Kultur und Weindas beschauliche MagazinNina Hartmann & Martin Leutgeb beim Abkratzen © Tanja Schwind DAS LETZTE MAL Eine sehr lebensnahe schwarze Komödie
Mitten in der spannendsten Übertragung eines Eiskunstlaufes lässt sie ihm folgende Frohbotschaft zukommen: „Schatz, ich habe dich vergiftet.“ Gerade eben haben Spaghetti und Dosenbier noch gemundet, während auf dem Bildschirm wird der herrlichste dreifache Toeloop gesprungen wird. Es braucht also eine Weile, bis ihre Botschaft sickert, wird aber fürs Erste nicht ernst genommen. Die liebende Gattin schafft es dann doch, die Lage entsprechend klar zu schildern, um zumindest seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hat sich Digitalis besorgt und ihm verabreicht, also ein probates Mittel, um ihn zu ermorden – was für ein hässliches Wort, nein – um ihn sanft umzubringen. Flucht ist unmöglich, genauso wenig wie der Nachweis der toxischen Substanz in seiner Leiche. Gute eineinhalb Stunden habe er noch Zeit. Es entspannt sich eine Auseinandersetzung, wie sie den meisten von uns, zumindest den Verheirateten, nur allzu bekannt ist. Die Idee zu dieser radikalen Form von Scheidung stammt von Emmanuel Robert-Espalieu, einem Meister des humour noir, des schwarzen Humors, mit dem der Franzose diese Komödie pikant gewürzt hat.
Drey Sarich als Hedwig © Katharina Schiffl HEDWIG AND THE ANGRY INCH Vom Mann zur Frau Träumen nachjagen
Auf den die Bühne beherrschenden Boxen der Tonanlage spielen Heads with Wigs (Perücken auf Modellköpfen) bereits auf den ersten Teil des Titels dieses Rock-Musicals an, das nach einem Buch von John Cameron Mitchell mit Musik und Gesangstexten von Stephen Trask vom Broadway ausgehend längst in aller Welt sagenhafte Erfolge feiert. Es könnte sich um eine Transvestiten-Show handeln, aber zur Hedwig gibt es noch den Angry Inch, das Ergebnis eines schmerzhaften Schnitts, der nach der operativen Entfernung des Zumpferls als unzureichende Möse verblieben ist. Das Opfer dieses Kunstfehlers hat Hansel geheißen und war in der DDR aufgewachsen. Im Radio ließen sich die Sendungen des American Forces Network auch im Osten empfangen und schufen beim heimlichen Hören einen Traum vom Westen. Ein riesiges Gummibärli mit dem Geschmack nach Macht schafft sowohl ein Loch in der Berliner Mauer und als auch im Unterleib der nunmehr nach ihrer Mutter Hedwig gerufenen Frau. Sie geht mit Sugardaddy in die USA, um dort enttäuscht zu werden. Am tiefsten getroffen wird sie von Tommy Speck, den sie als GNOSIS ganz groß herausbringt, der sich aber mit einem angry Inch so gar nichts anzufangen weiß.
Es ist eine traurige Geschichte, die Drew Sarich auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Er tritt als pompöse Dragqueen auf, mit kunstvoll exaltierter Lustigkeit und dem schlüpfrigen Schmäh dieses Genres, wenn er beispielsweise von Leuten erzählt, die unter ihm gekommen sind, pardon, die ihm untergekommen sind, und ob der schrägen Pointe seine Zunge in teuflischer Geilheit rotieren lässt.
Fritzi Massary Mal zwei: Prisca Buchholtz, Anja Kruse FRITZI MASSARY war „eine Frau, die weiß, was sie will“
Oscar Straus war einer ihrer Lieblingskomponisten, neben Leo Fall, der jedoch bereits 1925 verstarb. Straus, so sagte sie selbst, schrieb für ihre Stimme die idealen Noten. Fritzi Massary (1882-1969) war in erster Linie Edel-Soubrette, ein Sopran, der mit seiner Helligkeit das Publikum faszinierte. Ihre größten Erfolge feierte sie in Berlin und später in Wien, ihr verdankten auch schwächere Operetten enormen Zustrom. Die Königin war sie! Man kam wegen ihr. Nebenbei war Massary ein Star der noch jungen Schallplatte – ein glücklicher Umstand, der die Ausdruckskraft dieser Sängerin bis heute beweist. Dass sie vergessen wurde, ist nicht zuletzt eine Folge ihrer Herkunft. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, trennte sich zwar von deren Bekenntnis, musste aber 1932 mitten im Applaus der Straus-Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ grässliche Sprechchöre hören: „Juden raus aus deutschen Theatern!“ Nachdem 1938 die Nazis auch in Wien einmarschiert waren, blieb ihr nur die Emigration in die USA. In Elfis Kulturkoffer, einem engagierten Verein für Bühnenproduktionen, wurde nun von Elfi Schweiger dieses bemerkenswerte Leben in einer österreichischen Fassung für das Theater aufbereitet. Die Uraufführung von „Eine Frau, die weiß, was sie will“ fand am 16. Jänner 2024 im Vindobona statt. Aufgeboten wurde dafür der renommierte Regisseur Andreas Gergen, der mit denkbar einfachen Mitteln eine durchaus mitreißende Show inszeniert hat. Als „Orchester“ wirken Paul Kropfitsch an der Violine und Maximilian Kromer am Klavier. Sie begleiten drei Solisten, von denen zwei als Fritzi Massary und einer als ihr Ehemann Max im Einsatz sind.
