KÖCHE, HÖRT DIE SIGNALE! Ein überzeugendes Manifest für das gute Leben
Gedanken zur Gastrosophie als eine Wissenschaft für jedermann
Der gelernte Koch David Höner ist Meister der Küchen ohne Grenzen (siehe das Buch „Cuisine sans frontières“), aber auch ein wortgewaltiger Journalist und nicht zuletzt ein Philosoph, der in seinem nunmehr 65 Jahre dauernden Leben die Welt der Gastronomie in ihren unzähligen Facetten und teils bedenklichen Entwicklungen erfahren hat. Der schlimmste Alb, der ihn nun mehr und mehr quält, scheint „das Gespenst der Entfremdung vor uns selbst“ zu sein. So zählt er im Auftakt zu diesem Buch alle die Fertigkeiten auf, die nicht nur dem urbanen Menschen abhanden gekommen sind, wie beispielsweise einen reifen Apfel am Geruch zu erkennen oder einen Kartoffelacker von einem Zwiebelfeld unterscheiden zu können. Für ihn verkommt der Mensch allmählich zum „Homo consumens, der Galaxien bewohnt, die nicht bewohnbar sind und schon gar nicht real existieren.
Ernten, ohne zu säen, ist hier die Regel.“ Unter diesen Prämissen klopft er die Gegenwart auf ihre (Über-)Lebbarkeit hin ab, immer mit dem Herd und damit essentiell verbunden dem Magen als Ausgangspunkt. Wenngleich der Titel „Köche, hört die Signale!“ (erschienen im Verlag Westend) auf einen bestimmten Berufsstand hinweist, sind doch alle damit gemeint, denn essen und trinken muss jeder. Sein Credo für eine bessere Welt: Jeder ist ein Gastronom! Deswegen wurde auch „ein kulinarisches Manifest“ daraus. Im Namen der Köche ruft es die von geschäftstüchtigen Nahrungsmitteldesignern und anderen Fälschern auf raffinierte Weise unterdrückten Völker dieser Welt auf, sich – ganz wie die Internationale – von derlei Knechtschaft zu befreien.
In zehn Kapiteln geht er Themen nach, die nach und nach erklären, wo die wahren derzeitigen Probleme liegen. Es beginnt mit „Gastronomie und Gastgeber“, postuliert „Kochen als Menschenrecht“, zeigt den Weg „Vom Rohen zum Gekochten“ und hinterfragt die alte Weisheit „Handwerk hat goldenen Boden“. Er weiß wie kaum ein anderer, was „Kultur und Identität“ in diesem Sinne bedeuten. Der geborene Schweizer lebt seit 1994 in Ecuador als Lehrer für Jungköche und Mitarbeiter an Kultur- und Entwicklungsprojekten. Bei andersartigen Gewürzen, Speisen und Getränken durfte er erfahren, dass das Fremde augenblicklich weniger fremd war, wenn es durch seinen Köper gewandert war. Zurück auf vertrautes Terrain führen „Gast und Gastgeber“ und „Ausbildung“, bevor er anhand der tragischen Geschichte eines Zürcher Lokals „Wirtschaft und Wirtschaft“ säuberlich trennt. Über „Sinnliches“, zu dem genauso wie der Hunger auch die Sexualität zählt, geht es zur Kernaussage, die Höner von den Kichwa, einem Volk der Anden, gelernt hat. Deren Ausdruck „Sumak Kawsay“ steht in der Präambel der ecuadorianischen Verfassung.
Er bedeutet nichts als „gutes Leben“, ein – allerdings mit viel gutem Willen – für alle erreichbares Ziel. Bevor Höner mit geballter Faust ruft: „Gastronomen aller Länder, vereinigt euch!“ lässt er noch Franz Keller zu Wort kommen: „Ab in die Küche!“ befiehlt der Meisterkoch und Hedonist, um in einem der Gastbeiträge, unter anderem von Eckart Witzigmann, Birgit Reitbauer oder Doris Dörrie, dem streitbaren Buchautor Rosen zu streuen und gemeinsame kulinarische Lebenserfahrungen zu bestätigen.
Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen – Denkanstöße!
