Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Evgeny Akimov (Don Jerome), Anna Goryachova (Clara), Vladimir Dmitruk (Don Antonio)

Evgeny Akimov, Anna Goryachova, Vladimir Dmitruk, Stacey Alleaume, Petr Sokolov, Arnold Schoenberg Chor © Werner Kmetitsch

DIE VERLOBUNG IM KLOSTER Sergei Prokofjiew und die komische Oper

Die Verlobung im Kloster, Ensemble © Werner Kmetitsch

Die Verlobung im Kloster, Ensemble © Werner Kmetitsch

Wenn sich das gute alte Sevilla in Russlands Weiten erfolgreich zum Fisch- und Heiratsmarkt verwandelt...

Man gönnt dem steinreichen Mendoza von Herzen, dass ihm anstelle der jungen Braut eine nicht mehr taufrische Anstandsdame untergejubelt wird. Dem in die Jahre gekommenen Fischhändler ist seine anrüchige Ware wichtiger als die Tochter des biederen Don Jerome, die allein aus geschäftlichen Gründen seine Frau werden soll. Sein Pech, dass er das Ziel seiner ehelichen Wünsche noch nie gesehen hat. Der in Dublin geborene Dichter Richard Brinsley Sheridan hat sich schon 1775 darüber in der Comic Opera „The Duenna“ lustig gemacht. Als dieses Libretto Sergei Prokofjiew um 1940 in die Hände fiel, war er begeistert: „Das ist ja geradezu Champagner, das kann ja eine Oper im Stil Mozarts und Rossinis werden.“ Gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin Mira Mendelson wurde der Text geschrieben und von Prokofjiew für großes Orchester und eine stattliche Solistenriege vertont, ganz in der farbenprächtigen Art, die seine Kompositionen auszeichnet. Wenngleich die Geschichte im spanischen Sevilla spielt, handelt es sich um eine russische Oper, deren Handlung in einem orthodoxen Kloster mit versoffenen, geldgierigen und sexuell originellen Mönchen entschieden wird (man denke dabei an die Entstehungszeit in der Sowjetunion während der Herrschaft Stalins).

 Valery Gilmanov (Mendoza), Zoltan Nagy (Don Carlos), Arnold Schoenberg Chor © Werner Kmetitsch

Valery Gilmanov (Mendoza), Zoltan Nagy (Don Carlos), Arnold Schoenberg Chor © Werner Kmetitsch

 Evgeny Akimov (Don Jerome), Valentino Blasina (Lopez), Tänzerin © Werner Kmetitsch

Evgeny Akimov (Don Jerome), Valentino Blasina (Lopez), Tänzerin © Werner Kmetitsch

Der Italiener Damiano Michieletto hat für das Theater an der Wien in seiner Inszenierung eine hinreißende Commedia dell´arte mit der Wucht modernen Musiktheaters elastisch verbunden. Mit seinem Landsmann Paolo Fantin wurde eine Bühne voll Überraschungen geschaffen. Dominierend sind die Fische, die zum Teil wie Flossen tragende Monster über dem Geschehen wachen. Die musikalische Leitung obliegt allerdings einem Russen. Der schon in jungen Jahren mit Preisen ausgezeichnete Dmitry Matvienko steht an Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien und führt mit sicherem Schlag das Ensemble zu Höchstleistungen. Dazu zählen neben dem bewährten Arnold Schönberg Chor, der gegen Ende in Nonnen- und Mönchskutten verborgen ist, auch Tänzerinnen und Tänzer, die in neckischen Kostümen am unmoralischen Fischhandel teilhaben.

Valery Gilmanov (Mendoza), Elena Maximova (Die Duenna) © Werner Kmetitsch

Valery Gilmanov (Mendoza), Elena Maximova (Die Duenna) © Werner Kmetitsch

 Arnold Schoenberg Chor, Ballett © Werner Kmetitsch

Arnold Schoenberg Chor, Ballett © Werner Kmetitsch

Die Sprache ist Russisch, deswegen wird Don Jerome als geplagter Vater einer hübschen, aber eigenwilligen Luisa (Stacey Alleaume) auch vom strahlendem Tenor Evgeny Akimov gesungen. Als sein Sohn Don Ferdinand leidet Bariton Petr Sokolov an der Liebe zur schönen Clara (Anna Goryachova) und entbrennt in rasender Eifersucht gegen Don Antonio, den Geliebten von Luisa. Es kommt zu einem Duell, da Vladimir Dmitruk genauso wenig wie Ferdinand die von der Duenna (mit erfrischender Komik: Elena Maximova), einer Anstandsdame, erdachte List durchschaut hat, mit der ein heiratslustiger Mendoza hinters Licht geführt werden soll.

