diversen Therapien. Die eine kommt von Doktor Diafoirus (Bernhard Jammernegg), der weiß, wie er seinem Patienten im Glauben an unheilbare Krankheiten bestärken kann.
Zudem wird dessen dümmlicher Sohn Thomas (Felix Millauer als angehender Arzt) zum Heiratskandidaten der Tochter erwählt. Angélique heißt das reizende Geschöpf im wagemutig offenherzigen Kostüm, das Katharina Smutny übrigens außerordentlich fein steht. Doch sie liebt den hübschen Cleante (Lukas Millauer). Ihre kleine Schwester Béline (Anna Dangel) ist selbstverständlich auf ihrer Seite, ebenso Toinette, die von ihrem Dienstgeber die unflätigsten Beschimpfungen ertragen muss. Natascha Shalaby ist die witzige Dienerin, die mit List und Mummenschanz die Wunderheilung von Argon schafft. Der aus TV und Film bekannte Peter Gulan hat als solcher die Aufgabe, um Einläufe zu betteln und ohne Genierer geruchsintensiven Winden freien Lauf zu lassen. Im Beisein seines Bruders Béralde (Andreas Wutte) kann er sogar überzeugt werden, dass Béline (Viktoria Wais) alles andere als eine liebende Gattin ist und er sich am besten gleich selbst den Doktorhut aufsetzt, um in Zukunft von Quacksalbern der üblen Art verschont zu bleiben.
Worüber sich die Leut´ so Sorgen machen, wenn andere glücklich sind.
Was kann den beiden besseres passieren?! Er ist 32 Jahre alt, ein Rockmusiker, den der große Erfolg bisher gemieden hat, und der deswegen in einem Fitness-Studio sein Geld verdient. Dabei hat er sie kennengelernt, eine Frau, die, naja, nicht mehr ganz so jung ist, aber immer noch attraktiv genug, um dem Jüngling die Ohren schlackern zu lassen. Nach kurzer Phase scheuer Annäherung landen sie im Bett. Er darf ihre bestens konservierte Lebenserfahrung genießen und sie Nacht für Nacht unter den Zuwendungen eines unersättlichen Liebhabers erschauern. Um sie herum herrscht darob jedoch immense Aufregung. Da ist einmal Jürgen, der Ex von Bettina, so heißt die reife Dame. Ihn frisst die Eifersucht, die er fast glaubhaft in den Wunsch kleidet, wieder mit seiner Gattin vereint zu werden. Eine Kümmerin ist auch Dagmar, mit der Bettina die Boutique „Bluse“ betreibt.
Für sie sind Männer praktische Gebrauchsartikel, die den Frieden in ihrer vom Sexbedürfnis aufgewühlten Seele herstellen. Die größte Gefahr für das nicht ganz alltägliche Liebesverhältnis geht von Susanne aus. Sie ist die Tochter von Jürgen und Bettina und eine Studienkollegin von Oliver, den sie mit einem Fingerschnippen für sich zu kriegen glaubt. Es wird alles drangesetzt, Exfrau, Freundin und Mutter auf ihr physisches Alter aufmerksam zu machen und die in ihren Augen peinliche Affäre zu beenden.
Curth Flatow (1920-2011) hat aus dieser absolut nicht friktionsfreien Konstellation die Komödie „Rock und Bluse“ geformt. Regisseur Thomas Koziol hat sie im Theater Center Forum II als turbulente Begegnung all dieser grundverschiedenen Charaktere inszeniert. Es beginnt damit, dass Alois Frank als Jürgen grantelnd sein Hemdenfaltbrett aus der ehemalig gemeinsamen Wohnung abholen will und dort nicht Bettina, sondern den Jüngling Oliver antrifft.
Jakob Maximilian schwingt dabei virtuos den Wischmopp der Marke Swiffer, während am Bühnenrand seine E-Gitarre vergeblich auf ihren Einsatz wartet. Das Missverständnis nimmt seinen Lauf. Es folgt eine rührende Liebeserklärung und aus dem beflissenen Hausburschen wird umgehend der Lover von Bettina. Wer sonst als Irene Budischowsky könnte diese mit eleganter Weiblichkeit anziehende Frau spielen?! Man nimmt es ihr auf der Stelle ab, dass sich Oliver längst in sie verliebt hat, ohne sich um das jeweilige Geburtsdatum zu kümmern. Dagmar (Anita Kolbert) wäre allzu gern an ihrer Stelle, aber bei ihr stellen sich mehr und mehr Selbstzweifel ein, da ein Mann nach dem anderen sich von ihr verabschiedet. Susanne (Natascha Ties) wiederum muss einsehen, dass auch ein Outfit, das an Zudringlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, Oliver nicht herumkriegen kann. Wenngleich dieses Stück Theater schon einige Jahre auf dem Buckel hat, es wirkt wie Bettina jung genug, um diese Problematik mit Humor und doch einer Portion Tiefgang über die Rampe zu bringen.