Angela Schneider (Frau Schnipps), Georg Kusztrich (Herr von Ledig)
Eine seltsam schräge Posse zu Heirat und Kinderkriegen
Der /nur angeblich) vom Junggesellendasein überzeugte Herr von Ledig freut sich, nach einem langen Tag der Ungebundenheit wunderbar auf beiden Ohren gleichzeitig schlafen zu können. Dort aber, wo er seinen Kopf hinbetten will, liegt schon was. Bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich als Baby. Die in der ersten Panik herbeigerufene Haushälterin Frau Schnipps weiß Rat und engagiert die erfahrene Mutter Frau Nanni als Amme für den fremden Knaben.
Johanna Kuztrich (Frau Nanni), Angela Schneider (Frau Schnipps)
Der nun folgende große Rest dieser 1845 uraufgeführten Komödie dreht sich um die Auffindung der Eltern dieses provisorisch in Servietten gewickelten Eindringlings in die Idylle des Hagestolzes. Eine Visitenkarte mit handschriftlichem Eintrag schafft zusätzlich Verwirrung und bringt den Fabrikanten Walzl samt Gattin ebenso ins Spiel wie den Modewarenhändler Falk. Dessen Tochter Marie und der allseits gut vernetzte Handlungsreisende Berg sind ebenso darubverwickelt wie die Mädchen einer Strohhutfabrik oder der Maler Arnold, der als Kavalier sein Leben in einem Duell aufs Spiel setzt.
Es stellt sich heraus, dass beinahe jede und jeder Beteiligte Dreck am Stecken, bzw. Anteil an diesem ominösen Kindesfund hat, aber es wär´ kein wahrer Nestroy, gäbe es nicht auch hier im letzten Moment eine Wendung zu einem „wahrhaft unverhofften“ Happy End.
Im Theater Sommer Mauer spielen rund um Georg Kusztrich als authentische Verkörperung des stets präsenten Herrn von Ledig u. a. Stephan Paryla als eifersüchtiger Walzl. Ein amouröser Seitenblick dessen charmanter Frau Gabriele (Dorothea Parton) bringt Prinzipal Christian Spatzek in der Rolle des Malers Arnold in eine prekäre Situation. Modewarenhändler Falk (Hermann J. Kogler) ist das Mensch gewordene Misstrauen, das bezüglich seiner hilfsbereiten Tochter Maria (Ivana Urban) und seinem zeugungstüchtigen Reisenden Berg (Fabian Spatzek) am ehesten angebracht wäre. Für das Wohlsein des Babys sorgen Johanna Kusztrich als wirtschaftlich denkende Frau Nanni und Angela Schneider, die ihre Frau Schnipps gekonnt böhmakelnd durch das chaotische Geschehen wandeln lässt.
Mit Respekt vor dem Original inszenierte Kleist´sche Komödie
Just an dem Tag, als die leidige Sache mit dem in Scherben gegangenen Krug an seinem Gericht eingebracht wird, wird das Erscheinen von Gerichtsrat Walter angekündigt. Es treffen alle nur denkbaren Widrigkeiten aufeinander, um Dorfrichter Adam in die Bredouille zu bringen. Aber was hatte der alte Depp in der Kammer des blutjungen Evchens verloren, als deren Verlobter, der ungehobelte Bauernbursch Ruprecht Tümpel, spät nachts seine Braut besuchen will. Die Flucht wird bekanntlich zum Desaster, das ihn am folgenden Morgen am Kopf zerschlagen, im Gesicht zerkratzt und am Bein verwundet aufwachen lässt. Dass im überhasteten Rückzug die Perücke, das Hoheitszeichen seines Amtes, verloren geht, ist so besehen nicht mehr als ein Kollateralschaden. Heinrich von Kleist hat in „Der zerbrochne Krug“ genüsslich dargestellt, wie sich ein banaler Zivilprozess zur vernichtenden Selbstbeschuldigung einer zweifelhaften, weil korrupten Autorität auswächst. So besehen tut es zu allen Zeiten gut, zuzusehen, wie am Ende doch die Gerechtigkeit siegt und nicht vor „denen da oben“ halt macht.
Wenn Christian Spatzek diese Komödie zuerst für Parndorf und dann für den Theater Sommer Mauer ausgewählt hat, dann darf eine dem Werk getreue Inszenierung erwartet werden. Die Blankverse von Heinrich Kleist mögen im ersten Moment veraltet klingen, werden aber nicht zuletzt durch das Ensemble mit frischem Leben erfüllt und machen die Aufführung zu einem theaterhistorischen Erlebnis. In der von Siegbert Zivny mit Delfter Fliesen verzierten Amtsstube wartet Hermann J. Kogler als Schreiber Licht mit geduldiger Hinterlist auf seine Beförderung zum Dorfrichter.
Er dürfte auf der Stelle den Tatbestand durchschaut haben, als mit weiblicher Wucht Frau Marthe Rull (Angela Schneider) das Corpus Delicti, eben den zerbrochenen Krug, präsentiert. Mit ihr erscheinen Tochter Eve (Anna Slavicek) und der ob des Verdachts zurecht erboste Verlobte Ruprecht Tümpel. Fabian Spatzek lässt seinem Zorn freien Lauf und verschont seine Braut nicht vor groben Verbalinjurien. Sein Vater Veit (Christian Spatzek) kann nur hilflos dem Treiben seines Sohnes zuschauen. In die bei solchen Anlässen üblichen Schreiduelle versucht Gerichtsrat Walter Ruhe zu bringen. Christoph Schobesberger wird dabei zum Kontrollorgan, das seine Härte gekonnt mit einer Maske aus Leutseligkeit kaschiert. Mit der Zeugenaussage von Frau Bigitte (Johanna Kusztrich) wird ihm klar, dass nicht nur der Dorfrichter, sondern das gesamte Rechtssystem in ein schiefes Licht geraten könnte. Dem betroffenen Adam ist es jedoch egal. Georg Kusztrich läuft als Lügen gewandter Dorfrichter zur Hochform auf, die aber nicht verhindern kann, dass sich letztendlich seine Befürchtung bewahrheitet: