Kultur und Weindas beschauliche MagazinWasserspeicher am Rosenhügel, Bild v. S. 43 WIEN UND SEINE BERGE Bilderreicher „Großstadt-Alpinismus“
Kulturwissenschaftler Matthias Marschick und der Journalist Edgar Schütz haben in diesem Sinn die Berge der Großstadt „bestiegen“, ganz ohne Seil und Pickel, sondern eher über Aufstiegshilfen wie Bezirksmuseen oder topographische Archive, in denen die Geschichte der jeweiligen Bodenerhebung entdeckt wurde. Dazu wurde von der Edition Winkler-Hermaden in gewohnt großartiger Manier historisches Bildmaterial zusammengetragen, um mit dem Buch „Wien und seine Berge. Weltstadt mit vielen Höhepunkten“ einesteils zu einer bequemen Lesetour, andererseits zu einer möglicherweise schweißtreibenden, letztlich aber glücklich machenden Wanderung einzuladen.
Was fällt einem Wiener als erstes ein, wenn er einen Berg seiner Heimatstadt benennen soll? Berühmt ist der Kahlenberg, ehedem Sauberg, und Nachbar des Leopoldsberges, dem ursprünglichen Kahlenberg, mit seinem unvergleichlichen Blick über die Stadt. Schon in der Schule wurde erzählt, dass von dort oben das christliche Abendland vor der osmanischen Eroberung gerettet wurde.
János Kalmár, Wiener Neustädter Kanal, Schafflerbrücke, S. 113 VERSCHWUNDENES INDUSTRIEVIERTEL Die Melancholie geschlossener Rollläden
Der Untertitel „Über Greißler und Wirtshäuser, Industrie- und Gewerbebetriebe, Hotels und Pensionen, die es nicht mehr gibt“ liest sich wie das Programm einer umfassenden Präsentation von Lost Places, diesen Orten mit der geheimnisvollen Aura eines in Ruinen gefangenen Lebens. Das Industrieviertel, auch als Viertel unter dem Wienerwald bekannt, kann davon eine gewaltige Fülle aufbieten. Im Süden der Hauptstadt Wien fanden Unternehmer Jahrhunderte lang die optimalen Voraussetzungen für ihre Betriebe – und das Erstaunliche, sie finden sie bis heute. Der Namensteil „Industrie“ hat noch seine volle Berechtigung. Allein der stetige wirtschaftliche und technische Wandel sowie historische Ereignisse wie zwei große Kriege haben jedoch ihre Spuren hinterlassen. Übrig geblieben ist von damals – um einen Ausdruck aus der Computersprache zu verwenden – die nicht mehr benötigte Hardware. Zum Teil ist sie traurige Erinnerung, nicht selten aber auch voll Romantik, die so mancher kunstvoll vom Zahn der Zeit benagten Baulichkeit eigentümlich ist.
