Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


(Birgit Unterweger), Paul Grill © Marcel Urlaub / Volkstheater

(Birgit Unterweger), Paul Grill © Marcel Urlaub / Volkstheater

LIEBES ARSCHLOCH Ein „Briefroman“, von Losern getippt

Birgit Unterweger, Paul Grill © Marcel Urlaub / Volkstheater

Birgit Unterweger, Paul Grill © Marcel Urlaub / Volkstheater

Aufschlussreich für Social Media Verweigerer: #metoo, Feminismus, Hass und was sich sonst noch im angeblich freien Netz herumtreibt.

Wer die „anarchische Lebenswut“ einer radikalen Feministin kennenlernen will, braucht nur Virgine Despentes Bücher zu lesen. Die Französin lässt darin an den Männern kein gutes Haar und hadert wortgewaltig mit der bloßen Existenz des anderen Geschlechts. Deswegen war das Erstaunen groß, dass sie 2022 in „Liebes Arschloch“ gemäßigte Töne angeschlagen hat. Freilich ist auch hier das männliche Wesen ein Widerling, der sich aufgrund sexueller Nötigung der Verlagsangestellten Zoé im Netz einen veritablen Shitstorm eingehandelt hat. Niemand will mehr die Werke des Schriftstellers Oscar lesen. Seine Karriere ist ebenso futsch wie die des in die Jahre gekommenen Filmstars Rebecca. Durch einen weitergeleiteten Link kommen die beiden ins gegenseitige Anschreiben. Ihre Reaktion auf sein unfreundliches Posting zu ihrer Person beginnt mit „Liebes Arschloch“ und wird zum Titel für den von Stephan Kimmig dramatisierten und inszenierten „Briefroman“.

 

Gut zwei Stunden netto beschreiben Birgit Unterweger als Rebecca und Paul Grill als Oscar ihren persönlichen Jammer. Das Dasein als Verlierer in einer mehr und mehr virtuellen Welt voller Missgunst verbindet. Beide kämpfen gegen analoge Süchte, gegen öde Langeweile und gegen allgemeinen Misserfolg. Sie macht dafür ihr Alter (50) verantwortlich, er die Attacken, die ihn unter #metoo zu einem Alien der Gesellschaft machen. Dazu kommt die Covid-Pandemie, die auch in Paris, dem Schauplatz dieser tristen Abhandlung, einen Lockdown generiert hat. Just im Zuge dieser eher unfreundlichen Erinnerung an unangenehme Tage lernt Rebecca das Opfer von Oscar kennen.

Sie schließt mit Zoé (Irem Gökçen) zarte Freundschaftsbande. Die junge Frau ist eine lautstarke Feministin, die unter eigenem Hashtag sattsam bekannte Vorwürfe gegen ein angeblich von Männern dominiertes Dasein hinausschreit. Als sie sich freiwillig in eine Anstalt einweisen lässt, um den von Oscar verursachten Schock zu überwinden, erkennt sie bald, dass die von männlichen Wissenschaftlern entwickelte Psychologie darauf keine Antworten hat und legt los: „Fuck Freud, Fuck Jung, Fuck Frankl. Fuck Fuck Fuck...“ Oscar und Rebecca treffen einander nie in IRL (für Newcomer im Netz: In Real Life). Verbunden werden sie auf der von Katja Haß gestalteten Bühne durch die von Ulrike Schild geführte Live-Kamera. An den störenden Abstand zwischen Bild und Sprache hat man sich bald gewöhnt, denn sowohl Unterweger, Grill als auch Gökçen machen diese in vielen Punkten bereits überholte und streckenweise äußerst zähe Anklage mit vollem Einsatz schauspielerischen Könnens durchaus kurzweilig. Den begeisterten Schlussapplaus eines nach der Pause bedenklich reduzierten Publikums haben sie sich redlich verdient.

Irem Gökçen © Marcel Urlaub / Volkstheater

Irem Gökçen © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lavinia Nowak, Frank Genser © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lavinia Nowak, Frank Genser © Marcel Urlaub / Volkstheater

BULLETT TIME Ein Mordprozess an der Wiege des Kinos

Bühnenbild und Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Bühnenbild und Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Bühne wird zum Drehort eines Films über dessen eigene Urgeschichte.

Wie bewegt sich ein Pferd, wenn es galoppiert? Diese Frage quält den Eisenbahn-Tycoon Leland Stanford, wenn er mit der Stoppuhr am Rand der Rennbahn auf seinem Anwesen mitten im heutigen Silicon Valley das Training verfolgt. Stanford hat es dank geschickter Verhandlungen und einiger einträglicher Betrügereien zu gewaltigem Reichtum gebracht. So kann er sich auch die schnellsten Rennpferde leisten und den besten amerikanischen Fotografen seiner Zeit. Eadweard Muybridge jedoch ist angeklagt. Er hat kurzerhand den Liebhaber seiner jungen Frau erschossen und steht nun vor Gericht. Galgen oder Freispruch? An dieser Stelle setzt das Stück „Bullett Time“ von Alexander Kerlin ein und erzählt mit dem Mordprozess die Geschichte des Kinos. An dessen Anfang steht also eine Bluttat, begangen von einem Genie, das die Wahrnehmung unserer Welt wie kaum jemand anderer verändert hat.

