DIE ZAUBERFFLÖTE Junger Wein mit großem Reifepotential
Ernsthafte Interpretation mit jugendlichem Übermut
Wenn junge Sänger an ein so eingespieltes Werk wie Die Zauberflöte gehen, muss einfach mit Überraschungen gerechnet werden. Gleich vorweg: Man darf begeistert sein von dem Sängermaterial, das an der Universität für Musik und darstellende Kunst offenbar bestens gepflegt wird. Die Rollen sind durchwegs mit Studenten besetzt, für viele stellt diese Produktion im Schönbrunner Schlosstheater das Debüt dar. Entsprechend groß dürfte auch die Aufregung vor dem ersten gesungenen Ton vor großem Publikum sein. Bei der Premiere am 21. März 2018 wurde sie souverän überwunden – schade eigentlich, dass man nicht auch die anderen Aufführungen hören kann. Bei jeder Aufführung bekommen andere Sänger die Gelegenheit aufzutreten, und man darf mit gutem Grund annehmen, dass auch sie ihre Sache so gut machen wie die Kollegen am ersten Abend. Mozart ist kein Klacks, schon gar nicht in Arien, die jeder der Zuhörer schon Hunderte Male gehört hat und tausend Vergleiche ziehen kann. Aber es ist keineswegs notwendig, nach Ausreden zu suchen. Wozu auch?!
Jeder der jungen Solisten hat bereits seine persönliche Art gefunden, mit solchen Brocken wie „Dies Bildnis ist bezaubern schön“ (David Jagodic als Tamino), „Ein Mädchen oder Weibchen“ (begabter Komiker und Sänger gleichermaßen: Klemen Adamlje) oder „Ach, ich fühl´s, es ist verschwunden“ (Minami Matsubara als zierliche Prinzessin Pamina) fertig zu werden. Gerade diese Oper bietet für fast jede Stimmlage genügend Möglichkeiten zu reüssieren, ob in der Koloratur der Königin der Nacht (faszinierend treffsicher: Vanessa Lisa Waldhart) oder im tiefen Fach des Sarastro (Petro-Pavlo Tkalenko mit beeindruckender Tiefe). Unwillkürlich war man an die Verkostung von Fassproben Großer Gewächse erinnert; Wein, der noch jung ist, noch nicht ganz seinen vollen Körper ausgebaut hat, aber vielversprechende Anlagen zeigt, eben das Reifepotential eines Grand Cru.
Regisseurin Beverly Blankenship, Absolventin des Max Reinhardt Seminars, hat es gewagt, Mozarts und Schikaneders Parabel auf die Weisheit, die sich in den drei Forderungen „standfest“, „duldsam“ und „verschwiegen“ ausdrückt, nicht todernst zu nehmen. Die beiden Freimaurer mögen der Welt damit alle zum gemeinsamen Überleben notwendigen guten Eigenschaften ins Stammbuch geschrieben haben, aber die Menschheit hat sich bis heute keinen Furz darum geschert.
Also warum nicht ein verschmitztes Schmunzeln draufsetzen, wenn in hehren Tönen die Sonne bejubelt wird, von der die Nacht vertrieben wurde? Da darf schon das Liebespaar am Schluss eine Pizza futtern und die kleinen Papagenas und Papagenos in Windeln um die zwei schrägen Elternvögel herumwuseln. Es gibt genügend übermütige Gags, mit denen philosophischer Bierernst aufgelockert wird. Das Bühnenbild von Erich Uiberlacker ist auf ein paar wesentliche Symbole wie die drei Türen reduziert. Eine tolle Lichtregie erzeugt ohnehin genügend Stimmung zur Musik, mit der unter der Leitung von Peter Marschik und dem Webern Symphonie Orchester professionell Solisten und Chor des Institutes für Gesang und Musiktheater begleitet wurden.
Ein weiteres großes Plus für diese Inszenierung: Die an sich schwer nachvollziehbare Handlung der Zauberflöte wurde nicht zuletzt durch erstaunliche Textdeutlichkeit der Sänger durchschaubar und vielleicht sogar erst mit den streckenweise recht rüden Umgangsformen der so von jeder Rache absehenden Priesterschaft und dem anhaltenden Widerstand der beiden Jungen gegen die aufgezwungenen Prüfungen zu einer verständlichen Interpretation der bekanntesten und wohl auch geheimnisvollsten Oper der Musikgeschichte.