Das Buch „Verschwundenes Industrieviertel“ (erschienen in der Edition Winkler-Hermaden) ist aber mehr als ein Bilderbogen von Zeugnissen des Untergangs. Drei Historiker (Dr. Ernst Bruckmüller, Dr. Reinhard Linke und Christoph Mayer, MAS) haben einen aufschlussreichen Textteil erstellt. So erzählt „Von Mühlen und Hämmern zur Herrschaft der Dampfmaschine“ von den Anfängen, die in der frühen Neuzeit zu suchen sind. Aus einzelnen Werkstätten befreiten sich mit dem Merkantilismus erste Manufakturen aus rigiden Zunftordnungen. Der Bau der Semmeringbahn war eine weitere Zündung, die u. a. in Wr. Neustadt eine Lokomotivfabrik ermöglichte. In Berndorf begann die Herstellung von feinem Tafelbesteck und in Ternitz prägten Eisenwerke den Ort. Rüstungsbetriebe, so liest man, produzierten Zerstörung, um schließlich selbst zerstört zu werden. Wr. Neustadt ist dafür ein tragisches Beispiel. In den Bombardements Ende des Zweiten Weltkrieges blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Es führte dazu, dass sich ein ganzes Landesviertel neu erfinden musste, sowohl in der Produktion als auch im Handel und dem Dienstleistungsgewerbe, in dem erst die jüngere Vergangenheit unübersehbare Veränderungen brachte, wie geschlossene Rollläden, die nicht nur vor Greißlern und Trafiken, sondern auch vor Postämtern und Banken herabgelassen wurden. Bei einem Spaziergang entlang des Wiener Neustädter Kanals kann man sich von anschleichender Melancholie erholen. Begleitet wird man dabei von den Fotos des Bildautors János Kalmár. Sein Beitrag macht den weitaus größten Teil des Buches aus. Kalmár hat die Relikte einer industriellen Vergangenheit ins rechte Licht gesetzt, ohne die Tristesse zu übertreiben und trotzdem den Verfall sichtbar zu machen. Dazu hat er sich zwischen Gesträuch durchgezwängt, um die kargen Mauerreste einer Munitionsfabrik festzuhalten, ist über aufgelassene Gleisanlagen in ein verlassenes Gummi- und Kabelwerk eingedrungen und lässt auf seiner Suche nach optischen Sensationen die einstige Herrlichkeit in den Grandhotels am Semmering neu erglänzen. Vieles davon kennt man, sofern man im Industrieviertel aufgewachsen ist, aus eigener Anschauung. So ist vom Zug aus noch immer „Korksteinfabrik-A.G vormals Kleiner u Bokmayer“ in Mödling zu lesen. Auf dem Gelände selbst werden tatsächlich noch Dämmstoffe erzeugt, das 1901 errichtete ehemalige Produktionsgebäude steht dankenswerter Weise unter Denkmalschutz, ein Benefizium, das den meisten anderen, auf diesen Bildern noch präsenten Anlagen verweigert wurde. WANDERBARES WEINVIERTEL zwischen Manhartsberg und March
Das G´scheiteste ist, wenn man das Auto daheim lässt. Das Viertel nördlich von Wien ist recht gut mit den Öffis erschlossen. Sie bringen einen flugs von der Großstadt hinaus in die Natur, die zwischen den meist kleinen Ortschaften noch in Hülle und Fülle vorhanden ist. Dabei kann es ganz leicht passieren, dass man in einer der malerischen Kellergassen angesprochen wird. Ein alter Herr sitzt vor seinem Keller in der Sonne und erfreut sich an einem Glas Wein. Es handelt sich dabei um den Vater des Weinbauern, der die Produktion schon längst zum Haus im Ort verlegt hat. „Na, habt´s kan Durscht?“ werden die mit Wanderstöcken und Rucksäcken ausgerüsteten Vorbeieilenden in ihrem Vorwärtsdrang gebremst. Schon haben sie Platz genommen und laben sich an einem Spritzer, während sie dem neugierigen Kellermann bereitwillig erzählen, woher sie kommen und was sie in diese Lössschlucht geführt hat. Nachdem der Rest des Weges absehbar ist, bleibt man gern noch sitzen und aus einem werden drei, vier erfrischende Gläser dieses wunderbaren Getränkes. Deswegen, das G´scheitetse ist, wenn man das Auto daheim lässt.
Diese sehr persönliche Einführung gilt einem Buch der Edition Winkler-Hermaden. Zwei Spezialisten schlagen unter dem Titel „Wanderbares Weinviertel“ 33 Runden zwischen Manhartsberg und March vor. An denen sind oben die beschriebene Gastfreundschaft ebenso zu finden wie bequem zu gehende Wege und nicht zuletzt Sehens- und Wissenswertes. Johanna Ruzicka ist als geborene Riegelhofer eine „fast echte“ Poysdorferin und kennt diese Gegend g´rad´ so gut wie ihr Westentaschl. Ihr Mann Thomas kommt aus Gerasdorf/Kapellerfeld im Marchfeld und kann eine Ausbildung zum Kellergassenführer vorweisen.
WEINVIERTLER WEISHEITEN Den Landleuten aufs Maul g´schaut
Dessen Antwort fiel daher manchmal recht rüde aus: „Mei Oide und i g´hern olle zwoa unta d´Erd. Sie ins Gro(b) und i in Kölla“, worauf ihrerseits prompt die Drohung folgte: „Du kimmst a nau amoi in mei(n) Gassn.“ Dem so Verunsicherten verblieb nur ein unwilliges Knurren: „Du bist a sekkante Woa!“ Die vom nächtlichen Streit angezogene Großmutter erschien ebenfalls auf der Szene und hatte für die beiden Kontrahenten die passende Zurechtweisung: „Die schlechtesten Leit san die Maunsbüda und die Weibsbüda.“ Nicht selten war der Friede damit wieder hergestellt. Vielleicht ließen sich die Damen in ihren wallenden Nachthemden sogar zu einem Versöhnungsschluck aus der mitgebrachten eineinhalb Liter fassenden Kellerflasche überreden, denn: „Durchs Reden keimman d´Leit zsaumm.“ Wer bei diesen Dialogen nicht alles ganz genau verstanden hat, dem sei ein eben erschienenes Büchlein aus der Edition Winkler-Harmaden empfohlen: „Weinviertler Weisheiten. Sprüche und Redewendungen, gesammelt von Michael Staribacher“. Der Autor kennt das Weinviertel und dessen Bewohner bestens, vor allem aber dessen vielschichtige Sprechweisen. Besonders am Herzen liegt ihm dabei die bereits auf der roten Liste der Dialekte stehende Ui-Mundart. Staribacher hat den Leuten aufs Maul g´schaut, wie man so schön sagt; und er hat deren Äußerungen getreulich notiert. Sein jüngstes Werk ist, wie er selber im Vorwort schreibt, „eine hochinteressante Entdeckungsreise in die Vergangenheit, aber auch in die Gegenwart – mit Ausblicken sogar bis in die Zukunft.“ Zeichnung von Rudolf Schuppler, S.106 Zusammengefasst in Themenkreise wie „Vom Arbeiten und Nichtstun“, „Reichtum und Geld“ oder „Wie die Menschen so sind“ präsentiert er Bonmots des Alltags, die in kürzester Formulierung eine ganze Lebenseinstellung zusammenfassen. Die Schreibweise ist dem Hören entnommen, wird von ihm aber ins Hochdeutsche übertragen und mit einer knappen Erklärung sowie der jeweiligen Herkunft ergänzt. Ein Beispiel gefällig? Auf Seite 101 ist unter „Derb und Deftig“ zu lesen: „Geht scho, sogt da Bettscheißer, nur au(n)taucha muißt!“ Die Übersetzung: Geht schon, sagt einer, der ins Bett machte, du musst nur anschieben! Bedeutung: So sagt man beim Heben schwerer Lasten. Herkunft: Immendorf. Der Ton ist durchwegs heiter, was durch witzige Zeichnungen aus der Hand von Rudolf Schuppler, Illustrator von Kinderbüchern und Cartoonist, aufgelockert und auf den Punkt gebracht wird. JAKOBSWEG WEINVIERTEL Zu Fuß von Mikulov nach Krems
Reinhard Mandl nennt sie eine „Jakobs-Schnuppertour“, die er durch das ihm vertraute Weinviertel angetreten ist und die ihn schließlich zum Buch „Jakobsweg Weinviertel“ (erschienen in der Edition Winkler-Hermaden) angeregt hat. 2010 wurde das Teilstück zwischen dem tschechischen Mikulov und Krems an der Donau in das weit verzweigte Netz der Jakobswege offiziell eingefügt. Alte Karten aus dem 16. Jahrhundert zeigten, dass die historische Route von Krakau und Lemberg kommend bei Drasenhofen in Österreich mündete und in südwestlicher Richtung zur