Anke Zillich © Marcel Urlaub / Volkstheater

Anke Zillich © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Christoph Schüchner © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Christoph Schüchner © Marcel Urlaub / Volkstheater

Kay Voges hat diese tiefgründige Reportage dem Inhalt gemäß in einer packenden Inszenierung zwischen Theater und Film umgesetzt und führt mit konsequent historischer Ausstattung das Publikum 150 Jahre zurück nach Kalifornien, schon damals ein Teil der USA. Links und rechts der Bühne sitzt man zu Gericht. Die Mitte ist für ergänzende Szenen wie den Mord an sich, Auseinandersetzungen in einer Bar und den Triumph der ersten laufenden Bilder reserviert. Ein Team von Live-Kameras setzt das Geschehen für eine Videowall über der ganzen Breite der Bühne um. Zwangsläufig wird dadurch die direkte Sicht von den Kameras verstellt; was aber kaum stört. Man verfolgt die einzelnen Szenen wie in Cinemascope. Die Gesichter der jeweils sprechenden Personen werden groß herausgeholt und damit Emotionen dank des grandios aufspielenden Ensembles spürbar in den Zuschauerraum übertragen.

 

Anke Zillich wird unter anderem zur Erzählerin, die freundlich in die nicht unkomplizierte Problematik zwischen Verbrechen und bahnbrechender Erfindung einführt. Zu Gericht sitzen Evi Kehrstephan als prominente Rechtsanwältin Victoria Pendergast und ihr Gegenpart Fabian Reichenbach mit dem Ehrgeiz des jungen Staatsanwalts Dennis Spencer.

Von diesen beiden werden nun der Reihe nach die Zeugen befragt. Der erste ist Galerist William H. Rulofson (dämonisch: Uwe Schmieder), der erfolgreich die Arbeiten seines Stars Muybridge verkauft. Claudia Sabitzer ohne Scheu vor der alten Vettel erscheint in etlichen Rollen und berichtet detailliert vom Tathergang, bei dem Major Harry Larkyns (Elias Eilinghoff ist nicht ohne subtile Komik der zynische Hochstapler) erschossen wurde. Er war der Liebhaber der jungen Frau des Fotografen (Lavinia Nowak als berührende, vom Gatten vernachlässigte Sarah). Den vermögenden Leland Standford (Uwe Rohbeck) interessiert lediglich der Ausgang des Prozesses. Er braucht einen Freispruch für den Angeklagten. Nur Eadweard Muybridge ist in der Lage, das Material und die Verschlusszeiten zu entwickeln, mit denen die Serienaufnahme eines galoppierenden Pferdes möglich wird. Frank Genser, der mit verwildertem Bart und schleißiger Gewandung beinahe Mitleid erregt, ist der Künstler, der keine Reue über seine Tat empfindet und damit zur Diskussion anregt, ob denn nicht die Geburt des Kinos aus dem Geiste eines Mörders entsprungen sein könnte.

Uwe Rohbeck, Frank Genser, Anke Zillich © Marcel Urlaub / Volkstheater

Uwe Rohbeck, Frank Genser, Anke Zillich © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Lavinia Nowak, Stefan Suske © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Lavinia Nowak, Stefan Suske © Marcel Urlaub / Volkstheater

ROM Literaturprüfung auf Shakespearedramen

Frank Genser, Julia Riedler © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Julia Riedler © Marcel Urlaub / Volkstheater

Ein Abend, der beeindruckend quer durch die „römischen Tragödien“ führt

Mit „Coriolanus“ taucht William Shakespeare in das 5. Jahrhundert v. Chr. hinab, als Rom noch eine Republik war. Die Plebejer werfen den Patriziern vor, Getreide zu horten und die Masse hungern zu lassen. Aus diesem Drama stammt die berühmte Parabel vom Magen, gegen den sich die anderen Körperteile empören, ohne den sie aber verloren wären. Es erzählt die Geschichte des siegreichen Feldherren Coriolan, dem der Erfolg jedoch zu Kopf gestiegen ist, so sehr, dass er gegen die eigene Stadt marschiert und schließlich erstochen wird. Gute 400 Jahre später spielt sich um den wohl berühmtesten römischen Eroberer, Gaius Julius Caesar, ein ähnliches Geschehen ab. Bekanntlich wird er im Senat gemeuchelt, da ihm vorgeworfen wird, die Alleinherrschaft anzustreben. Einer der Attentäter ist Brutus, der wie der rhetorisch fulminante Marcus Antonius im nächsten Drama, quasi der Fortsetzung, wieder eine Hauptrolle spielt. Antonius, an sich mit der Schwester seines Kontrahenten Octavian verheiratet, wird Liebhaber der ägyptischen Königin Kleopatra. Beide kommen um, sie angeblich durch Schlangenbiss und er, da er sich in sein Schwert stürzt. Mit dem Sieg Octavians, dem späteren Augustus, kehrt für ca. 250 Jahre die Pax Romana ein. Als sich am Limes jedoch mehr und mehr Völkerschaften zusammenrotten und das Reich bedrohen, ist es vorbei mit der prosperierenden Periode. Die Zeit für Titus Andronicus ist gekommen. Seinen Legionen gegenüber stehen die Goten mit ihrer Königin Tamora. Grausamkeiten und Rachegelüste auf beiden Seiten führen zu einem allgemeinen Gemetzel, das nur der Sohn von Titus überlebt, um der nächste Kaiser zu werden.

