Baden ist bekannt für die Operette und die Operette von Baden nicht wegzudenken. Diese so oft totgesagte Gattung des Musiktheaters lebt sich in der Kurstadt prächtig und verträgt sich bestens mit ihrer jüngeren Schwester, dem Musical, und ihrer Cousine, dem Sprechtheater. Liebevoll wird sie gepflegt und behutsam jung gehalten, eben ganz wie ein Kurgast, der im Schwefelwasser Linderung seiner Wehwehchen sucht.
Wie der noble Duft nach Schwefel die Atmosphäre der Kurstadt Baden bei Wien einzigartig macht, sind es auch Tradition und Nostalgie, die mit den wunderschönen alten Häusern, dem prächtigen Kurpark, dem Rosarium und den kleinen Heurigen in ruhigen Seitengassen die Besucher zu einer charmanten Zeitreise verführen. Die Stadt selbst wirkt wie eine biedermeierliche Kulisse, in der die Badener selbst gemeinsam mit ihren Gästen allerdings ein durchaus heutiges Leben führen.
Zum Träumen gibt es das Theater, und zwar gleich in zweifacher Ausführung: das Haupthaus im Zentrum mit der glanzvollen Bezeichnung „Jubiläums-Stadttheater“, und die Sommerarena, zu der man am Undine-Brunnen und der Blumenuhr vorbei durch den Park aufsteigt.
Baden ist also Theaterstadt. Nachgewiesen ist die Begeisterung für die Bühne dortselbst bereits im frühen 18. Jahrhundert. Ab 1751 liegt eine lückenlose Theaterchronik vor. Ein Jahr vor Gründung des heutigen Burgtheaters im nahen Wien, also 1775, errichtete die Stadt Baden auf dem Platz des heutigen Haupthauses das erste Theatergebäude. Kein Geringerer als der Architekt Joseph Kornhäusl wurde für den Neubau 1811/12 verpflichtet, das fast 100 Jahre mehr oder weniger dem Theaterbetrieb genügen musste. Nach langen Debatten wurde 1908 neuerdings ein Neubau beschlossen, just im 60. Jahr der Regierung von Kaiser Franz Joseph. Dieses Jubiläum, so wird berichtet, sollte mit „einer Großtat der Stadt gewürdigt werden.“
Eröffnet wurde das unter dem bekannten Architektenduo Fellner und Helmer errichtete Theater am 2. Oktober 1909. Die Gesellschaft war damals noch geteilt, in noble Herrschaften und gemeines Volk. Daher finden sich getrennte Aufgänge. Damit es nur ja kein Verwechseln gab, wurden die noblen Treppen bequem breit angelegt und mit einem von bronzenen Klauen gehaltenen Handlauf ausgestaltet. Sie führen hinauf zum Balkon, von dem aus sich das p.t. Publikum in ein standesgemäßes Foyer mit Kristalllüstern, Spiegeln und wertvollen Tapeten ergehen konnte. Heute ist dieser Raum dem großen Max Reinhardt, einem Sohn der Stadt Baden, gewidmet. Genützt wird er für Premierenfeiern und fallweise auch bespielt.
Nur herabschauen auf die Champagner schlürfende High Society durften einst die Besucher der Galerie, die noch heute über separierte Stiegen nach oben zu schmucklosen Gängen geführt werden. Der Abstieg zu den Sitzplätzen ist zwar halsbrecherisch steil, aber die Sicht von da oben, die Sicht auf die Bühne ist großartig! Ganz anders als in den Logen. Was brauchte man damals zu sehen, was vorne gespielt wurde. Weit wichtiger war das Gesehenwerden. Man konnte sich einen solchen Platz leisten und pflegte ungeniert gesellschaftlichen Umgang während der Vorstellung. Was sich dabei die Genies gedacht haben mögen, deren Porträts und Namen an der Brüstung der Logen angebracht sind, werden wir nie erfahren. Belegt ist hingegen, dass die Auswahl der Persönlichkeiten aus Musik und Theater, u.a. Schubert und Beethoven, seinerzeit zu Animositäten seitens der Übergangenen geführt hatte.
Ein wesentlicher Impuls für die Badener Theaterleidenschaft waren wohl die Kurgäste. Zu manchen Zeiten kam ihre Anzahl der Einwohnerzahl gleich. Das Theater bot Zerstreuung, und das jeden Tag. In der warmen Jahreszeit ließ man den Sternenhimmel mitspielen. Aufführungen fanden in der Arena statt, einem Theater mit offenem Dach und einem offenbar legerem Publikum. „In der Arena is´ schena, weil die Männa rauchen kenna“ war die heutzutage kurios anmutende Devise, die viele in dieses Theater lockte.
1906 wurde dieses alte Freilufttheater an der Schwechat von der Sommerarena im Kurpark abgelöst, einer Art Cabrio mit gläsernem Schiebedach. Sollte während einer Vorstellung Regen einsetzen, wird das Publikum Zeuge eines faszinierenden Schauspieles über seinen Köpfen. Mithilfe einer umständlichen Technik lässt sich das Dach schließen, und wenn dies gelungen ist, wird der Fahrer in der Kabine mit Applaus bedacht.
Stadt und Theater sind eins geblieben, zumindest emotional. Lediglich die sogenannte Rechtsträgerschaft wechselte ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2009 zu einer Landesgesellschaft. Bis heute sorgen die Theatermusiker mit Konzerten im Pavillon des Kurparks für Unterhaltung der Gäste unter Tags. Abends wird, falls nicht gerade ein Sprechtheater auf dem Programm steht, im Orchestergraben gespielt. Von bekannt hoher Qualität ist das Ballett, das sich die Bühne Baden nach vor leistet und damit einen weiteren Anreiz für einen Ausflug von Wien ins Theater nach Baden bietet. Antreten sollte man eine solche Reise stilgerecht mit der „Elektrischen“, der „Badner Bahn“, also der Lokalbahn Wien-Baden, die den Weg von der Hauptstadt zum Kurort in beschaulicher Fahrt zum guten Teil zwischen malerischen Weingärten zurücklegt.
Aufgetreten sind in Baden nahezu alle Großen der Wiener Bühnen. Es gehörte einfach dazu, im Stadttheater oder in der Sommerarena zu gastieren und damit einmal, wenn auch nicht weit, so doch weg vom täglichen Betrieb eines Burgtheaters, einer Volksoper oder der Josefstadt die Begeisterung eines in dieser Hinsicht durchaus verwöhnten Publikums genießen zu können.