Biodynamisches Winzerhandwerk und seine Meister
Eines der häufigsten Fotomotive in dem von Frau Master of Wine Romana Echensperger verfassten Buch sind Hände, die behutsam und stolz Erde präsentieren. Winzer sind von Natur aus mit ihrem Grund und Boden zutiefst verbunden. Schließlich schafft ihnen dieser, egal ob es sich um Löss, Urgestein, Schotter oder Kalk handelt, die tragfähige Basis für ihre Rebstöcke, gibt den Trauben jeweils speziellen Charakter mit und spiegelt sich in der Mineralität des fertigen Weins. Blättert man jedoch weiter, dann tauchen an zweiter Stelle Kuhhörner auf und weisen zweifellos die Richtung eines Weinbaus, der in den letzten Jahren mehr und mehr Anhänger gefunden hat, in die Biodynamik. Was mit Biologischem Weinbau, ausgeführt mit Schwefel und Kupfer, begonnen hat, wird nun radikal über den Verzicht von systemischen Mitteln hinaus in eine bereits esoterisch anmutende Methode weitergeführt.
Rudolf Steiner, ein charismatischer Prediger einer von ihm entwickelten spirituellen Weltanschauung, hat vor mehr als 100 Jahren das gedankliche Rüstzeug dazu erarbeitet. Was sich in der Feldwirtschaft nicht durchgesetzt hat, feiert nun im Weinbau fröhliche Urständ und nennt sich Biodynamik, die sich nach langem Suchen um Ersatz für den Boden schädigende Kunstdünger und Pestizide als durchaus praktisch durchführbar erwiesen hat. Wenn es eines Beweises bedarf, dann braucht man nur biodynamische Weingüter zu besuchen, dort Weine zu verkosten und die wundersame Gelassenheit der Winzer zu beobachten, mit der sie mittlerweile Wetterunbilden und Schädlingsbefall gegenüberstehen.
Genau das haben die Weinfachfrau Romana Echensperger und der Fotograf Konstantin Volkmar getan und über das Jahr zwölf Spitzenweingüter Mitteleuropas aufgesucht, um sie in einem im Verlag Westend erschienenen Buch zu porträtieren. Mit dem etwas sperrigen Titel „Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen“ wird angedeutet, dass es alles andere als einfach ist, sich für die Biodynamie zu entscheiden. Abgesehen davon, dass die Kollegenschaft gerne mit einem spöttischen Lächeln das Ganze als seltsamen Aberglauben abtut, muss man sich an Chemiekonzernen reiben, die ihre Ware verkaufen wollen. Aber spätestens dann, wenn man die Namen der Winzer liest, die sich dem Biodynamischen Handwerk verschrieben haben, werden auch die schärfsten Kritiker nachdenklich. Der Blaufränkische von Franz Weninger aus Horitschon (Mittelburgenland) zählt längst zu den besten seiner Art, Olivier Humbrecht von der Domaine Zind-Humbrecht aus dem Elsass hat sich in Frankreich durchgesetzt und welcher Weinfreund kennt nicht Alois Lageder, den Südtiroler Pionier des alternativen Weinbaus?
Sie alle kommen in diesem Buch zu Wort, geben ungemein gescheite Sachen von sich, wie beispielsweise der Wagramer Bernhard Ott, der eingesteht, dass er erst durch die Biodynamie zu seiner Freiheit gefunden hat. In der Pfälzer Familie John am Hirschhorner Hof wird sogar zwischen den Wörtern Weingarten und Weinberg fein unterschieden. Die frisch ausgesetzten Rieslingreben sind keine Solisten, sondern sind eingebettet in ein durchdachtes Nutzpflanzensystem. Ohne die Wachauer Familie Saahs vom Weingut Nikolaihof wäre das Buch nicht vollständig. Christine und Nikolaus Saahs waren eine der ersten, die sich auf Böden, auf denen bereits 2000 Jahre lang Weinbau betrieben wird, den Ideen von Rudolf Steiner ausgesetzt haben
Und sie waren damit erfolgreich. Zum Buch selbst: Dank einer ausführlichen Einleitung, die eine kurze Geschichte der Landwirtschaft und die Grundlagen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise auch dem Laien in verständlicher Art bietet, wird so manches, das einem in diese – sagen wir´s so – Kulte Nichteingeweihten bisher ratlos dastehen ließ, nachvollziehbar erklärt und der Genuss eines Glases biodynamisch gekelterten Weins beträchtlich erhöht.