In einer Steige mit säuberlich geordneten Eiern dürften drei davon die ihnen aufgezwungene Ordnung nicht mehr ertragen haben. Sie sind „Verrückt“, wie der Titel dieses Bildes besagt. Ihnen scheint es besser zu ergehen wie dem einen Ausreißer, der aus den fast militärischen Reihen einfach „Rausgefallen“ und dabei zerbrochen ist. Am besten getroffen hat es das bunte Ei in der Gesellschaft uniformer Artgenossen, das sich einfach in den „Mittelpunkt“ gesetzt hat. Der Maler Josef Hasenöhrl, ein Bayer, der in Ungarn lebt und arbeitet, hat in diesem an sich alltäglichen Hühnerprodukt, das jedoch auch für den Uneingeweihten gewaltige Symbolkraft enthält, eine ganze Menge von Ideen für seine Bilder gefunden.
Er hat sie zu „Rubineiern“ veredelt oder zu „Steineiern“ erstarren lassen und aus dem Überschuss der Möglichkeiten einen „Green Bird“ dazwischen gesetzt, der erstaunt auf die Größe seines Geleges blickt. Das wirklich Wesentliche ist aber das Drumherum, eben die Steige. Sie ist aus Holz, zum Teil als natürlicher Rahmen und wenn es dem strengen Auge des Künstlers nicht entsprochen hat, einfach so täuschend echt nachgemalt, dass man mit freiem Auge nur schwer zwischen Natur und Kunst zu unterscheiden vermag.
Freilich hat Josef Hasenöhrl auch andere Themen. So beleben seine Bilder Insekten wie der „Kreuzkraut Blattkäfer (Chrysomelidae)“ und die „Sauwanze (Coreidae), von denen unter Umständen auch die „Zwetschgen“ und „Walnüsse“ nicht verschont werden. Immer wieder ist es aber das Holz, das den eigentlichen Bildgrund stellt. Gemalt wird auf Fichtenbrettern, die für ihn einfach die entsprechend starke Struktur haben und mit den Spuren der Äste und seiner Maserung von sich aus bereits ganze Landschaften liefern. Sie brauchen von Hasenöhrl nur betont zu werden, zum Beispiel bei einem See in der Nähe seiner derzeitigen Bleibe in der weiten ungarischen Ebene. Der Himmel mit den Wolken und das Wasser, sogar die Spiegelung zeichnet das Holz.
Das schmale Band eines fernen Buschwaldes hat Hasenöhrl selbst dazugemalt. „Pat. Am See“, „Pat. Wintersee“, „Holzland“ oder „Morgensonne“ sind die schlichten Titel dieser Meditationen über eine Landschaft.
Man sollte mit dem Blick eines Kindes an diese Bilder herangehen, mit der unverbildeten Fantasie, die in den von der Natur gratis gelieferten Zufälligkeiten die Strukturen von Bekanntem zu erkennen imstande ist. Dann wird man auch auf den Witz stoßen, den der Maler darin versteckt hat.
Es ist die strenge Ordnung, die durch unscheinbare Kleinigkeiten bis zum Chaos gestört wird und sich dennoch erhält, weil es ihr Schöpfer so will. Es sind Bildgeschichten, die im strengen Format des Quadrates erzählt werden. Zu erleben sind sie derzeit im Phantastenmuseum Wien, wo sogar die Hängung einer rigiden Symmetrie folgt, jedoch bereits bei der Vernissage am 8. Juli 2017 etliche Löcher auszuweisen hatte. Da ein Hasenöhrl zu durchaus erschwinglichem Preis zu erwerben ist, haben die Besucher flugs die Gelegenheit genutzt und zugeschlagen, oder wie es Kustos Prof. Gerhard Habarta in seiner Samstagsrede formuliert hat, sie als Geschenke betrachtet, die „man auch annehmen können muss, weil es auch eine Freude für den Schenker ist.“
Endlich ein Museum für die Wiener Schule und den Phantastischen Realismus
Botschafter einer geheimnisvollen Welt
Das Phantastenmuseum am Josefsplatz ist zweifellos eine reizvolle Bereicherung der Wiener Museums-Landschaft und eine Bühne für ureigene österreichische Kunst des 20. Jahrhunderts. Man fragt sich, warum es ein solches Museum nicht schon längst gegeben hat. Ganz einfach, weil sich bisher – abgesehen von einigen wenigen Ausstellungen – noch niemand der Wiener Schule und dem Phantastischen Realismus angenommen hat, oder es gewagt hat, sich in einer Zeit radikaler Gegenwartskunst altmeisterlich arbeitenden Malern ernsthaft anzunehmen.
Kurator Gerhard Habarta, u.a. Redakteur des Lexikons der phantastischen Künstler, hatte den Mut, nun in den mit Kultur getränkten Räumen des Palais Palffy – einem zentralen Ort; das Palais liegt an einem der Hauptströme kulturinteressierter Wienbesucher zwischen Hofreitschule und Albertina – diesen Künstlern den ihnen gebührenden Rahmen zu geben.
Am 15. Jänner 2011 wurde das Phantastenmuseum eröffnet, mit dem Schwerpunkt auf noch lebende Vertreter der beiden Richtungen wie Aric Brauer und Ernst Fuchs. In der Zwischenzeit gab es bereits einige bemerkenswerte Sonderausstellungen (Im Anhang wird regelmäßig darüber berichtet). Alle diese Künstler zählen im weiteren Sinn zu den Phantasten, zu den Botschaftern einer geheimnisvollen Welt, die sie bereits betreten haben und zu der sie dem Betrachter in ihren Bildern die Tür gerade so weit öffnen, dass jedermann mit Vergnügen eintreten kann.
Bilder anklicken zum Vergrößern
r.g.o.: Kurt Regschek, „St. Stephan“, 1993
l.o.: Christian Flora, Burlesque, 2009
r.o.: Ansicht Phantastenmuseum
r.: Kurt Ingerl, Gegürtete, ca. 1992
g.l.: Fritz Aigner, Saure Gurkenzeit, 1971
l.r.: Gerhard Habarta l.u.: Ausst.ansicht
r.u.: Rudolf Hausner, Adam massiv. 1969
Titels.: Plakat, 3. Pintorarium-Aktion München 1967