Donau führte. Dass man diese Strecke nun entlang der Wegweiser in Form einer gelben Jakobsmuschel möglichst ohne Verirrungen, mit genügend Übernachtungsmöglichkeiten und entsprechender Verpflegung bewältigen kann, ist, so wird im Vorwort von Pilgerbegleiter Werner Kraus betont, vielen guten Seelen und engagierten Organisationen wie Pfarren, Gemeinden oder den LEADER-Regionen zu verdanken. Informationen dazu gibt es im Internet unter den Links Jakobsweg Weinviertel und Bildungs-Akademie Weinviertel, die unter der Leitung des früheren Bischofsvikars Dr. Matthias Roch für das spirituelle Leben am Weg sorgt. Es sind gerade einmal 153 eines 3000 Kilometer langen Weges. Sie weisen nur wenige Steigungen auf und führen zum guten Teil angenehm auf Feldwegen oder durch pittoreske, zu einem Rastsachterl einladende Kellergassen. Was sich wie ein Spaziergang ausnimmt, muss man aber erst hinter sich bringen und wird gerne die Überzeugung von Reinhard Mandl teilen, dass dieses kleine Mosaikstück gebührende Beachtung verdient. Er nimmt in seinem Buch den Leser mit auf den Weg. Man kommt mit ihm an einem späten Spätsommermorgen auf dem Heiligen Berg in Mikulov an, spürt die feierliche Aufbruchsstimmung und lässt sich auch von den Schreckschüssen aus den nahen Weingärten nicht stören. Letztlich nicht unwesentliche Kleinigkeiten werden authentisch geschildert, wie Begegnungen mit anderen Wallfahrern oder die Gastfreundschaft der Weinbauern vor ihrem Kellerhaus, aber auch das große Erlebnis eines tiefen Eindrucks, den beispielsweise die überwältigende Aussicht von einem der wenigen „Berge“ herab beschert. Bergkapelle am Michelberg © Reinhard Mandl Es kann ein Fuß unvermittelt ob ungewohnter Belastung schmerzlich streiken, die Wasserflasche leer und kein Brunnen in Aussicht sein oder der Wegweiser übersehen werden, was dazu führt, dass sich fromme Pilger traditionell in den Wäldern vor Mistelbach im dichten Gebüsch verlaufen, wie es nicht nur ihm, sondern auch mir selbst vor nunmehr elf Jahren passiert ist. Damit die Vorstellungskraft unterstützt wird, ist dieser besondere Wanderführer reichlich mit Fotos illustriert, die Mandl entweder schon vorher oder auch bei der Begehung selbst gemacht hat. Es sind meist unscheinbare „Sehenswürdigkeiten“, für die sich jedoch eine Pause lohnt. Alles zusammen macht gewaltig große Lust, sich wieder auf den Weg zu machen; nicht zwangsläufig mit großen „heiligen“ Vorhaben. Besinnlichkeit stellt sich ganz von selbst ein, wenn man beharrlich einen Schritt vor den anderen setzt und eine Woche lang auf nichts als Rucksack und Wanderstöcke angewiesen ist. AUFKOCHEN in der Küche unserer Großmutter
In der Mitte musste es siedend heiß sein und am Rande gerade nur so viel, dass fertig Gegartes in den Häfen und Reindln in Ruhe ziehen und warm bleiben konnte. Wenn die Männer vom Feld, aus dem Weingarten oder am Sonntag vom Wirtshaus heim kamen, waren sie hungrig und deswegen auch ein wenig ungeduldig und grantig, wenn nicht mit dem Zwölfeläuten das Essen angerichtet war und nach kurzem Tischgebet hingebungsvoll mit Appetit verzehrt werden konnte.
