Kultur und Weindas beschauliche MagazinDer europäische Koran, Ausstellungsansicht © KHM-Museumsverband DER EUROPÄISCHE KORAN Von ersten Begegnungen herauf bis heute
Ähnlich wie die Bibel für Juden und Christen ist der Koran für den Islam der wesentliche Träger von dessen Wahrheit. Er ist theologischer, moralischer, ethischer und rechtlicher Leitfaden für die Gläubigen. Dennoch hat dieses Buch seit seiner Erscheinung über die Religionsgrenzen hinaus Interesse erweckt. Das Weltmuseum Wien hat sich daraus den Aspekt „Europa“ erwählt, um die unterschiedliche Wahrnehmung des Korans in einer Reihe von Objekten und Videoinstallationen allen Menschen näherzubringen; angesprochen werden damit Muslime, Christen, Atheisten und der weit größere Teil der Gesellschaft, der nichts von all dem am Hut hat. Bis 18. September 2024 ist die Ausstellung „der europäische Koran“ im Mezzanin zu sehen. Entwickelt wurde sie in Kooperation mit dem europäischen Forschungsverbund The European Qurʾān. Islamic Scripture in European Culture and Religion 1150–1850 (EuQu), gestaltet von Naima Afif, Jan Loop (beide Universität Kopenhagen) und Tobias Mörike (Weltmuseum Wien).
Das Sujet zeigt Johann Wolfgang von Goethe, wie er im Koran liest und aus dessen Versen Inspiration für seine Poesie bezieht. Geschaffen wurde das Bild vom ägyptischen Künstler Marwan Shahin (*1990, lebt und arbeitet in den USA). Er hat dieses wie auch das Porträt von Christina von Schweden geschaffen. Sie war die Tochter von Gustav II. Adolf und selbst Königin, die nach der Plünderung der Prager Kunst- und Wunderkammer von Kaiser Rudolf II. im Dreißigjährigen Krieg ausdrücklich einen Koran begehrte. Ob sie dazu Arabisch lernte, ist nicht überliefert, aber es gab zu dieser Zeit längst Übersetzungen. Latein war dabei die Sprache der ersten Stunde. Spanien war im 12. Jahrhundert vom Islam befreit worden. Der in England geborene Robert von Ketton beherrschte Arabisch und schuf eine lateinische Version des Koran, allerdings aus Sicht des Christentums, das im Islam eine Häresie und nach Jesus keinen Platz für einen Propheten Mohammed sah.
THERE MAY EXIST Eine Installation von Zeinab Alhashemi
Rashid bin Saeed Al Maktoum, der Gründer des Emirats Dubai, prophezeite einst: „Mein Großvater ritt ein Kamel, mein Vater ritt ein Kamel, ich fahre einen Mercedes, mein Sohn fährt einen Land Rover, sein Sohn wird einen Land Rover fahren, dessen Sohn aber wird ein Kamel reiten.“ Die Künstlerin Zeinab Alhashemi (*1985) lebt und arbeitet in Dubai. Wer sonst als sie kann diesen Ausspruch des Scheichs so gründlich nachvollziehen und daraus kunstvolle Kommentare auf die kulturellen Traditionen der Golfregion entstehen lassen. Zur Ausstellung „Auf dem Rücken der Kamele“ im Weltmuseum wurde sie nun eingeladen, im Theseustempel im Wiener Volksgarten dieses Thema mit einer Installation zu bereichern. Mitten im antik anmutenden Innenraum erhebt sich eine beeindruckende Pyramide aus Ölfässern mit dem Titel: „There May Exist“.
Auf dem Rücken der Kamele, Ausstellungsansicht AUF DEM RÜCKEN DER KAMELE Von Nordamerika aus in die Welt
Es gehört Mut dazu, einem Dromedar gegenüberzutreten. Mit überheblichem Blick schaut es von oben herab, jederzeit zum schmerzhaften Biss oder zum verhängnisvollen Tritt mit einem Hinterbein bereit, und es ist keinesfalls gewillt, sich Leute oder Lasten freiwillig aufladen zu lassen. Dass es trotzdem über Jahrtausende das beliebteste Trag- und Reittier im Orient war, hat es seiner Ausdauer und legendären Genügsamkeit zu verdanken. Das Wenige, das es frisst, wird in seinem Verdauungstrakt vollkommen verwertet, und dazu trägt es einen mächtigen Wasserspeicher auf dem Rücken, der ihm das Durchqueren von endlosen Wüsten ermöglicht. Ohne das Kamel wäre die Menschheit kaum in der Lage gewesen, sich auch in unwirtlichen Gefilden auszubreiten und nicht zuletzt große Reiche zu erobern und zu verwalten.
Es sind die Kameliden, wie sie im Fachausdruck zusammengefasst werden, die mit ihrer Domestizierung zu einem der wichtigsten Gefährten des Menschen geworden sind. Ihnen ist unter dem Titel „Auf dem Rücken der Kamele“ (bis 26. Jänner 2025) im Weltmuseum Wien und im Theseustempel die große Jahresausstellung gewidmet. Erstaunliches ist gleich zu Beginn zu erfahren: Sie stammen aus Nordamerika, aus Kanada. Die noch kleinen Tiere legten weite Wege zurück, über Landbrücken im Norden und Süden und gelangten so nach Asien und nach Südamerika. Je nach Erdteil entwickelten sie gänzlich verschiedene Erscheinungsformen. In der Alten Welt wurden daraus wahre Riesen wie Trampeltier und Dromedar. In den Anden wiederum waren es Lama und Alpaka, die als handlichere Ausgaben den Ureinwohnern in vielerlei Weise dienten. In etlichen Themenkreisen nähert sich die Ausstellung dem Phänomen Kamel, immer mit dem Blick auf die eng verflochtene Beziehung zwischen Tier und Mensch. Von der dankbaren Rückschau „Alte Gefährten“ geht es um „universelle Nutztiere“, dem ein Fragezeichen nachgesetzt ist. Die Antwort sind filmische Arbeiten von Walter Dostal und Ibrahim Shaddad neben Objekten aus den Sammlungen des Hauses und heißt klar „Ja!“. In „Kamelkulturen“ wird ein weiter Bogen vom Tinka de Alpaca in Peru über das Bikaner Festival in Indien zu den Kamelrennen in der arabischen Welt gespannt. Auf eine militärische Episode verweist das Skelett eines Kamels, das in Tulln(!) gefunden wurde. 1783 standen die Türken vor Wien und hatten den Goldenen Apfel beinahe schon gepflückt, bevor sie doch zurückgeschlagen werden konnten. China wiederum verschob seine Grenzen erfolgreich mithilfe der Kamele nach Westen, was eine Serie von Kupferstichen aus dem 18. Jahrhundert anschaulich macht.
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