Andreas Beck, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Andreas Beck, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Julia Riedler © Marcel Urlaub / Volkstheater

Julia Riedler © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Autorin Julia Jost hat diese Heerschar von Toten und das ganze Drumherum zu einem Stück zusammengefasst. Dabei hat sie den Originaltext recht frei überschrieben und von William Shakespeare nur einige Zitate ausgeborgt. „ROM“ ist der Titel dieses literarischen Medleys, das für das Volkstheater einen der ganz großen Regisseure gefunden hat. Luk Perceval hat mit einer hohen Wand, die sich bedächtig dreht, und einem Wasserbecken als Ausstattung sein Auslangen gefunden, um die den einzelnen Tragödien entsprechende Wirkung zu erzeugen. Einen bedeutenden Anteil daran hat auch die Musikerin Lila-Zoé Krauß. Sie singt eindringlich und schafft mit ihrer Anlage eine Soundkulisse, die jeweilige Stimmungen enorm verstärkt.

Das Ensemble ist eher unscheinbar kostümiert. Sie kommen wie so manche Sätze in ihren Texten sehr heutig daher. Andreas Beck ist Coriolanus, seine Frau Virgilia Runa Schymanski und Mutter Volumnia Friederike Tiefenbacher. Cassius (Stefan Suske) und Brutus (Lavinia Nowak) besprechen die Ermordung von Caesar, bevor sich Antonius (Frank Genser) mit Julia Riedler als Kleopatra eine Partie Wassercatchen liefert. Gespenstisch sind die drei Kinder aus Titus. Evi Kehrstephan, Claudia Sabitzer und Uwe Rohbeck erzählen raunend in einer Art Dialekt, was ihnen widerfahren ist, vom Menschenopfer des Alarus bis zur Rache an Lavinia, Tochter des Feldherren, der Hände und Zunge abgeschnitten werden. Im Erwachsenenalter werden die drei schließlich in obiger Reihenfolge zu Lepidus, zur betrogenen Ehefrau Oktavia und Octavian. Dass man im Publikum bei einem derartigen Unternehmen extrem gefordert ist, versteht sich von selbst. Deshalb der Tipp: Vor einem Besuch von „ROM“ unbedingt die vier Shakespeare-Tragödien gründlich studieren!

Lavinia Nowak, Stefan Suske © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lavinia Nowak, Stefan Suske © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lucas Gregorowicz, Birgit Unterweger © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lucas Gregorowicz, Birgit Unterweger © Marcel Urlaub / Volkstheater

DIE UNBEKANNTE AUS DER SEINE Horváths Reim zur schönen Wasserleich´

Lucas Gregorowicz © Marcel Urlaub / Volkstheater

Lucas Gregorowicz © Marcel Urlaub / Volkstheater

Wer war die Ertrunkene mit diesem geheimnisvollen Lächeln im Gesicht?

Die Bohème war aus dem Häuschen. Um 1900 tauchte in Paris eine aus feinem Porzellan gefertigte Totenmaske einer Frau auf. Ein Mitarbeiter der Pariser Leichenschauhalle berichtete, dass er dieses Gesicht einer mutmaßlichen Selbstmörderin abgenommen hätte. Die Frau war aus der Seine gefischt worden, aber statt wie üblich aufgequollener Züge hatte sich ein feines Lächeln erhalten, das ihr bald den Ruf einer Art Mona Lisa einbrachte. Abgesehen vom makaberen Schlafzimmerschmuck, den diese Maske darstellte, inspirierte sie Literaten, die den nach innen gewandten Blick hinter den geschlossenen Augen zu deuten versuchten. Die Fama erreichte auch Ödön von Horváth, der 1933 ein Drama über diese Unbekannte verfasste. Für ihn war ihr Tod die Folge einer unerklärlichen Leidenschaft dieser Frau für einen Kleinkriminellen, der einen Uhrmacher erschlagen hatte. Die Unbekannte wusste von diesem Mord, war sein Alibi und sogar bereit, sich das Leben zu nehmen, um ihn nicht durch eine unbedachte Bermerkung zu verraten.

Birgit Unterweger, Lucas Gregorowicz © Marcel Urlaub / Volkstheater

Birgit Unterweger, Lucas Gregorowicz © Marcel Urlaub / Volkstheater

Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Fabian Reichenbach, Nick Romeo Reimann, Irem Gökçen, Uwe Schmieder, Evi Kehrstephan, Christoph Schüchner, Hardy Emilian Jürgens © Marcel Urlaub / Volkstheater

Es war mehr als eine gewagte Interpretation, die Horváth als Komödie (drei Akte mit Epilog) bezeichnete, wohl der Absurdität wegen, die er hinter dem Motiv für diesen Suizid bemerkte. Regisseurin Anna Bergmann hat mit Einfällen wie RoboCops und einem Kinderchor mit schwarzen Luftballons am Anfang oder einem Schleier tragenden Bräutigam, der am Polterabend die Seiten wechselt, einige harte Denknüsse zur Entschlüsselung von Horváth geliefert. Wäre sie nur auf dieser Schiene geblieben! Ein Abend mit tiefsinnigen Überraschungen, egal wie verständlich sie sind, ist spannend. Aber sie hat auch das Komödiantische sehr ernst genommen. Ihre Protagonisten sind durchwegs verhaltensauffällige Personen. Es wird unnötig herumgeschrien und übertrieben, gekasperlt, mit Herumrollen auf dem Boden, Platschen im Wasser eines Zimmerregens und spastischen Gesten, offenbar um Lacher zu generieren, die vom Premierenpublikum auch dankbar gespendet wurden. Dazwischen wird es feierlich: Eine großartige Sona MacDonald singt vertonte Gedichte von Christine Lavant – bevor sie als Uhrmacherin blutig erschlagen wird. Birgit Unterweger ist die attraktive Unbekannte, die sich ausgerechnet an den Schwächling Albert (Lucas Gregorowicz) hängt. Der jedoch will unbedingt seine Ex (Evi Kehrstephan als Irene) vom eitlen Ernst (Christoph Schüchner) zurückgewinnen. In weiteren Rollen hüpfen, tanzen und tapsen Günther Wiederschwinger als Nicolo, Irem Gökçen (Klara), Nick Romeo Reimann (Emil) oder Uwe Schmieder als alte Wirtin und Nixe(?) durch das Geschehen. Begeisterter Applaus war damit sowohl dem Ensemble als auch dem Leading Team sicher, obgleich es auch ob einer persönlich als solche empfundenen Schmiere manch betretenes Gesicht in den Zuschauerreihen gegeben hat. Ceterum censeo: Wenn schon Videos mit Großaufnahme, dann bitte einigermaßen synchronisiert!

HEIT BIN E NED MUNTA WUAN, Regie Wolfang Menardi  Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

HEIT BIN E NED MUNTA WUAN, Regie Wolfang Menardi, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

HEIT BIN E NED MUNTA WUAN Tod & Leich als Wiener Lebenselixier

Aus dem Buch: Dem Wiener sein Tod, Cartoons von Hannes Gans

Avemaria! Poetisches Schweinigeln zu den letzten Dingen von H. C. Artmann bis Gerhard Rühm

Im Publikum wurde gerätselt, ob diese Unterbrechung zum Stück gehört oder ein ernster medizinischer Fall ist. Auf dem Balkon entstand Unruhe, die irgendwann auch Frau Q. auf der Bühne erreichte. Als Stimmen von oben nach einem anwesenden Arzt fragten, zeigte sich deren Darsteller Samouil Stoyanov seltsam erleichtert. Was hatte er erwartet? Aber so oder so, der Vorhang wurde zugezogen. Der kaufmännische Direktor des Hauses konnte nach zehn Minuten Entwarnung geben. Der Patient sei medizinisch gut versorgt, hieß es, die Aufführung könne fortgesetzt werden. Die Hauptgestalt des Abends hatte die Person somit verschont. Der Quiqui lässt also doch mit sich spaßen, zumal die poetische Kollage von Wolfgang Menardi mit dem Titel „Heit bin e ned munter wuan“ als Liebeserklärung an den Tod ausgelobt wird. Verwendet werden ausschließlich Texte von Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener und Zitate aus dem Dokumentarfilm „Die Pompfüneberer – Ein Tag auf dem Wiener Zentralfriedhof“ von Árpád Bondy und Margit Knapp.

Samouil Stoyanov, Matteo Haitzmann © Marcel Urlaub / Volkstheater

Samouil Stoyanov, Matteo Haitzmann © Marcel Urlaub / Volkstheater

Aus dem Buch: Dem Wiener sein Tod, Cartoons von Hannes Gans

Aus dem Buch: Dem Wiener sein Tod, Cartoons von Hannes Gans

Claudia Sabitzer ist ein beredtes Mitglied der Bestattung Wien. Als Pompfüneberer (für alle, die es eventuell nicht wissen: diese wienerische Berufsbezeichnung kommt vom französischen Pomp funebre und bedeutet „Begräbnisprunk“) ist ein solcher für den reibungslosen Ablauf einer Bestattung verantwortlich. Das beginnt mit der Einweisung der jeweils Trauernden in die richtige Halle über das Aufdrehen des neunflammigen Leuchters und der Lebenskerze bis zum Handaufhalten beim Überreichen des mit Erde gefüllten Schauferls am Grab. Ohne Musik ist so ein Event trauriger als er ohnehin schon ist. Also wird bestellt. Number one in den Friedhof-Charts ist mit Abstand das Ave Maria. Wenn Samouil Stoyanov, angetan mit braunem Kittel, als Frau Q. das Radio aufdreht, ertönt diese Melodie, und zwar auf jedem Sender.

Sie wird mächtiger und mächtiger bis zur Unerträglichkeit. Da hilft nur kräftiges Schimpfen, das mit Fäkalausdrücken fett garniert und doch zutiefst poetisch ist. In ihrer Wohnung läuft penetrant der Fernseher, aber die etwas herabgekommene Räumlichkeit bietet auch Platz für Livemusik, dargeboten von Ingrid Eder an der Knopferlharmonika, Bratschistin Flora Geißelbrecht und Sixtus Preiss am Klavier, die alle zusammen makabere und andere tiefsinnige Gedichte wunderbar zu singen verstehen. Frau Q. ist trotz ihres Alters noch vital und sehnt sich nach dem Mann von Gegenüber. Ganze Vogelschwärme sollen ihm ihren Liebesbrief überbringen. Matteo Haitzmann braucht kein Wort zu sagen, es genügt, wenn er schlank und elegant über die Bühne schreitet und am Ende als nackte Leiche von seiner Verehrerin vergenusszwergelt wird. Dem Wiener sein Tod, in jedem Heurigenlied tränenreich besungen, ist ja doch ein lustiger Kampl, vor dem man keine Angst zu haben braucht. Denn nur er macht, so die Hautpaussage dieser „med ana schwoazzn dintn“ verfassten G´schicht, das wahre Fest, die schöne Leich erst möglich.

Claudia Sabitzer als Pompfüneberer © Marcel Urlaub / Volkstheater

Claudia Sabitzer als Pompfüneberer © Marcel Urlaub / Volkstheater

Frank Genser, Lavinia Nowak, Nick Romeo Reimann, Hasti Molavian, Birgit Unterweger, Uwe Rohbeck,

Frank Genser, Lavinia Nowak, Nick R. Reimann, Hasti Molavian, Birgit Unterweger, Uwe Rohbeck, Elias Eilinghoff © Marcel Urlaub/Volkstheater

DIE ANGESTELLTEN Zukunftsangst und Langeweile, bitter!

Die Angestellten, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Angestellten, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Ein „Visual Poem“, dessen Terminierung (im Raumfahrersprech: Abschaltung) lange auf sich warten lässt

Der Text auf dem Programmzettel ist vielversprechend. Von einem Roman aus der Feder der dänischen Poetin Olga Ravn ist die Rede und von einem Raumschiff in den Weiten des Weltalls. Die Besatzung ist teils Mensch, teils Roboter. Die Erde liegt weit hinter ihnen und eine Rückkehr ist höchst unwahrscheinlich. Was sich wie eine spannende Reise in die Zukunft ausnimmt, ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Zuseherschaft. Da diese aber zum guten Teil aus aufgeschlossenen jungen Leuten besteht, wurde die eigenwillige Bearbeitung von Alexander Giesche als Visual Poem zum Megaerfolg. Die Jugend, im Gegensatz zu uns zappeligen Alten, hat offenbar unendlich viel Geduld. Wo in die Jahre gekommene Abonnenten entrüstet aufstehen oder sich mit einem Schläfchen die Zeit vertreiben, harrt der Nachwuchs mit wachen Sinnen einer nicht und nicht eintretenden Spannung.

Die Angestellten, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Angestellten, Szenenfoto © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Angestellten, Szenenfoto © Marcel Urlaub / Volkstheater

Die Angestellten, Szenenfoto © Marcel Urlaub / Volkstheater

Gefühlte 20 Minuten wird mit einer Art Techno eingangs Wirbel gemacht. Das Ensemble steht auf der sich langsam drehenden Bühne und deutet Tanzbewegungen an. Danach wird eine Kamera zum Spielzeug, das Gesichter und Körper allmählich zu verzerren beginnt und damit zwei Projektionsflächen mit attraktiven abstrakten „Gemälden“ füllt. Da sich auch dabei wenig tut, muss endlich mit dem Sprechen begonnen werden. Leuchtstoffröhren zeigen an, wer gerade an der Reihe ist, gescheite Sätze aus Ravns Roman „Die Angestellten“ zu zitieren. Einmal beklagt ein Mensch, dann ein Humanoide sein Schicksal. Die Frage wird aufgeworfen, ob es möglich ist, ein Ding wie einen Menschen zu lieben und einen Menschen wie ein Ding zu lieben.

