Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

Ein kurzweiliger Rückblick auf 400 Jahre Operngeschichte

Die Oper ist ein Theaterstück, bei dem die meisten Figuren die meiste Zeit singen…

(Carolyn Abbate & Roger Parker definieren das Musiktheater)

Cover Eine Gewschichte der Oper

Wer diesem Genre einmal verfallen ist, darf ohne Übertreibung als unheilbar erkrankt bezeichnet werden. Oper ist weder gesund noch vernünftig. Sie ist eine Sucht, die der größere Teil der Menschheit genauso wenig nachvollziehen kann wie ein Nichtraucher den Genuss, den ein Raucher beim Tabakqualmen empfindet. Trotz diverser Rosskuren, die ihr im Lauf der Zeit von Komponisten und Librettisten angetan wurden, erfreut sich die Oper seit mindestens 400 Jahren bester Gesundheit. Sogar nach etlichen Jahrzehnten, in denen sich nur dürftiger Nachwuchs an neuen Stücken eingestellt hat, wirkt sie in keiner Weise vergreist. Oper ist das höchste Podium irrealer Fantasien, da sie anders als das Sprechtheater ihre Wahrheit aus dem Rausch der Musik beziehen kann und anders als das Musical dem Gesang die natürliche Kraft einer Stimme abfordert. Einem solchen Phänomen kann nicht oft genug gehuldigt werden. Ihre Geschichte muss immer wieder neu aufgearbeitet werden, bis man am Ende doch nicht versteht, was an der Oper eigentlich so faszinierend ist.

Carolyn Abbate, Professorin für Musikwissenschaft an der Harvard University, und Roger Parker, Professor für Musikwissenschaft am King´s College in London, haben 2012 „Eine Geschichte der OPER“ vorgelegt, mit einem Rückblick auf „Die letzten 400 Jahre“, also mit einem Untertitel, der zweifellos auf eine vitale Zukunft dieser Gattung verweist. 2013 ist nun die deutsche Ausgabe im Verlag C.H.Beck erschienen, ein stattliches Buch mit über 700 Seiten, die jedoch allesamt mit Ruhe und Genuss gelesen werden sollten. Die Autoren haben eben viel zu erzählen.

 

Eine Leseprobe gefällig? „Im Dunkeln sitzend und mit stiller Aufmerksamkeit folgen wir heute dem Operngeschehen auf der Bühne. Das war nicht immer so“, ist die Einleitung zu einer Reihe kurzweilig zu lesender Geschichten. Dazu einige Beispiele: Bekannt ist die bis heute andauernde Auseinandersetzung, ob die Musik oder die Wörter wichtiger sind. Antonio Salieri hat diesbezüglich ein eindeutiges Urteil gefällt, natürlich mit einer Oper. „Prima la musica e poi le parole“ (Zuerst die Musik, dann die Wörter) und hat sich mit dieser Komposition in einem Wettbewerb sogar gegen Mozart durchgesetzt. Wenig bekannt, aber umso amüsanter sind Umdichtungen von Opern. Unglaublich, aber offenbar wahr, ist der Versuch, der „Zauberflöte“ ein völlig anderes Libretto zu verpassen. „Der Kederich“ war der Titel eines Schauerstückes, in dmr aus Tamino Rudhelm, ein Kreuzfahrer, und aus der Königin der Nacht die „Lore von Lurlei“ wird.

 

Genauso wenig wie dieser kuriose Versuch haben zahllose andere Opern überlebt. Aber es hat sie gegeben und vielleicht werden sie eines Tages von einem neugierigen Intendanten wieder entdeckt. Immerhin, es waren Opern, die von den Buchautoren mit alten, riesigen Bäumen verglichen werden: „Ihre Schönheit aber, wie auch die Schatten, die sie werfen, sind gewaltig.“

 

Eine Biographie als Versuch, ein Genie zu erfassen.

Der Löwe mit der musikalischen Pranke

1866 hatte Dantan Jeune eine plastische Karikatur von Giuseppe Verdi geschaffen. Sie zeigt den Meister als Löwen, der mit dem Schwanz und einer Pranke Klavier spielt und mit der anderen Tatze eine Oper komponiert. Die laut Zeitgenossen äußerst treffende Darstellung dürfte Verdi geschmeichelt haben, denn er verwahrte sie in seiner Wohnung, schrieb der englische Musikhistoriker John Rosselli (1927-2001) in seiner Verdi-Biographie (Originaltitel „The Life of Verdi“, erschienen im Jahr 2000 bei Cambridge University Press).

 

Aus Anlass des 200. Geburtstages des Komponisten wurde die Biographie nun in Deutsch (Übersetzung von Michael Bischoff) im Verlag C.H. Beck herausgegeben. „Giuseppe Verdi. Genie der Oper“ als neuer Titel ist eine Einladung, sich mit einem der ganz Großen in der Opernwelt auseinander zu setzen, seinem Werden zum weltweiten Star zu folgen und von seiner unglaublichen Schaffensfülle zumindest eine Ahnung zu erhalten.

Rosselli befreit darin die verständlicherweise überquellende Überlieferung von Legenden und präsentiert Verdi als einen Menschen, der seinem Genie unterworfen war, und der es wohl deswegen auch seiner Umwelt, den ihm nahestehenden Menschen keineswegs leicht machte, mit diesem seinem Genie leben zu können. Betroffen davon war unter anderem seine spätere Lebenspartnerin und zweite Ehefrau Giuseppa Strepponi oder der Librettist Arrigo Boito.

 

Die Mischung aus Persönlichem, vor allem aus Briefen von und an Verdi, dem gegenüber einer klaren Analyse von Werken wie Rigoletto, Il trovatore oder Aida, alles zusammen stets vor der politischen und gesellschaftlichen Kulisse seiner Zeit betrachtet, macht diese eher kurze Biographie zur idealen Einstiegslektüre in das Phänomen Giuseppe Verdi (1813-1901). Zu besseren Übersicht wurde dieser Ausgabe dankenswerter Weise eine Zeittafel (Anselm Gerhard) mit Lebensdaten, vor allem aber einer vollständigen Angabe der schier unzähligen Opern Verdis übersichtlich gemacht.

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