Es ist ja auch nicht leicht, in diesem Mummenschanz mit vertauschten Kleidern den Überblick zu behalten. Als armseliges Faktotum verirrt sich darin hilflos Don Carlos (Zoltan Nagy). Am wenigsten gelingt dies jedoch seinem Busenfreund. Valery Gilmanov verhilft mit wahrhaft mächtigem Bass und stets ein paar Fischen im Ärmel seinem Mendoza als Großmaul und letztendlich hereingelegter Hochzeiter zu einem lachenden Publikum, das ihm beim Schlussapplaus mit lautstarker Begeisterung dankt. An stimmlicher Grundgewalt kann sich eventuell noch Bassbariton Sorin Caliban mit ihm messen. Dessen Pater Augustin ist Abt des Klosters, mit ehrwürdigem Bart, Kreuz an der Brust und Reizwäsche unter der Kutte. Schließlich werden im Bierdunst der heiligen Klause die richtigen Paare ehelich verbunden. Dem geprellten Fischhändler bleiben nur eine ihm vermählte fröhliche Duenna und die gewaltigen Gräten, die letztendlich gespenstisch von der Decke des Festsaales über der dreifachen Hochzeit baumeln.

Stacey Alleaume (Luisa), Anna Goryachova (Clara), Ensemble © Werner Kmetitsch

Stacey Alleaume (Luisa), Anna Goryachova (Clara), Ensemble © Werner Kmetitsch

Asmik Grigorian (Norma), Tareq Nazmi (Oroveso), Arnold Schoenberg Chor  © Monika Rittershaus

Asmik Grigorian (Norma), Tareq Nazmi (Oroveso), Arnold Schoenberg Chor © Monika Rittershaus

NORMA Aufstand der Unterdrückten im Belcanto

Asmik Grigorian (Norma), Statisterie  © Monika Rittershaus

Asmik Grigorian (Norma), Statisterie © Monika Rittershaus

Große Stimmen lassen eindrucksvoll die Zeitversetzung der Handlung vergessen.

In eine Manufaktur für Engelsfiguren bricht die Revolution herein. Nach der Ouvertüre werden in Massenproduktion Büsten eines Juntaführers hergestellt. Die Belegschaft ist dieselbe geblieben, muss nun aber in erzwungenem Frondienst für die neue Herrschaft tätig sein. Die Szene lässt staunen, denn vom Librettisten Felice Romani wurde die Handlung im Gallien zur Zeit der römischen Besetzung angesetzt. Auf die Gefahr hin, dass sich Text und Bild reiben, hat sich Regisseur Vasily Barkhatsov offenbar der Peinlichkeit enthoben, die Oper mit einer Schar von Mirakulixen à la Asterix und Obelix zu besetzen. Norma und ihre angehende Kollegin Adalgisa sind im Original weibliche Druiden. Ihre Aufgabe wäre es, mit der goldenen Sichel Misteln für die Mondgöttin zu schneiden oder vom Kriegsgott Irminsul mit archaischen Kulten im Kampf Hilfe gegen die Unterdrücker zu erflehen. Dazu müssten die Frauen keusch bleiben. Aber Norma hat sich schon vor Längerem mit dem römischen Prokonsul Pollione eingelassen und mit ihm zwei Kinder gezeugt. Nun wird auch Adalgisa schwach und verliebt sich in den Römer. Die Tragödie einer fatalen Dreiecksbeziehung inklusive Brüchen von Eiden nimmt ihren Lauf, die Beschwörungen von mittlerweile angezweifelten Gottheiten gehen ins Leere.

