Ein Buch wider die „Erosion“ der Grinzinger Weingärten
Was wäre Wien ohne Wein? Ein Wienerlied ohne Melodie!
Wer an einem sonnigen Nachmittag im Frühherbst mit Bim oder Bus an den Stadtrand fährt, wird nur wenige Schritte nach der jeweiligen Endstation auf die magischen Buschen treffen. Sie signalisieren, dass es hier Wein gibt, den Heurigen, verbunden mit einer Gemütlichkeit, die aus längst vergangenen Zeiten herzurühren scheint. Man sitzt im Gastgarten unter Weinlaub auf grün gestrichenen Bänken und holt sich zum Vierterl das Liptauerbrot und den kalten Schweinsbraten vom Buffet selber.
Mit etwas Glück sitzen in einer Ecke zwei Musikanten mit Quetschen und Kontragitarre, die das Publikum mit den so herrlich rührseligen Wienerliedern „aus der untersten Lad´“ unterhalten. Noch ist es kein Klischee, noch ist es erlebbare Wirklichkeit. Hört man jedoch auf warnende Stimmen, dann ist diese gesellige Idylle in höchster Gefahr, was jeder, der sich schon länger da draußen umschaut, bestätigen wird. Ein uriger Heurigenschenker nach dem anderen schließt seinen Keller und überlässt die Weingärten im besseren Fall Pächtern oder im schlechteren Fall Grundstücksspekulanten.
Christian Schuhböck von „Alliance For Nature“ sieht in seinem Buch „Grinzings Weingarten-Kulturlandschaft- ein potentielles UNESCO -Welterbe“ eine drohende „Erosion“ der Wiener Weingärten: „Dadurch lichtete sich der Grüngürtel Wiens und verlor zunehmend seine für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung so wichtige Erholungs- und Regenerationsfunktion.“ Grinzing, der alte Weinort im Nordwesten Wiens, ist das international bekannteste Synonym sowohl für den Wiener Wein als auch für die Landschaft, die mit Weinstöcken den wohl freundlichsten Grüngürtel um eine Großstadt legen kann.
Dieses weltweit einmalige Weinbaugebiet verdient besonderen, nein, den besten Schutz, wie ihn nur eine Aufnahme in das UNESCO Weltkulturerbe garantieren kann.
Den Anfang machte eigentlich bereits der Wiener Gemeinderat Josef Schöffel, der 1870 die „grüne Lunge“ Wiens vor dem Abholzen rettete. Seit 1972 stemmt sich die „Vereinigung der Freunde Grinzings“ gegen die Verbauung von Grünflächen. 2002 beschloss ein Personenkomitee in der „Kahlenberger Deklaration“ sich für einen Welterbe-Antrag für dieses Weinbaugebiet einzusetzen und 2004 wurde die Vergleichs- und Machbarkeitsstudie „Grinzinger Weinbaugebiet als potentielle Welterbestätte“ von „Alliance For Nature“ erstellt. Das Ergebnis war klar, die Grinzinger Weingarten-Kulturlandschaft hätte zweifelsohne das Zeug, zum „Welterbe der Menschheit“ erklärt zu werden. Nach einigen politischen Missverständnissen seitens der Gemeinde Wien wurde nun die Studie aktualisiert.
Um diese Ergebnisse auch der Öffentlichkeit appetitlich wie eine Heurigenjause schmackhaft zu machen, wurde dazu ein Buch herausgegeben. Auf seinen Seiten findet der Leser mit Garantie alles, was er je über Grinzing und den Wiener Wein wissen wollte. An Illustrationen wurde nicht gespart. Auf einige davon ist Autor Christian Schuhböck besonders stolz. So findet sich zum Herausklappen ein Abdruck der Perspektivkarte des Erzherzogtums Österreich von Franz Xaver Joseph Schweickhardt.
Oder ein Foto, auf das der Autor besonders hinweisen möchte. Es zeigt Hans Moser und Paul Hörbiger nicht wie sonst als Dienstmänner, sondern beim gemeinsamen Weintrinken. Auch die in diesem Artikel verwendeten Bilder sind übrigens allesamt diesem Buch entnommen.
Der zweite Teil des Buches widmet sich den Welterbestätten im Allgemeinen um sich in der Folge doch auf den Wein zu spezialisieren.
Vom Welterbe Wachau über Tokaj in Ungarn oder Val d´Orcia in Italien schmökert man sich auf einer Bild- und Textreise durch die schönsten Weinregionen Europas. Sie alle, fast scheint´s selbstverständlich zu sein, verdanken ihr anziehendes Aussehen als Kulturlandschaft der Natur des Weines. Zusammengenommen bieten sie alle ein starkes Argument, auch die Weingärten von Grinzing in diese Gemeinschaft aufzunehmen und Österreich damit um ein weiteres wertvolles Stück UNESCO-Welterbe zu bereichern.
