Das Waldbauernmuseum in der Alten Hofmühle zu Gutenstein
Ein begehbarer „Guckkasten“ in eine gar nicht so ferne Vergangenheit
Wer von Wiener Neustadt weg die Piesting flussaufwärts fährt, wird bald von der wilden Romantik dieses Tales gefangen sein. Pittoreske Felsen, bestanden mit Schwarzföhren, enge Schluchten, durch die sich Fluss, Eisenbahn und Straße zwängen und zum Talschluss hin immer mehr Respekt gebietende Berge beherrschen diese Gegend und sind mit der überraschend dichten Industrialisierung der dortigen Ortschaften eine erstaunlich harmonische Verbindung eingegangen. Die Menschen finden Arbeit und bleiben gerne in ihrem „Biedermeiertal“, wie es der sanfte Tourismus der Gegend sein einige Zeit propagiert. Ein guter Teil davon sind Nebenerwerbsbauern, also Bergbauern, die auf ihren Höfen an den steilen Hängen nicht genug für ein entsprechendes Auskommen erwirtschaften können. Feldwirtschaft ist aufgrund klimatischer Bedingungen beinahe gänzlich auszuschließen, bleibt nur mehr geringfügige Viehhaltung und die mühsame Nutzung der Wälder. Der Zustand ist nicht neu, bereits Schweickhardt schreibt in seiner Topographie um das Jahr 1831:
„Die Einwohner finden ihren meisten Erwerb im Kohlenbrennen, Kohlen-, Holz- und Eisenhandel…“ und waren damals sogar noch privilegiert. Sie durften für den Erlös aus ihren Holzwaren auf dem Rückweg Lebensmittel und Wein nach Hause führen. Hergestellt wurden die Produkte im eigenen Haus und die Fertigkeiten ohne Lehre und Gesellenzeit einfach von Generation zu Generation weitergegeben. Die Gewerbeordnung 1893 machte diesen Kleinstbetrieben jedoch den Garaus. Die Bauern, die Besen und Schaffeln binden, Körbe flechten und Kalk brennen konnten, hatten für die entsprechende Modernisierung und Ausbildung nicht das Geld. Eine ganze Kultur des häuslichen Handwerks geriet in Gefahr zu verschwinden.
Die letzten Spuren werden im Waldbauernmuseum Gutenstein liebevoll gepflegt und für die Gegenwart im wahrsten Sinn des Wortes begreifbar aufbereitet. Frau Judith Pawelak ist die Tochter von Wilhelm Ast, der ab 1945 mit großem Fleiß nicht mehr benötigte Gerätschaften der Waldbauern gesammelt hat. Nunmehr führt sie das Museum, das seit 1965 in der Alten Hofmühle im Zentrum von Gutenstein eingerichtet ist. Die Tätigkeit ihres Vaters war eine Rettungsaktion im letzten Moment.
Wer hätte sich um die alten, sehr einfachen Werkzeuge gekümmert und wer hätte das Wissen der damals noch lebenden Handwerker niedergeschrieben?! Dank des Einsatzes von Wilhelm Ast und seines Freundes Anton Lehner wird uns Heutigen eine Zeitreise ermöglicht, die über eine gar nicht so weite Strecke in die Vergangenheit führt, dennoch ein Zauberreich eröffnet, wie es Ferdinand Raimund in seinen Theaterstücken bereits vor fast 200 Jahren mit bemerkenswerter sozialer Realität festgehalten hat.
Frau Pawelak beginnt ihre Führung nach einer kurzen historischen Einleitung mit den Bottichbindern. Dabei betont sie, dass sich dieses Museum streng auf Holz und Holzverarbeitung durch die Waldbauern in der Umgebung von Gutenstein beschränkt. Etliche der Schaffeln, wie sie die Bauern zum Säuern des Krautes oder zum Einsuren des Fleisches verwendeten, sind noch mit Reifen aus Haselstauden gebunden. Im Lagl, einem Holzfässchen mit geraden Dauben, transportierten die Holzknechte die Wasserration für eine Woche zu ihrem einsamen Arbeitsplatz im Wald. Im Zwetschkenbüttel wurde Obst schonend auf den Markt gebracht, in einem mit Sprudler oder Stösseln eingerichteten Fassl Butter gerührt und ebenfalls im hölzernen Gebinde hat man die Grammeln gepresst. Die Werkzeuge wie Kimmhobel, Model und Dexel sind noch vorhanden und können mit ein paar Handgriffen wieder aktiviert werden. Geschichte wird lebendig, wenn Museumsbesucher selbst Hand anlegen dürfen, um im Rahmen eines Workshops einen Bottich zu binden.
Es berührt einen seltsam, wenn man als Beweis des Erfindungsgeistes des einstigen gewiss alles andere als wohlhabenden Besitzers am Hobel als Schneide das Stück eines ausrangierten Sägeblatts entdeckt.
Das geräumige Mühlengebäude bietet den entsprechenden Platz, die Handwerke in eigenen Werkstätten zu zeigen, zum Beispiel die Korbflechterei in der Wohnstube. Die Körbe wurden, so weiß Frau Pawelak, von den ärmsten der Armen geflochten, von Invaliden und Alten, für die es natürlich keine Pension gab. Dafür durften sie überall Haselstöcke schneiden, die dann in einer Reihe von Arbeitsgängen aus den seidig gehobelten Spänen einen Buckelkorb, ein Schwingerl oder eine Zistel ergaben. Mit Bedauern muss Frau Pawelak feststellen, dass es in der Umgebung keinen Korbflechter mehr gibt, der die Kunst des feinen Hobelns von Haselspänen weitergeben könnte.
Die Kalkbrennerei wird ebenso wie die Köhlerei anhand eines hübschen Modells vorgestellt. Dazu gibt es Geschichten, eine Menge wunderschöner uralter Ausdrücke wie den „Owizahrer“ beim Sägen oder das „Kerbholz“ bei der Schotterfuhre, die teils noch in Redensarten überlebt haben, und eingehende Erklärungen, wie beispielsweise das vom Wasserrad betriebene Sägewerk funktioniert. Der Besucher zieht genussvoll den Duft von Terpentin in die Nase und erfährt, was ein Häferlbrocker oder eine Pechkuchl ist.
Es bräuchte sich einer, so er es versteht, nur auf die Hoanzlbank zu setzen, schon könnte er die feinsten Schindeln mit sauberer Nut und Feder herstellen. Die Gerätschaft und das Tannenholz lägen bereit. Ein besonders schön gewachsener Baum ist bereits zur Hälfte durchgebohrt, wird aber vergeblich auf seinen Einsatz in einer Wasserleitung warten, da diese längst aus anderen, leichter zu verarbeitenden Materialien hergestellt werden. Wohin man in diesem Museum blickt, man spürt in jeder Ecke noch lebendig den Geist der Bauern, für die das „Holz“, wie es in einem Filmtitel heißt, das „Brot der Heimat“ war und mit der heutigen Forstwirtschaft des Piestingtals noch immer ist.