Da es keine durchgehende Handlung gibt, ist man auf diese hingeworfenen Brocken angewiesen, um sich selbst eine Geschichte zusammen zu reimen – oder vorher den Roman zu lesen. Elias Eilinghoff, Frank Genser, Hasti Molavian, Lavinia Nowak, Nick Romeo Reimann, Uwe Rohbeck und Birgit Unterweger sind die bewunderungswürdigen Damen und Herren, die auf diesem Trip durch das Universum nicht die Bodenhaftung verlieren. Sie haben sogar die Muße, sich halblaut eine endlose Weile über diverse Düfte auszutauschen oder mit einem never-ending Memory provokant die Zeit totzuschlagen. Man beneidet sie, sie sind beschäftigt. Als ruhender Pol in ihrer Mitte dreht sich gemächlich eine Skulptur von Ulrike Zerzer. Sie bezeichnet ihre Objekte als „Erdbewegungen“, die an erstarrte Lavaströme und damit an die von diesem „Sechstausender“-Raumschiff im Stich gelassene Erde erinnern. Wenn zum Schlussapplaus mächtiger Jubel ausbricht, dann fragt man sich, wer von diesem „Gedicht“ fasziniert wurde; keinesfalls jedoch der Teil des Publikums, der sich mit dramatischer Langeweile nicht und nicht abfinden will.

Skulptur von Ulrike Zerzer © Marcel Urlaub / Volkstheater

Skulptur von Ulrike Zerzer © Marcel Urlaub / Volkstheater

Der Diener zweier Herren, Ensemble © Marcel Urlaub/Volkstheater

Der Diener zweier Herren, Ensemble © Marcel Urlaub/Volkstheater

DER DIENER ZWEIER HERREN Goldoni „revolutionär“ interpretiert

Der Diener zweier Herren, Ensemble © Marcel Urlaub/Volkstheater

Der Diener zweier Herren, Ensemble © Marcel Urlaub/Volkstheater

Das Zumpferl wird zum Degen und Truffaldino zum Affen, wenn´s in Venedig tote Tauben regnet.

Über dem mittlerweile aufgelassenen Friedhof Sainte-Catherine in Paris gab es kürzlich große Aufregung. Von tief unten drangen vehemente Erschütterungen an die Oberfläche. Die Erklärung: Carlo Goldoni, der virtuose Erneuerer der Comedia de l´Arte, hat sich im Grab umgedreht, als er von der Premiere seines Stückes „Der Diener zweier Herren“ im Wiener Volkstheater Kenntnis erlangt hat. Zu verdanken hat er diese Rotationen dem ausgewiesenen Experten für Bühnenanarchie und Schauspielvirtuosität, Antonio Latella. Er schafft bereits mit einem nicht vorhandenen Bühnenbild die Herausforderung, sich zwischen den schwarzen Wänden eine Piazza in Venedig vorzustellen. Vertraut sind einzig die Geräusche gurrender Tauben und die damit verbundene Angst, dass sie einen auf den Schädel scheißen könnten. Gegen Ende ist auch damit Schluss, da die Vögel verendet massenhaft vom Himmel fallen.

Birgit Unterweger, Lavinia Nowak, Irem Gökçen © Marcel Urlaub/Volkstheater

Birgit Unterweger (Florindo), Lavinia Nowak (Beatrice), Irem Gökçen (Clarice) © Marcel Urlaub/Volkstheater

Irem Gökçen, Stefan Suske © Marcel Urlaub/Volkstheater

Irem Gökçen (Clarice), Stefan Suske (Dottore Lombardi) © Marcel Urlaub/Volkstheater

In dieser nicht groß anregenden Szenerie ist ein unglaublich tapferes Ensemble am Werk. Es wird extrem geblödelt, herumgehüpft wie ein Haufen Narren, dabei werden Gesichter geschnitten und die Bewegungen ins vermeintlich Komische übersteigert, während einzelne Sätze bis zur Unerträglichkeit wiederholt werden, und das alles wegen ein paar Lacher. Dazwischen gibt es einen moralinsauren Protestsong gegen Patriarchat und Femizid. Damit sind wir bereits bei Smeraldina und Lisa Schützenberger, die abgesehen davon diese mannstolle Dienerin verkörpert. Irem Gökçen ist eine reizende Clarice, die Silvio ehelichen will. Ihrem Geliebten wird allerdings übel mitgespielt. Mangels eines Degens lässt Mario Fuchs die Hosen herunter, um den angeblichen Rivalen mit seinem Bimmel herauszufordern, bis er daran schmerzlich durch das Geschehen gezerrt wird.

