Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Jürgen Kapaun, Valerie Bolzano © Bettina Frenzel

Jürgen Kapaun, Valerie Bolzano © Bettina Frenzel

DIE TSCHAUNERS Der Gründungsmythos einer Stegreifbühne

Eva D., Thomas Schreiweis © Bettina Frenzel

Eva D., Thomas Schreiweis © Bettina Frenzel

Ein schaurig spaßiges Musical mit den skurrilen Ahnen eines schrägen Theaters

Das markante Pip Pi Pip Pi Pip von Funkytown verführt zum Fingertanz, ist aber der Ton der Türglocke einer Villa, die sowohl Heimstätte der Munsters, der Addams Family als auch der von Dr. Frank N. Furter in der Rocky Horror Picture Show sein könnte. Bewohnt wird sie von den Tschauners, mit Adam, dem Hausherren, seiner liebreizenden Gattin Conticha und einer ungemein grantigen Tochter, die auf Briefträger und die lauthals singende Tante Morbida schlecht zu sprechen ist. Nach einer Autopanne im Gewitter stoßen Janet und Brad zu dieser seltsamen Gesellschaft, die pleite ist und sich eben Gedanken macht, wie man eine Delogierung verhindern könnte. Drohend im Raum steht Geld verdienen durch Arbeiten. Aber was? Bis ihnen eine Katastrophe (das Haus fliegt just während der Pause in die Luft) die Antwort liefert. Natürlich Stegreiftheater machen, what else?!

Valerie Bolzano, Eva D., Jürgen Kapaun, Bernhard Viktorin, Isabel Meili © Bettina Frenzel

Valerie Bolzano, Eva D., Jürgen Kapaun, Bernhard Viktorin, Isabel Meili © Bettina Frenzel

Die Tschauners, Ensemble © Bettina Frenzel

Die Tschauners, Ensemble © Bettina Frenzel

Um gute Stimmung braucht sich trotz der düsteren Story niemand Sorge zu machen. Man braucht sich nur die Namen hinter den obskuren Gestalten ansehen.

Im familiären Zentrum steht der subtile Komiker Thomas Schreiweis, dessen Asche nach der Explosion in einer Blechdose landet, damit er als Supermarktbetreiber Hermann wieder auferstehen darf. Um ihn scharen sich der Meister launiger Improvisation Jürgen Kapaun als lasziver Conchita-Verschnitt, die charmant schweizerisch sprechende Isabel Meili als biedere Janet, Bernhard Viktorin als ihr braver Ehemann, Tante Eva D. und deren Nichte Valerie Bolzano. Jede und jeder für sich sind mit ihren eigenen erfolgreichen Kabarettprogrammen dem begeisterten Publikum deutlich vernehmbar ein Begriff. Die Gespräche des Sextetts verlaufen eher ungewöhnlich, da anstelle des Redens lieber gesungen und die Handlung zu den Melodien internationaler Hits mit eigenen Texten erzählt wird. Die musikalische Leitung dazu liegt in den Händen von Markus Richter, der mit Magda Leeb in der Regie diese „gruselig grandiose Stegreif Revue“ (© Tschauner Bühne) gezaubert und damit einen weiteren guten Grund geliefert hat, es auch in diesem Sommer in Ottakring so richtig tschaunern zu lassen.

Jürgen Kapaun mit Urne © Bettina Frenzel

Jürgen Kapaun mit Urne © Bettina Frenzel

Gloreiches Finale von 1000 Jahren Tschauner Bühne © Bettina Frenzel

Gloreiches Finale von 1000 Jahren Tschauner Bühne © Bettina Frenzel

1000 JAHRE TSCHAUNER Eine Musikrevue mit „englischem“ Gesang

Das Ensemble in der Praxis von Dr. Joy © Bettina Frenzel

Das Ensemble in der Praxis von Dr. Joy © Bettina Frenzel

Hits aus großen Musicals für die laaaange Geschichte der Stegreifbühne

Die Jubiläums-Premiere rückt näher, aber weder Autor noch Regisseur haben einen blassen Dunst, was eigentlich gegeben werden soll. Die Hauptdarstellerin ist ebenfalls keine große Hilfe. Was alle drei nicht wissen: Sie sind Akteure in einer wahrhaft himmlischen Wette. Die beiden flügellosen Engerln namens Komödie und Melodramatikus wollen ihrem polternden Chef da oben beweisen, wie wichtig Theater für die Menschen ist. Sie treiben sich auf der Tschauner Bühne herum, meistens unsichtbar, und versuchen das ratlose Leading Team auf die rechte Bahn zu bringen; z. B. mittels einer Gruppentherapie bei Dr. Joy oder bei einem Casting, bei dem die beiden Geisterlein jedoch schlecht abschneiden. Es geht um die Geburtswehen eines Erfolgsstücks, die mit selbstgestrickten Songtexten zu bekannten Melodien launig erzählt werden; was wiederum dem gesamten Ensemble viele Möglichkeiten einräumt, schauspielerisches, tänzerisches und gesangliches Können eindrucksvoll zu beweisen.

Flügellose Engerln: Georg Hasenzagl, Daniela Lehner © Bettina Frenzel

Die zwei Engerln: Georg Hasenzagl, Daniela Lehner © Bettina Frenzel

Lilly Kugler-König, Georg Hasenzagl © Bettina Frenzel

Lilly Kugler-König, Georg Hasenzagl © Bettina Frenzel

Im Zentrum der Ideenfindung steht Markus Richter, der sowohl der echte als auch der gespielte Regisseur ist. Sein Stückeschreiber Jürgen Kapaun hätte zwar einige Vorschläge, die aber sofort wieder verworfen werden. Die Grand Dame der Bühne, Lilly Kugler-König, ist von sich mehr als überzeugt, aber das genügt halt nicht, wenn kein passender Stoff für ihr überragendes Talent vorhanden ist. Hoffnung keimt auf beim Kurzeinsatz von Kabarettist Bernhard Viktorin.

Mit einem selbstgemachten Lied und als Virtuose an der Luftgitarre findet er Gefallen bei der Jury. Aber auch das ist nicht wirklich die Lösung. Als Engerl mischen sich deswegen Daniela Lehner und Georg Hasenzagl in das Geschehen ein. Schließlich soll es nach der Premiere heißen: Es hat passt! In einer Rückschau auf 1000 Jahre Tschauner gibt es genügend Gelegenheiten, Zitate aus gehabten Produktionen anzuspielen. Von „Komm ein bisschen mit nach Italien“ über „Das weiße Rössl“ bis zum „Pflanz der Vampire“ wird alles angespielt und kommt beim Stammpublikum mit erfreulichem Erinnerungsfaktor selbstverständlich gut an. Damit das Wichtigste beim Tschaunern nicht vergessen wird, werden Herr und Frau Tschauner aus dem Grab geholt und treten als Puppen auf. Sie haben schließlich vor 115 (oder ein bisschen aufgerundet vor 1000) Jahren mit dem Stegreif angefangen und hätten ihre Freud´ d´ran g´habt, wenn die Zuschauer nicht nur lachen und klatschen, sondern bei einigen der alten Hadern auch begeistert mitsingen und am Ende sagen: „Es hat passt!“

Jürgen Kapaun, Markus Richter © Bettina Frenzel

Jürgen Kapaun, Markus Richter © Bettina Frenzel

Tschauner Bühne Logo 300

Statistik