Aigul Akhmetshina (Adalgisa)  © Monika Rittershaus

Aigul Akhmetshina (Adalgisa) © Monika Rittershaus

Asmik Grigorian (Norma), Tareq Nazmi (Oroveso), Arnold Schoenberg Chor  © Monika Rittershaus

Asmik Grigorian (Norma), Tareq Nazmi (Oroveso), Arnold Schoenberg Chor © Monika Rittershaus

Vincenzo Bellini hat diese düstere Story in eine derart berauschende Musik gefasst, dass es eigentlich egal ist, ob sie für graue Frühgeschichte oder einen lateinamerikanischen Putsch komponiert wurde. Im Theater an der Wien steht am Pult der Wiener Symphoniker Francesco Lanzillotta, ein ausgewiesener Spezialist für dieses Genre. „Bellini ist der größte Meister der Melodie in der italienischen Musik“, streut er dem Komponisten Rosen.

Er hat dessen Arbeitsweise penibel analysiert und setzt seine Erkenntnisse in dieser Norma eindrucksvoll mit einem fantastischen Ensemble um. Es sind die beiden Solistinnen Asmik Grigorian und Aigul Akhmetshina, die Freddie De Tommaso als Pollione verfallen sind. Mit ihren Stimmen, Grigorian mit gewaltigem Tonumfang eines soprano sfogato, Akhmetshina mit einem außerordentlich vollen Sopran, stellen sie für den gestandenen Tenor durchaus eine Herausforderung dar. Respekt gebietend ist der Bass von Tareq Nazmi, wenn er als Vorarbeiter anstelle des Oberdruiden Oroveso die Konterrevolution organisiert. Vom leidenschaftlichen Schauspiel her ist sich dieses Quartett durchaus ebenbürtig. In der Halle ist zwischen Brennöfen und Paletten mit weißen Führerbüsten (Bühne: Zinovy Margolin) der Arnold Schönberg Chor am Werk, wie immer bei Produktionen dieses Hauses verlässlich einstudiert (Leitung: Erwin Ortner) und ein organisch wirkender Teil dieser in ihrer überwältigenden Wirkung großartigen Norma.

Freddie De Tommaso (Pollione), Asmik Grigorian (Norma)  © Monika Rittershaus

Freddie De Tommaso (Pollione), Asmik Grigorian (Norma) © Monika Rittershaus

Das Spitzentuch der Königin, Ensemble © Werner Kmetitsch

Das Spitzentuch der Königin, Ensemble © Werner Kmetitsch

DAS SPITZENTUCH DER KÖNIGIN Politsatire im Schwung der Strausswalzer

Das Spitzentuch der Königin, Ensemble © Werner Kmetitsch

Das Spitzentuch der Königin, Ensemble © Werner Kmetitsch

Dank dem Festjahr Johann Strauss wurde eine kostbare Rarität zu prallem Leben wiedererweckt.

Der noch sehr junge König von Portugal wird vom machtgierigen Premierminister auf seltsame Weise von der Übernahme der Regierungsgeschäfte abgehalten. Er wird mit getrüffelten Pasteten blöd gefüttert und so vom Nachwuchs bringenden Beischlaf mit der Königin abgehalten. Es dürfte funktionieren, wäre da nicht der aus seiner spanischen Heimat geflüchtete Dichter Cervantes, der die üblen Machenschaften des Thronräubers durchschaut und letztlich zu Fall bringt. Das wichtigste Requisit ist ein Spitzentuch, auf das die Königin eigenhändig den kryptischen Satz „Die Königin liebt dich, doch du bist nicht König.“ geschrieben hat. Es wechselt mehrfach den Besitzer und wird zur Quelle eines veritablen Eifersuchtsdramas. Die Librettisten Heinrich Bohrmann und Richard Genée haben daraus eine Satire gemacht, die – für das Publikum um 1880 völlig klar – auf Kronprinz Rudolph und das korrupte Geschehen am Kaiserhof bezogen war. Diese späte Operette von Johann Strauss Sohn war, so berichten die Annalen, aufgrund ihrer Melodienfülle ein Erfolg, der mit dem Selbstmord des Thronfolgers am 30. Jänner 1889 verständlicherweise sein bitteres Ende fand.