Culinarical 7.0, Ensemble © Katharina Schiffl CULINARICAL 7.0 Genuss hoch 2: Musical & Dinner
Mathematiker mögen die Stirn runzeln: Musical und Speisen sind zwei Dinge, die Spaß machen, und nicht mehr! Doch! wage ich zu behaupten. Denn in dieser Kombination potenziert sich der Genuss, ganz ohne Rechnen. CulinariCAL ist damit zu einem überaus erfolgreichen Format geworden. Heuer macht es bereits zum siebten Mal das Vindobona zum unwiderstehlichen Anziehungspunkt für ein Publikum, das offen ist sowohl für gute Musik als auch für die Kunst aus der Küche. Von Regisseurin Rita Sereinig wurde dem Ganzen ein durchaus nachvollziehbares System zugrunde gelegt. Sowohl Musikprogramm als auch die Speisenfolge sind thematisch auf drei Stationen aufgeteilt. Von Wien geht es über den Atlantik nach New York und dann wieder zurück in die Alte Welt nach London. Nachdem sich Wien schon vor Jahrzehnten zu einer Musicalmetropole gemausert hat, sind Produktionen wie „Mozart“, „Elisabeth“, „I am from Austria“ oder das derzeit noch im Ronacher live zu erlebende „Rock me Amadeus“ absolut Home Made. Kunstvoll flimmernde Projektionen übertragen die jeweilige Stimmung der Songs auf Raum und Bühne, auf der ein Ensemble von ausgesuchten Musicalröhren Klassiker und Neuerscheinungen ins Vindobona schmettert. Am Werk sind Melanie Gebhard, Daniela Lehner, Tanja Petrasek, Melanie Engl, Konstantin Zander, David Mannhart, Chris Green und Lukas Weinberger. Dass Arrangements und Takt stimmen, dafür sorgt Andreas Brencic. Die Zuhörerschaft kann darauf ihre volle Konzentration verwenden.
Daniel Große Boymann (Emmanuel Weinstock ) © Tanja Schwind MEISTERKLASSE Andrea Eckert als unbekannte Callas
Der amerikanische Dramatiker Terrence McNally (1938-2020) war zweifellos ein Verehrer von Maria Callas und einer, der sich intensiv mit der Sängerin beschäftigt hat. Der „Göttlichen“ hat er ein Theaterstück gewidmet. „Master Class“ (1995) geht weit über biographische Notizen hinaus, es zeigt vielmehr eine (ehemalige) Sängerin, die sich nach dem Ende ihrer unvergleichlichen Karriere dem Nachwuchs widmet und im Zuge einer Meisterklasse das Wesen der Musik, des Gesanges und der Interpretation weitergeben will. Zwei Sopranistinnen und ein Tenor haben den Mut, sich ihrem teils harschen Urteil zu stellen. Sie begegnen dabei einer verbitterten Frau, deren Lebenspartner in ihren Erinnerungen auftauchen. Von Giovanni Battista Meneghini ließ sie sich scheiden, ihre große Liebe, der Milliardär Aristoteles Onassis, hat sie verlassen. Das glückliche Leben eines Stars sieht anders aus als es in diesem Stück deutlich wird.
Im Vindobona wurde genau am Tag ihres hundertsten Geburtstages (2. Dezember 2023) vor vollem Haus die „Meisterklasse“ aufgeführt, als Verbeugung vor einer Stimme, die bis heute legendär ist – in diesem Stück aber nur selten, und wenn, dann vom Band zu hören ist. KS Andrea Eckert wird in der Sprechrolle zur Callas, in frappierender Authentizität, der man die nicht immer angenehme Aufrichtigkeit abnimmt, mit der sie ihre Leidenschaft zur Musik weitergeben will, aber auch im Scheitern der Beziehungen mit ihr leidet. Maria Callas, obwohl geborene Griechin, scheint das Italienisch von Giuseppe Verdi verinnerlicht zu haben, wenn sie – allora! – Anweisungen erteilt.
Szenenfoto von Dinner before Christmas Musikalisch-kulinarische Vorfreude mit DINNER BEFORE CHRISTMAS
Für viele Menschen ist die Vorweihnachtszeit „the most wonderful time of the year“, andere sagen einfach Advent und meinen damit das Gleiche. Glücklich sind diejenigen, die sich dafür einen kleinen Teil ihres kindlichen Gemüts bewahrt haben. Sie können hemmungslos in die Romantik dieser Tage eintauchen und sich auf das Christkind freuen. Freilich ist mit dieser Zeit auch Ungeduld verbunden, Wünsche werden in kleinen Brieferln geäußert und es werden Pläne geschmiedet, um das Weihnachtsfest als einen Höhepunkt des Jahres zu inszenieren. Unabdingbar dazu gehören Kleinigkeiten wie ein möglichst hoher Christbaum, bunt verpackte Geschenke, der Festschmaus nach der Bescherung und – nicht zu vergessen – das mehr oder weniger klangvolle Absingen von „Stille Nacht“ bei Kerzenschein. Schön, wenn sich die dazu versammelte Gesellschaft auch ein bisschen lieb hat, zumindest am Heiligabend. Bis es so weit ist, sollte die Vorfreude alles andere, beispielsweise den oft beschworenen Stress, verdrängen. Professionselle Hilfe bietet dafür „Das Vindobona“. Mit dem Programm „Dinner before Christmas“ wird es leicht gemacht, eine Anregung für gelungene Weihnachten mitzunehmen.
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