Viel Gemüse und vor allem Hülsenfrüchte, die nach wie vor die breite Basis unserer täglichen Ernährung sein sollten. Wenn schon Fleisch, dann wenig und nach aktuellem Maßstab „From Tail to Nose“ das ganze Vieh restlos verwerten. So war ein Sautanz undenkbar ohne Beuschel, Blunzensuppe oder das Stockfleisch, bei dem u. a. Kronfleisch, Bries, Milz und Lichteln (lt. Wiener Teilung Herzröhren, Aorta) zu einem beliebten Gabelfrühstock verkocht wurden.
Deswegen war es hoch an der Zeit, diesen Schatz vor dem Vergessenwerden zu retten. Mitglieder des Teams der LEADER Region Weinviertel Ost haben sich in Pflegeheime von Mistelbach, Poysdorf, Wolkersdorf und Zistersdorf begeben, dort mit den alten Damen geplaudert und deren Wissen damit sichergestellt. Bei diesen „Tratschereien“ sind nicht nur Kochrezepte zutage gekommen, sondern auch ein wunderbares Bild der Vergangenheit. Unter dem Motto „Essen und Trinken hält Leib und Seele z´samm“ wurde auch über alte Bräuche erzählt, die eng mit dem bäuerlichen Speiseplan in Verbindung standen, angefangen vom Striezel zu Neujahr bis zur Weinweihe am Johannestag.
DER MICHELBERG Mystische Anziehungskraft im Licht der Archäologie
Unweit davon bemerkt man Grabungsspuren von Archäologen. Auf Infotafeln erfährt man, dass sich an dieser Stelle bereits seit der Frühbronzezeit ab 1800 v. Chr. eine Höhensiedlung befunden hat. Die Menschen hat es also seit jeher hergezogen, um zu wohnen oder später als Wallfahrer zu beten. Sie alle haben ihre Spuren hinterlassen, die ergraben und befundet wurden und nach wie vor noch werden, um wie bei einem Mosaik ein mehr und mehr geschlossenes Bild von der bewegten Geschichte des Michelberges zu schaffen.
„Der Michelberg hat seit meiner Kindheit immer eine besondere Faszination auf mich ausgeübt ... Es entstand bei mir der große Wunsch, hinter das Geheimnis des Bergs mit seinen Wällen und Gräben und der verschwundenen Kirche, deren Entstehungszeit angeblich bis zu Karl dem Großen zurückreichen soll, zu kommen.“ Dazu hat er nun für seine Leser eine spannende, wenngleich doch sehr fachlich formulierte Zeitreise organisiert, die über etliche Tausende von Jahren herauf bis in die jüngere Vergangenheit führt.
Jede der angesprochenen Perioden bietet ihre Besonderheit. Aus der frühesten festgestellten Besiedlungsschicht stammen die Wälle und Funde wie eine Zyprische Schleifennadel aus Bronze, ein fragmentiertes Scheibenrad oder die „Steckdose“, wie die Archäologen das prachtvolle Fußgefäß vom Michelberg bezeichnen. Für Lauermann scheint aber die Hauptfrage darin bestanden zu haben, wie es um die verschiedenen Kirchen bestellt war. Die Legende erzählt von einem solchen Bau, der bereits im Frühmittelalter dort bestanden haben soll. Hinweise darauf geben die Gräber und Funde wie ein halbmondförmiger Kopfschmuck mit Emaileinlagen oder Tüllenpfeilspitzen mit Widerhaken, wie sie damals verwendet wurden. Nachgewiesen wurde eine romanische Kirche und Reste eines hier bestehenden Haushalts in der Zeit um 1200. Bereits um 1300 hatte man eine neue Kirche errichtet. In ihrer unmittelbaren Nähe fanden sich „Traufenkinder“ und andere Seelen am Michelberg, wie Lauermann schreibt. Aus der frühen Neuzeit (1500 bis 1745) stammt der nächste Kirchenbau. Der Krötentopf ist wohl der kurioseste Fund aus dieser Periode. Gefüllt war er mit Knochen von mindestens 15 Wechselkröten. Wie es zu diesem kuriosen Inhalt gekommen sein kann, gab, so der Autor, „Anlass zu Spekulationen“, die in der Folge nicht verschwiegen werden.
MEERESSTRAND UND MAMMUTWIESE gründlich erforscht
Was alles im Laufe der Erdgeschichte zur „Geologie und Paläontologie des Weinviertels“ beigetragen hat, haben sie unter dem Titel „Meeresstrand und Mammutwiese“ für die Edition Winkler-Hermaden auch für den Laien aufbereitet und führen ihn dabei in wundersame, teils unglaubliche Epochen unserer fernen Vergangenheit ein. Die Autoren sind überzeugt, dass das Weinviertel diesbezüglich andere Maßstäbe als die übrigen Landesteile benötigt. Es grenzt an das Waldviertel und besteht im Westen aus Granit, bevor der feine Löss das Regiment übernimmt und die Oberfläche bis an die östliche Grenze beherrscht.
Man erfährt, wie der Amethyst entstanden ist und deutlich wird festgestellt, woher der Löss nun wirklich angeweht wurde. Noch erstaunlicher vielleicht ist die Tatsache, dass die Böhmische Masse ein Immigrant aus der südlichen Halbkugel ist, die vor 600 Millionen Jahren Teil des Gondwana-Kontinents auf der südlichen Erdhalbkugel war und nach und nach nordwärts gewandert ist.
DER WAGRAM Mit einem Buch durch Ortschaften und Rieden wandern
So besehen ist der Wagram einzigartig und hat sich deswegen selbstbewusst vom Weinviertel abgegrenzt. Er präsentiert sich nicht nur als eigene Weinregion, sondern längst auch als Freizeitregion, die mehr und mehr von (Rieden)Wanderern und Radfahrern als Destination für Tagesausflüge geschätzt wird. Dennoch können sich noch zu wenige Menschen, auch die nahen Wiener, mit dem Wagram wirklich was anfangen. Es war also hoch an der Zeit, die Lust auf Spaziergänge durch romantische Lössschluchten, auf einen aufschlussreichen Tratsch mit einem Winzer vor oder besser in seinem Weinkeller und auf eine Begegnung mit den hochinteressanten historischen Hinterlassenschaften in den freundlichen Ortschaften zu wecken.
Dazu beschreiben Anna Schabl und Karin Reichelmayer liebevoll ausführlich, wie es früher auf einem Weingut zugegangen ist, bevor Hochkultur und Kellertechnik Einzug gehalten haben. Ludwig Leuthner erzählt vom „Hiatabrauchtum in Fels am Wagram“ und Sepp Rittler trägt mit dem Gedicht „Im Lesn – Eine Betrachtung“ als lokale Verständigungshilfe Mundart-Poesie bei. Es sind durchwegs Heimatforscher, die den Leser in die Vergangenheit ihrer Heimat führen und dafür engagiert in Pfarrchroniken recherchiert und sich in den Erinnerungen der Alten umgehört haben. So sind Johanna Ettl dem Ursprung des Namens Königsbrunn und Maria Knapp dem Hochzeitsbrauchtum wie dem Vierzieh´n, einem Schabenrack der Burschen des Ortes, nachgegangen.
STERZFRESSER UND GNACKWETZER Orts-Spitznamen im Weinviertel
Aber rustikaler Humor ist eben zu deftig direkt und kennt wenig Rücksichtnahme auf die jeweiligen Befindlichkeiten des damit Getroffenen, um damit in zivilisierter Weise umgehen zu können. So haben sich (nicht nur) im Weinviertel nahezu für jede Ortschaft Spitznamen bis in unsere Zeit herauf erhalten, um mit der diesem Wort immanenten Spitze auf die anderen einzustechen.
Der Eichenbrunner Michael Staribacher hat sich bereits in einigen Publikationen (Eichenbrunner Sprachelexikon, Weinviertler Dialektlexikon u.v.m.) als Sprachforscher einen Namen gemacht. Zusammen mit dem geborenen Weinviertler Christian Wiesinger, Pfarrer von Gaubitsch und Unterstinkenbrunn, ist er nun diesen Orts-Spitznamen nachgegangen und hat dazu in der Edition Winkler-Hermaden unter dem Titel „Sterzfresser und Gnackwetzer“ ein Lexikon der Weinviertler Ort-Spitznamen herausgebracht. Die Orte finden sich in alphabetischer Reihenfolge, dazu der jeweilige Nickname und wo es sich noch eruieren ließ, dessen Geschichte oder Bedeutung. Zu Erleichterung des Verständnisses des nicht selten derben Vokabulars wurden von einem treuen Gast im Weinviertel, dem deutschen Pfarrer Thomas Wolf, witzige Zeichnungen beigefügt.
VERSCHWUNDENE WIENER STRASSENNAMEN als beredte Zeitdokumente
Das genügte für den damaligen Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ), daraus den Universitätsring zu machen. Wieder ein umstrittener Name weniger im Straßenbild, mag man sich denken, und nimmt es zur Kenntnis wie vieles, was an mehr oder weniger nachvollziehbaren Erneuerungen über uns hinweg fegt. Dass damit aber jedes Mal auch ein Stück Geschichte neu geschrieben wird, und zwar ganz im Sinne der im Moment an der Macht befindlichen Partei, ist die Kehrseite der jeweiligen Umbenennungen.
Auch bei diesen kommunalen Großereignissen kam es reihenweise zu neuen Namensschildern an den Häusern, so in der ehemaligen Bräuhaus Gasse (Schmalzgasse) oder der Schwibbogen Gasse, der heutigen Trautsongasse. Das Gleiche gilt für die Eingemeindung der Vororte und noch mehr für die Errichtung der Republik 1918. Es gab ein massenhaftes Abmontieren von Taferln mit den Namen der Habsburger. Die Kaiser-Franz-Josephs-Brücke ist besser als Kennedybrücke bekannt und der Kaiser-Karl-Ring als Opernring. Aber auch das Rote Wien hat sein Ende gefunden und die Sozialisten mussten zugunsten eines Heiligenstädter Platzes auf Karl Marx verzichten. Ihren Gegnern erging es nicht besser. So wurde der Name des 1934 ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß von den 1938 folgenden Nationalsozialisten aus dem Straßenbild gründlich getilgt. Das gleiche Schicksal ereilte 1945 die Nazibonzen. Adolf Hitler hatte sich den Rathausplatz gesichert und Hermann Göring den Park vor der Votivkirche, heute bekannt als Rooseveltplatz. Ihnen folgten die sowjetischen Befreier, die partout darauf bestanden, dass der Schwarzenbergplatz den Namen Stalin tragen sollte, was Gott sei dank ebenfalls Vergangenheit ist.
Man muss allerdings fleißig blättern und stets ein Auge auf das Register haben, um sich mit den Namen zurecht zu finden. So entdeckt man auf Seite 53, dass der Familienplatz in Ottakring einst nach Stephanie, der Frau von Kornprinz Rudolf benannt war.
DIE DUNKLEN JAHRHUNDERTE DES WEINVIERTELS mit goldenen Spuren
Er schafft im Zuge einer wissenschaftlich gesicherten Befundung der ergrabenen Relikte ein recht anschauliches Bild dieser Zeit. Das geübte Auge des Forschers sieht in diesen unscheinbaren Details wesentlich mehr als man anhand einer Münze, eines Tonscherbens oder eines verbogenen Schmuckstücks vermuten würde.
Kriegerische Zeiten brachen mit den Markomannen, den Awaren und Hunnen über die heute so friedliche Gegend herein. In den Gräbern der Kämpfer fanden sich Langschwerter, Reflexbögen und Rüstungsteile wie ein eiserner Helm, der in der Ortschaft Grund beim Bau der Umfahrungsstraße nach bald zwei Jahrtausenden wieder ans Licht gekommen ist.
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