Alexander Strömer (Kriegsminister), Regina Schörg (Marquise von Villareal) © Werner Kmetitsch

Alexander Strömer (Kriegsminister), Regina Schörg (Marquise von Villareal) © Werner Kmetitsch

Ballett, Michael Laurenz (Graf Villalobos), István Horváth (Don Sancho) © Werner Kmetitsch

Ballett, Michael Laurenz (Graf Villalobos), István Horváth (Don Sancho) © Werner Kmetitsch

Das Stück wurde kaum mehr aufgeführt und beinahe vergessen. Erst mit dem heurigen Johann Strauss-Jahr darf „Das Spitzentuch der Königin“ in der grandiosen Inszenierung von Christian Thausing im Theater an der Wien wieder genossen werden. Im Mittelpunkt steht ein beeindruckendes Karussell, auf dem und mit dem sich alles dreht. Sieben Tänzer und Tänzerinnen schaffen schon während der Ouvertüre einen Gänsehaut-Moment, wenn sie sich als geheimnisvolle Tierfiguren aus dem Dunkel des Ringelspiels lösen und ab da stets als praktischer Hofstaat zur Stelle sind. Mit dem Arnold Schönberg Chor ist auch das für Jubelszenen stimmgewaltige Volk ein erfreuliches Detail, das sogar den bösen Graf Villalobos, seines Zeichens Premierminister, aus dem Schlaf weckt. Michael Laurenz macht mit knackiger Stimme kein Hehl aus seinem unlauteren Vorhaben und wurde für sein politisch aktuelles Couplet zu Recht mit Bravorufen bedankt.

Ballett, Beate Ritter (Donna Irene) © Werner Kmetitsch

Ballett, Beate Ritter (Donna Irene) © Werner Kmetitsch

Maximilan Mayer (Cervantes), Ensemble © Werner Kmetitsch

Maximilan Mayer (Cervantes), Ensemble © Werner Kmetitsch

Wie auf solchen Fahrgeschäften üblich, gibt es die Kutsche, gezogen von hölzernen Pferden. Dieser Wagen ist dem König reserviert, der wiederum für eine Überraschung gut ist. Diana Haller schleppt Mantel und Krone und wird mit ihrem vollen Mezzo zu einer Art Prinz Orlofsky, der anstelle des Champagners seiner Fresssucht huldigt. Elissa Huber als liebreizende Königin beklagt sich wortreich, dass sie ihr Gatte als Frau vollkommen ignoriert und sogar in der Hochzeitsnacht einen Leckerbissen ihrem Liebeshunger vorgezogen hat. Klar, dass der junge Dichter ihr Interesse erweckt. Cervantes (Maximilan Mayer) hat Charme und den richtigen Schmäh, um bei den Damen zu landen.

Er arbeitet gerade an seinem Roman „Don Quichote“ und holt sich seine Inspiration vom Hofpersonal. So wird das kurzsichtige Faktotum Don Sancho zum Begleiter des Ritters von der traurigen Gestalt. István Horváth hat als solcher eine ansehnliche Tenorpartie zu bewältigen und verbindet strahlende Höhen gekonnt mit subtiler Komik. Dass er aufgrund seiner Eitelkeit keine Brille trägt, führt dazu, dass er ständig an seiner Geliebten vorbei stolpert. Schade, denn die lebensfrohe Marquise von Villareal wäre eine Affäre absolut wert. Regina Schörg muss sich jedoch bis zum Schluss gedulden, um von ihrem Mann, dem Kriegsminister (Alexander Strömer), in den Armen des Geliebten ertappt zu werden. Donna Irene ist die mit großem Sopran ausgestattete Beate Ritter. Als Vertraute der Königin an der Seite von Cervantes trägt sie nicht unwesentlich dazu bei, dass in diesem von Walzer und Polka Schnell erfüllten Reich mit entsprechend heiteren Tönen (Wiener Kammerorchester unter der Leitung von Martynas Stakionis) ab der letzten Coda bis zum endgültigen Fine das Gute siegreich erklingt.

Ballett, Diana Haller (König) © Werner Kmetitsch

Ballett, Diana Haller (König) © Werner Kmetitsch

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