Erhältlich ist das Buch bei Alliance For Nature, 1160 Wien, Thaliastraße 7, Tel.: 0676/419 49 19 oder Logo unten anklicken
Ein Plädoyer für die Rettung eines hoch gefährdeten Juwels des Jugendstils
Für einen gestandenen Wiener ist es der Limoniberg; gemeint ist die goldglänzende Kuppel der Kirche am Steinhof, die despektierlich als Zitrone bezeichnet wird. Noch dazu liegt sie im Gelände des Narrenhauses, wie das Otto-Wagner-Spital im Volksmund um nichts weniger abfällig genannt wird. Abgesehen davon, dass in diesem Gelände neben Geisteskranken auch Lungen- und Orthopädiepatienten therapiert werden, handelt es sich bei der gesamten Anlage um ein, man kann sie ohne Übertreibung so bezeichnen, Gesamtkunstwerk.
Man braucht nur mit offenen Augen zwischen den Pavillons zu spazieren, langsam die verschlungenen Straßen bis zur Kirche hinaufgehen, um auf eine ungeahnte Fülle an architektonischer Schönheit zu treffen, die einst mit ihrem profanen Zweck als Spital genial zu einer faszinierenden Einheit verbunden und von einer Kirche gekrönt wurde, die sich in ihrer kunstvollen Erscheinung mit den schönsten Gotteshäusern der Welt messen kann.
Aber eben nur alles zusammen ergibt Steinhof, das trotz eines nationalen Denkmalschutzes mittlerweile die Unterstützung einer Bürgerinitiative (Steinhof erhalten) benötigt, um gegen Begehrlichkeiten diverser Investoren auf dem Wohnbausektor verteidigt zu werden. Im Bemühen um einen starken Partner hat sich diese Initiative an die Landschaftsschutzorganisation „Alliance für Nature“ gewandt und ihr den Auftrag erteilt, eine Machbarkeitsstudie bezüglich einer UNESCO-Welterbestätte zu erstellen. Die Studie bescheinigte, so Dipl.-Ing. Christian Schuhböck von Alliance für Nature, dass das Otto-Wagner-Spital gleich mehrere Kriterien der UNESCO-Welterbe-Richtlinien erfüllt.
Auf Basis dieser Studie wurde von Schuhböck ein Buch gestaltet, um der Bevölkerung, so der Autor, diese außergewöhnliche Krankenanstalt mit dem wohl bedeutendsten Jugendstil-Sakralbau Wiens vor Augen zu führen.
Es handelt sich bei diesem Buch um alles andere als eine trockene Auflistung von Fakten und Werten. Schuhböck hat die Geschichte von Steinhof in angenehme Lesbarkeit verpackt.
Er steigt vor der Gründung der Irrenhäuser in Europa ein, erzählt über die diesbezüglichen Reformen von Kaiser Joseph II., von denen der Narrenturm bis heute Zeugnis ablegt, und von der allmählichen Entwicklung einer angepassten Behandlung von Geisteskranken. Der Abschnitt vom Grundstücksankauf über die diversen Entwürfe bis zur Übertragung der Planung an den damals bedeutendsten österreichischen Architekten Otto Wagner erleuchtet aufschlussreich das Werden eines solchen Großprojekts.
Ein guter Teil des Buches ist der Anstaltskirche „Hl. Leopold“ gewidmet. Wer jemals das Vergnügen einer Führung durch diesen Sakralbau hatte, war mit Sicherheit von den unzähligen ästhetischen, genauso aber auch praktischen Details zutiefst beeindruckt. Man kann darüber nun in Ruhe die Ergänzungen, mit denen Schuhböck als Ergebnis ausführlicher Recherchen den Text bereichert hat, nachlesen. So wurde 1903 im Zuge einer heftigen Debatte im Niederösterreichischen Landtag (Wien war damals die Hauptstadt von NÖ) die Kirche als „Grabmal eines indischen Maharadschas“ oder als „jüdische Kunst“ beschimpft.
Anlässlich der Eröffnung am 8. Oktober 1907 meinte Erzherzog Franz Ferdinand, dass ihm der Maria-Theresianische Stil besser gefalle als der Jugendstil. Otto Wagner wagte eine Entgegnung und sagte zur durchlauchtigsten Hoheit, dass damals die Kanonen ebenfalls prunkvoll verziert gewesen seien, heute aber einfache glatte gefertigt würden und „sie erfüllen den gleichen Zweck, um schießen zu können – und diese einfach gestaltete Kirche erfüllt den Zweck, um beten zu können.“ Otto Wagner erhielt nie wieder einen Auftrag vom Kaiserhaus.
Zu Sprache kommt auch die düstere Seite des Otto-Wagner-Spitals während des Nazi-Regimes. Den gemarterten und qualvoll im Rahmen eines Euthanasieprogramms ums Leben gekommenen Kindern vom Spiegelgrund wurde vom „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“ im Pavillon V eine Dauerausstellung eingerichtet und vor dem Gesellschaftshaus (Jugendstiltheater) ein berührendes Mahnmal gesetzt.
An den Gang durch die Geschichte schließt Christian Schuhböck eine überzeugende Aufzählung der Voraussetzungen für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste. Darauf folgt ein Überblick über das Wesen des UNESCO-Welterbes, der durchaus auch für einen Laien interessant sein kann, um mit einem internationalen Vergleich die Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes des Otto-Wagner-Spitals mehr als dringlich zu zeigen.