Kultur und Weindas beschauliche MagazinRenovierte Fassade. Blick über die Rampe zum Portikus (Schmerlingplatzseite) © Parlamentsdirektion/Hertha Hurnaus DAS RENOVIERTE PARLAMENT Inspirierende Werkstatt für Abgeordnete
Fast möchte man es als staatsbürgerliche Pflicht bezeichnen, all das vor Ort zu bestaunen, was man aus Zeitungsfotos und TV-Übertragungen kennt. Bis dato war es nicht selten der Ärger über so manche politische Farce, die einen hinschauen ließ. Niveaulose Streitereien bei Plenarsitzungen, Untergriffe bei Untersuchungsausschüssen oder nichtssagende Statements von Abgeordneten, die so manchen innerhalb und außerhalb der würdigen Mauern zur Weißglut bringen. Wurde 1874 dafür der Grundstein auf der Wiener Ringstraße gelegt? Freilich nicht! Es sollte Ausdruck des Willens eines Volkes sein, das der absolutistischen Herrschaft überdrüssig war. Mit seinem Entwurf hat Theophil Hansen an die Wiege der Demokratie erinnert. Er plante einen ausladenden griechischen Tempel, bewacht von Pallas Athene, genannt Parlament, also Ort des Gespräches und überzeugender Reden (parlare = reden), der 1883 eröffnet wurde. Seit damals sind 140 Jahre über das Gebäude hinweggezogen und haben ihre Spuren hinterlassen: ein erster Weltkrieg, in dem es als Rekonvaleszenzhaus für verletzte Offiziere der k.u.k. Armee gedient hat, zwischen 1933 und 1938 als Bleibe für Organisationen des Ständestaates und anschließend bis 1945 für Institutionen der Ostmark, bis es mit Kriegsende von schweren Bombentreffer heimgesucht wurde. Dennoch konnte 1956 der Sitzungssaal des Nationalrates wieder in Betrieb genommen werden. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt wurde dieses Zentrum des Parlamentarismus vom Architektenduo Fellerer und Wöhrle im Stil ihrer Zeit gestaltet. Über die Jahrzehnte seither wurde jedoch der ganze Komplex baufällig, außen und innen. Sanierung war angesagt, wurde einstimmig beschlossen und prompt durchgeführt. Dank eines finanziellen Aufwands von 423 Millionen ging am 12. Jänner 2023 die Wieder-Eröffnung unseres Parlaments feierlich über die Bühne. Die Besucher erwartet nach Überwindung des Sicherheits-Checks (im Haus herrscht diesbezüglich Flughafenstandard) ein großzügiges Zentrum, von dem aus das weitläufige Gebäude im Zuge einer Führung erkundet, aber auch als Einführung in unsere Staatsform im Demokratikum oder als unmittelbares Erlebnis mit Zuschauen bei einer Plenarsitzung genützt werden kann. Auskünfte darüber gibt es auf der neu gestalteten Homepage des Parlaments. Man befindet sich hier in der sogenannten Agora. Vorher war an dieser Stelle ein Lagerraum in einem dicken Ziegelgewölbe, stark genug, um die Säulen (je 16. Tonnen) in der Halle darüber zu tragen. Das Architektenteam Jobornek & Pàlffy hat es mit dem Einziehen von Stahlträgern und genau platzierten Säulen aus Stahlbeton geschafft, auf 1000 m2 genügend Platz zu schaffen, um Informationen über die Geschichte des Parlamentarismus ab 1848 bis zur Gegenwart, Bürgerbeteiligung, Demokratie, Republik und nicht zuletzt eine Garderobe anbieten zu können.
Auf der einen Seite geht es in das Medienzentrum mit zwei Fotoausstellungen, kuratiert von Lois Lammerhuber und einem Nachdenken über die Frage über die vierte Gewalt im Staate, die sich aufgrund immer wichtiger machender Social-Media längst nicht mehr auf qualitätsvolle Journalistenarbeit beschränkt. Gleich danach wartet „Lokal 1“ mit dem Namen Erwin Schrödinger. Es dient dem Untersuchungsausschuss (im Haus gibt es etliche Ausschüsse, die hoffentlich bemüht sind, nicht allzu viel Ausschuss zu produzieren) und liegt unmittelbar unter dem Nationalrats-Sitzungssaal, der einst von hier aus mit frischer Luft versorgt wurde.
Zurück in die Geschichte führt der historische Sitzungssaal. Während der Monarchie diente er den 500 Abgeordneten aus den 16. Kronländern Cisleithaniens, die mit Obstruktion (Wirbel machen, damit die Reden nicht verstanden werden) selten zur Einigkeit fanden; war ja auch schwierig mit den verschiedenen Muttersprachen und divergierenden nationalen Befindlichkeiten. Heute ist er Schauplatz von Festsitzungen des National- und Bundesrates sowie der Angelobung des Bundespräsidenten. In diesem Raum ist noch vieles original, von der Glasoberlichte über den Statuenschmuck an den Wänden (in einem Fries an der Vorderseite hat sich Theophil Hansen in einer der Figuren verewigt) bis zum Holz der Sessel, Fenster- und Türrahmen aus 40 Jahre gelagertem Eichenholz aus Kroatien. High Tech ist raffiniert in der bestehenden Substanz versteckt. Genannter Bundesrat, die Vertretung der neun Bundesländer, tagt mit 61 Mandataren nun im Sitzungssaal des Herrenhauses, an dessen Decke die Wappen der 16 Kronländer an die einstige Größe des Reiches erinnern. Die hier tätigen Politiker dürfen sich eines noblen Ambientes erfreuen, nicht zuletzt unter größten Lustern des Hauses, die von Gas über Glühbirnen nun das Licht von LED-Lampen ausstrahlen.
Kunst wird im Parlament groß geschrieben. Ob passend oder nicht wurden Arbeiten zeitgenössischer Künstler und Künstlerinnen an diversen Stellen angebracht, immer wieder im Dialog mit klassischen Werken wie den Götterstatuen in einem der Aufgänge. Aber sogar diese Figuren sind der Mode und dem Zeitgeist unterworfen, wie erzählt wird. Einige von ihnen sind nackt. Deren Blöße musste immer wieder von einem Feigenblatt verdeckt werden, wurde dann aber doch freigelegt und wieder schamhaft versteckt. Schlagzeilen gemacht hat ein Musikinstrument. Im Empfangssalon wartet Ver Sacrum, ein Flügel von Bösendorfer, auf Klaviervirtuosen, die diesem luxuriösen Klavier seinem reichen Goldauftrag entsprechende Töne entlocken. Sofern es sich um besinnliche Musik handelt, könnte diese die Abgeordneten durchaus zum Nachdenken anregen, das in der Stille des weiß gehaltenen Reflektoriums zu gedeihlichen Ergebnissen und damit zu einem Segen für Republik und Demokratie führen sollte. Statistik |