Die alten Herren sind ein sangesfreudiger Andreas Beck als Pantalone und ein würdiger Stefan Suske als Dottore Lombardi. Beatrice (Lavinia Nowak) steckt vom Inhalt her in Männerkleidung, während Birgit Unterweger als Florindo eine solche vom Zeitgeist angezogen wurde. Es müssen heutzutage einfach zwei Frauen heiraten und damit zu Herrinnen von Truffaldino werden. Der grandiose Komiker Elias Eilinghoff ist leider vom Zwang allgemein grassierender Lustigkeit nicht ausgenommen. Seine Klasse lässt er aber aufblitzen, wenn er einfach wartet, hungrig ist und in einem Solo mit dem Klassenunterschied zwischen Herrn und Diener hadert. Als schlitzohriger Wirt Brighella, der das ganze Durcheinander auflösen könnte, deckt Uwe Schmieder in einer etwas ausführlich geratenen Pantomime die nicht vorhandene Hochzeitstafel. Diese Szene haben jedoch viele der Zuschauer nicht mehr erlebt. Sie fand nach der Pause statt. Wohl denen, die ihr kindlich´ Gemüt samt Sitzplatz bewahrt haben. Sie durften ausgiebig Applaus spenden und damit dieses „revolutionäre“ Konzept von Irrungen, Wirrungen, Abrechungen und Befreiungen als gelungen bestätigen.

DER DIENER ZWEIER HERREN, Regie Antonio Latella  Irem Gökçen, Elias Eilinghoff, Lavinia Nowak

DER DIENER ZWEIER HERREN, Regie Antonio Latella, Irem Gökçen (Clarice), Elias Eilinghoff (Truffaldino), Lavinia Nowak (Beatrice) © Marcel Urlaub/Volkstheater

Murali Perumal, Christoph Schüchner, Gerti Drassl, Lavinia Nowak © Marcel Urlaub // Volkstheater

Murali Perumal, Christoph Schüchner, Gerti Drassl, Lavinia Nowak © Marcel Urlaub / Volkstheater

DIE (kleine) REDAKTION, die sich mit der großen OMV anlegt.

Murali Perumal, Christoph Schüchner, Lavinia Nowak, Gerti Drassl © Marcel Urlaub / Volkstheater

DIE REDAKTION, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Erschütternd, wie so manche mit Geld überschüttet werden.

Es genügt ein Blick auf ihre Seite, um zu erkennen, was investigativer Journalismus imstande ist. Dazu gehört allerdings auch finanzielle Freiheit. Deswegen gibt es bei „Dossier“ keine bezahlte Werbung. Wovon leben die denn dann? Sie haben Leser, die das Druckmagazin kaufen, und vor allem Mitglieder, denen die Arbeit von Chefredakteur Florian Skrabal und seinem Team sogar einen finanziellen Beitrag wert ist. Sie geben freiwillig (online ist ja alles gratis nachzulesen) dafür Geld aus, dass regelmäßig heiße Themen aufgegriffen und einer in die Breite wachsenden Öffentlichkeit präsentiert werden. Calle Fuhr, ein in Düsseldorf geborener Theatermann, hat für das Volkstheater aus der Historie dieses überaus kritischen Portals eine Geschichte für die Bühne aufbereitet, die nun von den Außenbezirken ins Haupthaus übersiedelt ist. Darin geht es im Großen und Ganzen um den Vorstandsvorsitzenden der OMV namens Rainer Seele und dessen Umtriebe und letztlich dessen unrühmliches Ende in diesem halbstaatlichen Konzern.

DIE REDAKTION, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

DIE REDAKTION, Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Murali Perumal (Ashwien) © Marcel Urlaub / Volkstheater

Murali Perumal (Ashwien) © Marcel Urlaub / Volkstheater

Murali Perumal (Ashwien), Gerti Drassl (Flo), Christoph Schüchner (Georg) und Lavinia Nowak (Sahel) sind fürs Erste die vier Redaktionsmitglieder, die den Kampf mit dem übermächtig scheinenden Öl- und Gashändler aufnehmen. David gegen Goliath ist ein Euphemismus. Besser beschreibt der Vergleich einer Fliege mit einem Ochsen, der mit dem Schwanz um sich schlägt, das Größenverhältnis. Allein das Gehalt des Herrn Seele übertrifft das Budget dieser Kleinstredaktion um das Millionfache. Unausgesprochen steht dabei die Frage im Raum:

Was hat diesen Manager so wertvoll gemacht, dass man ihm im Jahr 2019 sage und schreibe 7,24 Millionen Euro (der Standard am 28.05.2020) in die Taschen geschoben hat. Dass er mit dem Privatjet von Wien nach Klagenfurt gedüst ist, nimmt sich dagegen wie ein Klacks aus, oder die hochdotierten Verträge, die eventuelle Kritiker im engsten Mitarbeiterstab mundtot machen sollten, oder der dem Magazin angedrohte Prozess mit einer Klagesumme, die einer wie er an einem Abend in einem teueren Restaurant umsetzt. Für Dossier wäre es aber tödlich, zu verlieren. Von oben genanntem Ensemble werden auch die in der Realität an diesen Schweinereien beteiligten Protagonisten verkörpert. Hilfreich sind dabei Overheadprojektoren und drei Bildschirme, auf denen das Publikum den Ablauf von Publikationen und Reaktionen mitlesen kann. Sie genügen, um einen kleinen Blick in die große Geldverschwendung und unmenschliche Härte angeblich fähiger CEOs werfen zu können und, zugegebenermaßen nicht ganz ohne als Neidgesellschaft bedient worden zu sein, am Ende diebische Freude an deren Untergang in Standing Ovations ausbrechen zu lassen.

Gerti Drassl (Flo) © Marcel Urlaub / Volkstheater

Gerti Drassl (Flo) © Marcel Urlaub / Volkstheater

DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN!, Regie Kay Voges Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN!, Regie Kay Voges Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN! in einer hinterhältig grellen Gameshow

Georg Vogler, Elias Eilinghoff © Marcel Urlaub / Volkstheater

Georg Vogler, Elias Eilinghoff © Marcel Urlaub / Volkstheater

Ein richtiges Theater ist´s, wenn das Publikums freiwillig den Offenbarungseid leistet.

Das Setting ist ungemein realistisch. Eine TV-Liveübertragung von „DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN! Die Gameshow für Österreich“ ist angesagt. VJ Veal (Max Hammel) und DJ Pig (Fiete Wachholtz) stimmen die Studiogäste, also die Zuschauer, mit glitzernder Stimmungsjacke und entsprechenden Sounds darauf ein und animieren zum Scan eines groß eingeblendeten QR-Codes. Pünktlich erscheint das Moderatorenpaar Michelle Pelosi (Anke Zillich) und Tommy McDonalds (Elias Eilinghoff als Gottschalkverschnitt) und geht straight in medias res. Routiniert werden die vor guter Laune aufgeregt zappelnden Kandidaten vorgestellt. Zwei Millionen Euro liegen bereit, die den Sieger dieses Spiels reich und glücklich machen werden. Die Regeln: Aus jeweils drei Antworten auf eine Problemstellung gibt das Publikum per Handyvoting seine Meinung ab. Mit dem den Älteren vom Kinderfernsehen bekannten Spruch „Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht“ haben sich die unschlüssig hüpfenden Damen und Herren für eines von drei Feldern zu entscheiden. Wie richtig ihre Wahl war, entscheidet das Ergebnis der Befragung, die vom DJ verkündet wird. Wer richtig geraten hat, darf als Belohung einen Ball in sein Körbchen werfen.

Hasti Molavian, Hardy Emilian Jürgens, Uwe Schmieder © Marcel Urlaub / Volkstheater

Hasti Molavian, Hardy Emilian Jürgens, Uwe Schmieder © Marcel Urlaub / Volkstheater

DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN!, Regie Kay Voges Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

DU MUSST DICH ENTSCHEIDEN!, Regie Kay Voges Ensemble © Marcel Urlaub / Volkstheater

Was sich lustig anhört, wird im Verlauf des Abends zu einer allgemeinen Entblößung, obwohl sogar Friedrich Schiller aufgeboten wird, um mit knarrender Stimme die einzelnen Themengebiete anzugeben. Es folgt ein Statement mit drei Möglichkeiten einer Antwort. Das Angebot ist jedoch problematisch und wäre ohne ausgiebige Diskussion und Abstimmung mit dem eigenen Gewissen nicht zu bewältigen. Aber es wird auf dem Smartphone frisch drauflos getippt.

Nachdem es sich bei der bunten Mischung der Kandidaten (vom steirischen Feuerwehrmann über den Ossi mit Audi Quattro bis zur anstrengenden Weltverbesserin) um Bühnenprofis handelt, werden eigentlich nur diejenigen verarscht, die folgsam ihre Stimme abgeben, also das Publikum. Diesem bleibt am Ende nur die Genugtuung, dass das Ganze aus dem Ruder läuft und in einem Tohuwabohu sein Ende findet.

 

Entstanden ist diese amüsant hinterhältige Gameshow unter der Regie von Kay Voges in der Zusammenarbeit von Johan Frederik Hartle mit dem Ensemble. Wohl aufgrund der Begeisterung über die vielen Ideen und Gags ist das Stück allerdings zu lang geraten, vor allem mit etlichen Einlagen, die wenig zum Fortgang der Handlung beitragen. Im Großen und Ganzen wird man aber bei der Stange gehalten und genießt diese Satire auf die Diversität von Meinungen, vor allem deswegen, weil nichts, wirklich nichts als endgültige Wahrheit proklamiert wird.

Elias Eilinghoff, Kaoko Amano © Marcel Urlaub / Volkstheater

Elias Eilinghoff, Kaoko Amano © Marcel Urlaub / Volkstheater

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